Die Universität: eine europäische Schöpfung des späten Mittelalters

12. Jhdt.–14. Jhdt.

Die Entstehung des mittelalterlichen Studiums führte man auf den „unaufhaltsamen Fortschritt menschlichen Erkenntnisstrebens“ zurück. Der Wissens- und Bildungsdrang hätte nach dieser These eine beachtliche Menge selbständiger Gelehrter und privater Schulen besonders in Zentren der romanischen Länder seit dem 12. Jahrhundert versammelt.

Einzig das gelehrte wissenschaftliche Interesse, das Wissen- und Erkennen-Wollen sei ausschlaggebend gewesen. Bedürfnisse der Berufsausbildung oder politische und kirchliche Motive hätten eine untergeordnete Rolle gespielt.  Zeitgenössische Quellen zeigen dagegen, dass nicht nur die reine Liebe zur Wissenschaft (amor sciendi) und der Bedarf an Schutz, sondern auch Habgier und Ehrgeiz, die „lukrativen“ Wissenschaften, sowie die Jagd nach Ämtern und eitle Ruhmessucht als Beweggründe für die Entstehung der mittelalterlichen Universität in Betracht kommen.

Ein tiefgreifender Wandel vollzog sich innerhalb der christlichen Ethik. Hatte Wissbegierde, Curiositas, besonders hinsichtlich profaner Wissenschaften lange Zeit als unziemlich oder gar verdächtig (Hl. Augustinus) gegolten, so wurde wahre Wissenschaft nun als Gotteserkenntnis gesehen. Dieser geistige Wandel erfasste weite Kreise und begünstigte den Wachstumsprozess des wissenschaftlichen Studiums und seiner neuen sozialen Organisation: der Universität. Zur wissenschaftlichen Neugier gesellten sich der höhere Bedarf nach Bildung und Wissen in einer urbanisierten Gesellschaft sowie in der in Staat und Kirche aufkommenden Bürokratie. Gleichzeitig kämpften Lehrer und Scholaren um besondere Rechte und Freiheiten, um ihre libertas scholastica. Es fanden sich Schutzgemeinschaften (universitates), die den aus Wissendrang, Bildungsstreben und Ehrgeiz Zusammengeführten aller Herren Länder die institutionelle Basis und Sicherheit boten.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts gab es rund 30 Universitäten in Europa, die seit etwa 1200 ohne formalen Stiftungsakt durch spontane Initiativen der Lehrer, der Scholaren oder auch beider Gruppen zumeist in der Nachfolge von Dom- und Klosterschulen entstanden sind (universitates ex consuetudine). Dazu gehören die Universitäten in Bologna, Paris, Oxford, Salamanca, Montpellier, Padua, Neapel etc. Paris galt als das „Mekka“ der Theologen und Artisten, Bologna besonders als Zentrum der Rechtsgelehrten. Wir sprechen von der „universalen Phase“ der älteren Universitätsgeschichte, in der die treibenden Kräfte vor allem die Akteure des Studiums selbst waren und ihre Lehre bzw. Lehrberechtigung universalen Charakter hatte. Das Bedürfnis nach gelehrtem Wissen und Schutz der Person in einem zumeist städtischen, oft fremden Umfeld führte zur Bildung der korporativen Personenverbände, die sich dem gelehrten Studium verschrieben haben. Als Grundmodelle dieser Organisationen kennen wird das Bologna-Modell (die „Studentenuniversität“), in der die Scholaren die führende Rolle spielten, außenstehende Lehrer unter Vertrag nahmen und Privilegien für ihre Gemeinschaft erkämpften sowie das Pariser Modell (die „Magisteruniversität“), wo die Professorenschaft die Hauptrolle spielte (universitas magistrorum et scholarium). Die Privilegierungen hinsichtlich Lehre, Gerichtsstand und Schutz ihrer Mitglieder erlangten die Universitäten durch Papst und Kaiser.

Ähnliches hat sich in Mittel- und Osteuropa nicht eigenständig entwickelt. Hier bedurfte es der „großen Dynastien“, welche den Wert der gelehrten Bildung erkannten und die Etablierung der hohen Schulen gegen regionale Widerstände durchzusetzen vermochten. Damit begann die Epoche der „Stiftungsuniversitäten“ (universitas ex privilegio). Schon Ende des 13. Jahrhunderts hatte es einen Versuch gegeben, eine Universität in Prag zu gründen. Hier war die „landesherrliche Durchdringung“ des eigenen Territoriums“ mit Hilfe universitär gebildeter Kräfte das neue Ziel. In dem „regional-nationalen Zeitalter“ wurde ein dichteres Universitätsnetz geknüpft. Die Beziehungen zu den Fürstenhöfen und zum fürstlichen Territorium wurden enger und die Initiativen zur Gründung hoher Schulen übernahmen nicht mehr Magistri und Scholaren sondern Landesfürsten und Kommunen.

Mit der Gründung der Universität Prag 1347/48 hatte der „erste gelehrte Monarch“, König Karl IV. (ab 1355 römisch-deutscher Kaiser) aus dem Hause Luxemburg, die erste Universität nördlich der Alpen geschaffen. Die alte Bischofs-Stadt wurde zur überregionalen Bildungsmetropole, wo künftige Eliten für den Territorialstaat herangezogen werden sollten. Besonders universitär gebildete Sekretäre, Diplomaten und Juristen waren gesucht. Die Prager Gründung hatte grundsätzliche Bedeutung für Mittel- und Osteuropa und war der Startschuss für die regen Stiftungsbemühungen in den Territorien. Der in Mitteleuropa vorherrschende Typus der Vierfakultäten-Universität wurde von hier bzw. seinem Pariser Vorbild übernommen und den jeweiligen regionalen Bedürfnissen angepasst.

Führende europäische Dynastien eiferten dem Luxemburgischen Kaiser Karl IV. nach wie z. B. die Jagiellonen (Kasimir der Große, 1364 Krakau), die Habsburger (Rudolf IV., 1365 Wien), die Anjou (Ludwig der Große, 1367 Pécs / Fünfkirchen ), die Wittelsbacher (Ruprecht I. von der Pfalz, 1386 Heidelberg) und neuerlich die Luxemburger (Sigismund, 1395 Buda/Altofen). Aber auch Kommunen setzten Initiativen zu Universitätsgründungen wie die Städte Erfurt (1379) und Köln (1388).

Kurt Mühlberger

Zuletzt aktualisiert am : 05.03.2024 - 21:32