Die Sommerhochschule der Universität Wien

Promoting International Understanding „in the Austrian Spirit“
1949–1969

Der 1949 gegründeten und seitdem ununterbrochen jährlich stattfindenden Sommerhochschule der Universität Wien lag der Gedanke zugrunde, die durch den Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg zum Erliegen gekommenen internationalen wissenschaftlichen Bande der Universität auf Ebene der Studierenden zu reaktivieren. Insbesondere sollte zu einer Verbesserung der österreichisch-amerikanischen Beziehungen auf diesem Gebiet beigetragen werden. In diesem Sinn sollten zu Beginn vorwiegend US-amerikanische Studierende am Programm teilnehmen und Österreich anhand seiner Geschichte und Kultur, seiner Politik und Wirtschaft und der sich gerade konstituierenden neuen Identität kennenlernen und mit österreichischen Studierenden in Austausch treten. Angesichts der raschen Internationalisierung des Teilnehmerfeldes kann aber schon bald von einer internationalen Sommerhochschule gesprochen werden.

Gründung der Sommerhochschule

Der Gründungsimpuls zur Einrichtung von „Sommerkursen in Österreich“ – ursprünglich auf US-amerikanische Studierende ausgerichtet – lässt sich im Herbst 1948 auf das in New York ansässige Institute of International Education (IIE) zurückführen. Dieses war bestrebt, die schon zwischen 1927 und 1931 stattgefundenen „Vienna Summer Schools“, an denen unter anderem Charlotte Bühler und Karl Bühler, Alfred F. Přibram, Alfred Adler, Richard Kerschagl, Paul Lazarsfeld sowie Richard Meister lehrten, wieder aufleben zu lassen. Durch Vermittlung des damaligen US-Botschafters in Österreich John G. Erhardt wurde dieses Anliegen sodann an das Austro-American Institute of Education sowie an die Österreichisch-Amerikanische Gesellschaft (ÖAG) und ihren Präsidenten Otto Kauders herangetragen. Diese wandten sich im Jänner 1949 wiederum an den Senat der Universität Wien und ersuchten diesen um die wissenschaftliche Umsetzung des Vorhabens. Nach dessen Zustimmung folgte auch jene des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten: Die Sommerhochschule der Universität Wien konnte in Vorbereitung gehen. Als ihr erster Direktor fungierte bis 1968 der Professor für Kirchenrecht und USA-Heimkehrer Willibald Plöchl, der ihr Gründungsziel folgendermaßen umschrieb:

Sie ist „eine spezialisierte Einrichtung, gewidmet dem besseren Verständnis der europäischen und amerikanischen Beziehungen, mit dem Gebiet der allgemeinen Erziehung. Im Besonderen dient sie dazu, englischsprechende Studenten mit den österreichischen wissenschaftlichen Ergebnissen und Erziehungsmethoden bekannt zu machen. Ferner hat sie dazu zu dienen, Österreichs Rolle in Wissenschaft und Kunst, die besondere Stelle zwischen Osten und Westen darzulegen.“

Dies sollte anhand von englischsprachigen Kursen aus den Gebieten der juridischen, medizinischen und philosophischen Fakultät und durch das Angebot deutscher Sprachkurse erreicht werden.

Das Programm sollte aufgrund der Besatzungssituation in Wien nicht am Standort der Universität, sondern nach Vorbild eines amerikanischen Colleges mit einem Campus und auf Betreiben der Amerikaner in der US-Zone angesiedelt werden. Nach erfolgreicher Quartiersuche ging die Eröffnung der ersten Sommerhochschule mit 69 Studierenden aus den USA durch Unterrichtsminister Felix Hurdes am 17. Juli 1949 in einem leerstehenden Hotel in Thumersbach nahe Zell am See (Salzburg) vonstatten.

Zweiter Standort: Schloss Traunsee

Schon im zweiten Jahr ihres Bestehens wurde die Sommerhochschule in das Schloss Traunsee in Altmünster bei Gmunden (Oberösterreich) verlegt, wo sie bis 1955 verblieb. Das Teilnehmerfeld setzte sich 1950 aus 52 US-AmerikanerInnen, acht ÖsterreicherInnen und zwei Schweizern zusammen, womit erstmals von einem internationalen Programm gesprochen werden konnte. Festgehalten wurde das Sommerhochschulgeschehen 1950 in einem Film, der am 16. Dezember desselben Jahres unter Beisein von Rektor Johannes Gabriel und des damaligen US-Botschafters in Österreich im Audimax der Universität seine Premiere feierte.

