Das Akademische Kolleg

Vom Werden des „Collegium Academicum Viennense Societatis Jesu“ und der Neugestaltung des Alten Universitätsviertels
1624–1655

Zwischen 1623 und 1655 werden die mittelalterlichen Universitäts- und Studentenhäuser abgerissen und ein pompöses Jesuitenkolleg errichtet.

Mit der „Pragmatischen Sanktion“ vom 9. August 1623 übertrug Kaiser Ferdinand II. den Jesuiten die Lehrkanzeln der Theologischen und der Philosophischen Fakultät und beauftragte sie, an der Stelle des alten Herzogskollegs und einiger Bursen ein neues Akademisches Kolleg samt Kirche zu errichten. Die Planung war rasch abgeschlossen. Man orientierte sich an mittelalterlichen Vorbildern wie etwa dem Spanischen Kolleg in Bologna und passte diese den zeitgemäßen Erfordernissen an. Es waren neben der Kirche, Hörsäle, eine Bibliothek, ein Observatorium und ein Refektorium sowie Klassenzimmer für die Lateinschule, Wohn- und Wirtschaftsräume, Ställe aber auch ein repräsentativer Saal für Versammlungen, festliche Anlässe und Theateraufführungen vorzusehen.

Radikale Neugestaltung des mittelalterlichen Universitätsviertels

Daneben sollten streng geführte Konvikte die herabgekommenen Bursen ersetzen. Der Rektor des Jesuitenkollegs Pater Wilhelm Lamormaini forderte die Mitglieder der Universität auf, den Abbruch der alten Kollegsgebäude, der für den Winter 1623/24 vorgesehen war, nicht zu behindern. Das Bauareal wurde durch den Ankauf von 17 benachbarten Bürgerhäusern erweitert. Am 1. August 1624 erfolgte die Grundsteinlegung. Zunächst wurde die Kirche an der Stelle der Lammburse errichtet, die östlich anschließende Bruckburse musste dem späteren Kollegshof und der Hauskapelle weichen. Die meisten mittelalterlichen Kollegsgebäude sind rasch demoliert und durch Neubauten ersetzt worden. Reste mittelalterlicher Bausubstanz konnte bislang bloß in den Kellerzonen vereinzelt festgestellt werden. Der Baumeister („praefectus fabricae“) Paulus Konecny sollte den Bau bis zur Jahrhundertfeier des Jesuitenordens im Jahr 1640 fertigstellen, was nur zum Teil erfüllt werden konnte. Kaiser Ferdinand II. bezahlte für Kirche und Kolleg zwischen 1625 und 1635 insgesamt 87.000 Gulden.

Der Ablauf des Baugeschehens ist im Einzelnen nicht genau bekannt. Jedoch kann man davon ausgehen, dass in erstaunlich kurzer Zeit eines der größten Bauvorhaben innerhalb der Wiener Stadtmauern realisiert worden ist. Schon nach sieben Jahren (1631) wurde die Kirche von Kardinal Dietrichstein den Heiligen Ignatius und Franz Xaver in Gegenwart des Kaisers und des Hofes geweiht, gleichsam als ein Denkmal der siegreichen Gegenreformation in Österreich. Im selben Jahr kam es zu einem Rückschlag, als die neuen Türme der Kirche bei einem Sturm einstürzten. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts war mit der Fertigstellung der mit zwei Schwibbögen mit dem Kolleg verbundenen Alten Aula das frühbarocke Baugeschehen abgeschlossen.

Raum für Astronomie, Botanik und einen Weinkeller

Die viergeschossigen Kollegsbauten umschließen einen zentralen, ursprünglich mit offenen Arkaden versehenen Hof, in dessen Mitte sich im 17. und 18. Jahrhundert ein botanischer Garten befand. Der Hof wird im Westen durch die Kirche und die angebaute St. Benediktskapelle begrenzt, im Norden befindet sich anschließend die Sakristei und der Wohntrakt (Schönlaterngasse) mit zwei tiefen Kellergeschoßen, daran schließt der in Richtung Nordosten (gegen den Fleischmarkt) weit vorspringende Bibliothekstrakt, der auch das Refektorium enthält. Gegen Osten ist der Bibliothek das „Stöckel“, ein ehemaliges Wirtschaftsgebäude, zur Postgasse hin vorgelagert, dazwischen befindet sich ein schmaler Innenhof. An der Südostecke überragte der einst achtgeschossige (später auf vier Geschoße abgetragene), weit hervorspringende „Mathematische Turm“ mit seinem Observatorium die übrigen viergeschossigen Kollegsgebäude. Er stand mit dem im Süden den Kollegshof abschließenden Bäckerstraßentrakt in Verbindung. Dieser Trakt besitzt zwei Kellergeschoße, in denen wohl der im Jahre 1638 fertig gestellte Weinkeller zu suchen ist. An der Stirnseite des Gebäudes, die auf den Universitätsplatz weist, ist das Hauptportal des Jesuitenkollegs untergebracht. Von hier aus gelangte man zu den Hörsälen. Die Begrenzung des Gesamtkomplexes ist heute durch die Straßenzüge Schönlaterngasse, Postgasse, Bäckerstraße (südlich ausgreifend bis zur Wollzeile) und den Dr. Ignaz Seipel-Platz gegeben. Das geschäftige Stubenviertel hatte einen Teil seiner mittelalterlichen Enge verloren und war um ein lebendiges Kommunikationszentrum reicher geworden. Der Universitätsplatz mit der um 1703 von Andrea Pozzo S.J. völlig neu gestalteten Jesuitenkirche, dem anschließenden Kolleg und dem Jesuitentheater gehörte zu den wichtigsten Orten der kulturellen Begegnung Wiens.

Die „Domus antiqua“ als Verwaltungszentrum der Universität

Die Inkorporation des Jesuitenkollegs in die Universität im Jahre 1623 hatte eine „zweigleisige“ Verwaltung zur Folge. Der „Pater Rektor“ des Jesuitenkollegs war für seine Ordensbrüder zuständig und hatte seinen Sitz im Kolleg, während der Rektor der Universität nicht der Gesellschaft Jesu angehören sollte und außerhalb des Kollegs residierte. Im Jahre 1628 bezog die Universitätsverwaltung das von den Jesuiten zur Verfügung gestellte Haus in der Sonnenfelsgasse 19 (ehem. Untere Bäckerstraße), das heute als Domus antiqua bezeichnet wird. In diesem Gebäude befanden sich bis 1884 die Räume des Rektors, des Syndikus, des Pedells, weiters der große Konsistorialsaal (heute „Theatersaal“), die Kanzlei und das Archiv im ersten Stock und schließlich der Karzer zu ebener Erde. Außerhalb des Kollegs lagen von den Jesuiten geführte Konvikte, die zum Teil in den Gebäuden ehemaliger Bursen (z.B. Rosenburse, Lilienburse) eingerichtet wurden.

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