Elise Richter, tit. ao. Univ.-Prof. Dr. phil.

2.3.1865 – 21.6.1943
geb. in Wien, Österreich gest. in Ghetto Theresienstadt | Terezín, Tschechische Republik

Vierte promovierte Frau an der Universität Wien (Dr. phil., 2. Juli 1901)
Erste habilitierte Frau an der Universität Wien (1905)
Erste Frau mit dem Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors in Österreich (29. August 1921)
Leiterin des Phonetischen Instituts

„Elise Richter ist nicht nur bedeutend,weil sie sich als erste Frau an der Universität Wien – und das trotz Hürden – habilitiert hat, sondern weil sie schon damals grundlegende Einsichten zu problemorientierter Forschung formuliert hat, die angesichts der stets wachsenden globalen Komplexität unserer Welt große Relevanz für interdisziplinäres Vorgehen besitzen.“
Ruth Wodak, Professorin für Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Wien und an der Lancaster University

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrentafel-Fakultät 1981 Philosophische Fakultät

Auf Antrag von Kurt Schubert (Judaistik) und Wolfgang Pollak (Romanistik) beschloss das Fakultätskollegium der Geisteswissenschaftlichen Fakultät im Jänner 1981, die Aufnahme von Elise Richter in die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät zu beantragen:

„Elise Richter studierte als eine der ersten Frauen an der Wiener Universität Romanistik, war 1907 erste Privatdozentin Österreichs, 1921 als erste Frau Ao. Professorin. Ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft, ihre Befassung mit dem ‚Romanismus‘ sind heute noch richtungsweisend, innerhalb der Romanistik erwies sich E. Richter als Pionier der phonologischen Theorie und Forschungsmethode.“
(Protokoll über die 4. Sitzung des Akademischen Senates am 26. März 1981, in: Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat GZ 6 ex 1980/81)

Der Akademische Senat der Universität Wien stimmte dem Antrag in seiner Sitzung vom 26. März 1981 einstimmig zu und die Eintragung wurde Anfang April 1981 beauftragt.

Denkmal Reliefporträt im Institut für Romanistik 1985 Geisteswissenschaftliche Fakultät
Tor der Erinnerung Richter-Tor 1998/99 Geisteswissenschaftliche Fakultät
Raumbenennung Elise-Richter-Saal 2003 Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät
Stipendien/Preise/Stiftungen Elise-Richter-Programm 2005
Denkmal Arkadenhof 2015/16 Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Elise Richter wurde als Tochter des Chefarzt der k.k. priv. Südbahngesellschaft Dr. Maximilian Richter und dessen Frau, Emilie Lackenbacher in Wien geboren. Da der reguläre Besuch von höheren Schulen/Gymnasien für Mädchen noch nicht erlaubt war, erhielten Elise und ihre ältere Schwester, die spätere Anglistin und Theaterwissenschafterin Helene Richter, Privatunterricht.
Ab 1891 durfte sie einzelne Vorlesungen an der Universität Wien als Gasthörerin besuchen. Als es Frauen gestattet wurde, zur Reifeprüfung anzutreten, legte Elise Richter als erste Frau am Akademischen Gymnasium in Wien 1897 die Externistenmatura ab. Als eine der ersten Frauen inskribierte sie im selben Jahr als ordentliche Hörerin Romanistik, allgemeine Sprachwissenschaft, klassische Philologie und Germanistik an der Universität Wien und promovierte 1901 zum Dr.phil.
Elise Richter habilitierte sich 1905 als erste Frau an der Universität Wien und erhielt 1907 die Lehrberechtigung für romanische Philologie sowie eine unbezahlte Dozentur. Am 29. August 1921 erhielt sie als erste Frau in Österreich den Titel (aber nicht die Position) eines außerordentlichen Universitätsprofessors und einen Lehrauftrag für Romanische Sprachwissenschaften, Literatur und Phonetik. Ab 1928 leitete Elise Richter das phonetische Institut der Universität Wien. Der Titel und die Position eines Ordinarius blieb ihr jedoch verwehrt. 1922 gründete sie den „Verband der Akademikerinnen Österreichs VAÖ“, dessen Vorsitzende sie bis 1930 blieb.
Richter forschte hauptsächlich auf dem Gebiet der (romanischen) Sprachwissenschaften, mit Schwerpunkt im Bereich der Phonetik und der Phonolologie. Ihre Arbeiten befassten sich mit den psychologischen Grundlagen des sprachlichen Geschehens. Im Bereich der Sprachgeschichte erforschte sie den inneren Zusammenhang in der Entwicklung der romanischen Sprachen.

Elise Richter wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 ihres Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Sie blieb mit ihrer Schwester Helene zunächst in Wien, ihre letzten Arbeiten konnte sie 1940 bis 1942 nur noch in den Niederlanden und Italien veröffentlichen. Am 10. Oktober 1942 wurden die Schwestern in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie wenige Monate später starben.

Die Bibliothek der beiden Schwestern mit etwa 3.000 Bänden wurde 1942 von der Universität Köln „übernommen“, im Rahmen der seit 2005 laufenden NS-Provenienzforschung soll sie rekonstruiert und restituiert werden.

Ehrung

Ein Reliefporträt (Gestaltung: Ferdinand Welz) im Institut für Romanistik erinnert seit 1985 an die erste Dozentin der Universität Wien Elise Richter und 1998 wurde eines der „Tore der Erinnerung“ am Campus der Universität Wien nach Elise Richter und ihrer Schwester Helene Richter benannt (Richter-Tor, Durchgang Hof 9–Garnisongasse 13). 1999 wurde ein Förderpreis für herausragende romanistische Habilitationen und Dissertationen des Deutschen Romanistenverbandes nach ihr benannt, 2003 ein Hörsaal der Universität Wien (der ehemalige Sitzungssaal der Juristischen Fakultät im Hauptgebäude der Universität am Ring), 2006 ein Frauenförderungsprogramm des österreichischen Wissenschaftsfonds (Elise-Richter-Programm des FWF) und 2008 ein Weg in Wien-Floridsdorf (21. Bezirk) benannt.

2016 wurde ein Denkmal für Elise Richter im Arkadenhof der Universität Wien enthüllt (Künstlerin: Catrin Bolt).

Neuere Forschungen beleuchten verstärkt kritisch Elise Richters Sympathien für den austrofaschistischen Ständestaat und ihre Ablehnung der Sozialdemokratie.

Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat GZ 6 ex 1980/81; Philosophische Fakultät GZ 5/20 ex 1980/81 (Ehrentafel der Fakultät).

Katharina Kniefacz, Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 27.02.2024 - 22:15

  • Elise Richter (1865–1943), Romanistik

    BestandgeberIn: Archiv der Universität Wien, Bildarchiv UrheberIn: Fotostudio Helmreich, Wien I. (Originalfoto von Foto Fayer, Wien) Signatur: 106.I.194

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