Ein permanentes Quartier wird gefunden: St. Wolfgang Campus / Strobl / Austria

Schon 1953 war augenscheinlich, dass Schloss Traunsee angesichts der steigenden Studierendenzahlen an seine Kapazitätsgrenzen stieß und dass das Bundesministerium mit der Liegenschaft andere Pläne verfolgte. Die Standortsuche begann von neuem und konnte im Jahr 1955 mit dem Erwerb des ehemals „arisierten“ und dann restituierten Bürglguts in Strobl am Wolfgangsee durch den Bund schließlich gelöst werden. Während der Campus des Bürglguts unter dem Jahr vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung genutzt wird, steht er in den Sommermonaten seit 1956 bis heute der Universität Wien und ihrer Sommerhochschule zur Verfügung.

Der neue Standort schlug sich auch sogleich auf die Studierendenzahl nieder, die 1956 93 betrug und bis 1959 mit 129 Studierenden auf den absoluten Höchststand der ersten 20 Jahre kletterte. Angesichts der erfolgreichen Übersiedlung der Sommerhochschule, des Ausbaus und der Optimierung ihres Lehrprogramms sowie ihrer sehr guten Auslastung konnte der Direktor Plöchl 1958 auf die ersten zehn Jahre folgendermaßen zurückblicken:

„Scanning the short history of our Summer School, we can see that it has achieved a secure position within the framework of Austrian university system. Originally founded only for American students, it has now become an international, English-speaking institution.“

Die Faculty und das Lehrprogramm der Sommerhochschule 1949–1958

„The university makes it a matter of pride to get the very best people as lecturers“ „to enable English-speaking students to become acquainted with Austrian educational and social values. […] to explain Austria’s role in the world of European arts and science, stressing the country’s important position between the East and the West“.

Dieses Ziel vor Augen habend, waren es nicht zuletzt vertriebene und nach Kriegsende nach Österreich zurückgekehrte Wissenschaftler, die mit ihren Erfahrungen aus dem Exil und perfektionierten Englischkenntnissen das Lehrprogramm der Sommerhochschule in ihren Anfangsjahren entscheidend prägen sollten. Neben Direktor Willibald Plöchl, finden sich zwei weitere US-Heimkehrer im Auftaktprogramm: Der Neurologe und Psychiater Otto Kauders – als Präsident der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft einer der Initiatoren der Sommerhochschule – und der Kunsthistoriker und damalige Direktor der Albertina Otto Benesch. Die erziehungswissenschaftlichen Kurse deckten die beiden während der NS-Zeit zwangspensionierten Pädagogen Josef Lehrl und Friedrich Schneider sowie der damalige Vizepräsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Richard Meister ab. Komplettiert wurde die erste Faculty durch den Rechtsphilosophen und Völkerrechtler Alfred Verdroß-Droßberg, den Geologen Johann Sölch und Oskar Krasensky, der für Deutsche Sprache und Literatur zuständig war. Unter den Gastvortragenden des Jahres 1949 finden sich neben dem damaligen österreichischen Außenminister Karl Gruber und Ernst Heinrich Buschbeck vom Kunsthistorischen Museum Wien auch der im NS-Widerstand aktiv gewesene und mittlerweilige Rektor der Hochschule für Welthandel Richard Kerschagl sowie der ehemalige Historiker an der Universität Wien Friedrich Engel-Jánosi, den Plöchl bereits von der Catholic University Washington kannte.

Nach erfolgreichem Umzug von Thumersbach bei Zell am See in das Schloss Traunsee bei Gmunden wurde das Kursprogramm der Sommerhochschule ab dem zweiten Jahr in drei Bereiche gegliedert. Im ersten, „Government and Political Science“ unterrichteten 1950 neben Plöchl und Verdroß-Droßberg der Jurist und Kriminologe Roland Graßberger und der Soziologe und Ökonom Hans Bayer. Im Bereich „Liberal Arts“ wurden die Kurse von Meister, Lehrl, Sölch und Benesch durch jene von Heinrich Ritschl und jene des aus dem britischen Exil zurückgekehrten Kunsthistorikers und nunmehrigen Leiter des Bundesdenkmalamtes Otto Demus ergänzt. Der Kurs des 1949 verstorbenen Otto Kauders wurde einmalig von dem umstrittenen Neurologen Erwin Stransky übernommen. Trotz jüdischer Herkunft und der erzwungenen Zurücklegung seiner Lehrbefugnis während der NS-Zeit, sympathisierte er mit dem Nationalsozialismus, worauf auch seine Schriften aus der Zwischenkriegszeit („Großdeutschland und die Ärzteschaft“, „Deutschenhaß. Eine Studie“) hindeuten. Der dritte Bereich, die Deutschkurse, wurde von Franz Waldmann und Gottfried Hassfurther betreut.

Im Jahr 1956 kamen gleich fünf neue Kurse ins Programm, die der Sommerhochschule viele Jahre erhalten bleiben sollten. Unter den beiden Ökonomen Ferdinand Alois Westphalen und Richard Kerschagl, dem Historiker Heinrich Benedikt und dem Psychologen Ernst Strouhal betraf der wohl prominenteste Neuzugang jenen des weltberühmten Kinderpsychiaters Hans Asperger (Asperger-Syndrom), der einen Kurs über „Biological factors in Child Psychiatry and Juvenile Delinquency“ beisteuerte.

Das Programm der Sommerhochschule hatte mit diesen Erweiterungen seinen Grundcharakter erhalten und sollte in der Direktorenzeit Plöchls nur mehr kleinere Adaptionen erfahren. 1953 kam mit der jungen Kirchenrechtlerin Charlotte Leitmaier erstmals eine Frau als Lehrende zum Einsatz und sollte der Sommerhochschule mit unterschiedlichen Kursen bis zum Ende der Ära Plöchl erhalten bleiben. 1956 wurde das Lehrprogramm durch einen Kurs des jungen Historikers Fritz Fellner ergänzt, während 1959 der zuvor Verdross-Droßberg assistierende Rechtswissenschaftler Ignaz Seidl-Hohenveldern seinen ersten Kurs über das damals junge „Legal Framework of European Economic Integration“ abhielt. 1963 kam mit Inge Gampl eine weitere Kirchenrechtlerin und Mitarbeiterin Plöchls zum Sommerhochschuleinsatz. In diesem Jahr ebenfalls erstmals dabei war der spätere dritte Sommerhochschuldirektor (1979-83) Herbert Hausmaninger, während sein Vorgänger in dieser Funktion, Adolf Nussbaumer (1969-78), erst im Folgejahr 1964 seine Sommerhochschulpremiere als Lehrender beging. Ab Mitte der 1960er Jahre erfuhr das Programm mit den neuen Kursen von Nussbaumer und Kerschagl und dem neu hinzugekommenen Statistiker und späteren ÖVP-Nationalrat Gerhart Bruckmann schließlich eine Verstärkung in wirtschaftswissenschaftlicher Hinsicht. Aber auch der geisteswissenschaftliche Bereich wurde mit der Verpflichtung von Walter Weiss, einem Germanistikprofessors der Universität Salzburg, ausgebaut, der 1967 den ersten deutschsprachigen Kurs an der Sommerhochschule abhielt.

Insgesamt war das Lehrprogramm der ersten 20 Jahre Sommerhochschule von einem raschen Aufbau, immer wieder stattfindendem Ausbau und nachhaltiger Konsolidierung geprägt, wobei letztere relativ rasch erreicht wurde und das Gros der Lehrenden der Institution über Jahre erhalten blieb. Gleichzeitig stießen immer wieder neue Lehrkräfte hinzu, brachten bisher unbehandelte Themen mit ein und trugen so ebenfalls entscheidend zur nachhaltigen Etablierung der Sommerhochschule innerhalb ihrer Anfangszeit bei.

Quelle: Archiv der Sommerhochschule der Universität Wien

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