Fritz Schachermeyr, o. Univ.-Prof. Dr. phil.

10.1.1895 – 26.12.1987
geb. in Urfahr bei Linz, Österreich gest. in Eisenstadt, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. phil. h.c. 1984/85 Geisteswissenschaftliche Fakultät

Die Ehrung wird 2022 aufgrund von Fritz Schachermeyers Involvierung in den Nationalsozialismus als „problematisch“ eingestuft, denn er gilt als „einer der profiliertesten Nationalsozialisten unter den Historikern“ (Pesditschek 2007, 41). Nach eigenen Angaben 1933 Mitbegründer des „Nationalsozialistischen Kampfringes der Deutschösterreicher im Reich“ unterstützte er die NS‐Bewegung durch Vorträge und Publikationen – seit 1937 als NSDAP‐Mitglied – und ging bei der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts weiter als die meisten seiner Kollegen, erklärte u. a. historische Größe sei grundsätzlich mit der Zugehörigkeit zur „nordischen Rasse“ verbunden, erklärte umgekehrt Gestalten wie Peisistratos oder Hannibal zu „Ariern“ und betrieb „antike Rassengeschichte“ in Kooperation mit dem SS‐„Ahnenerbe“ sowie mit der konkurrierenden „Dienststelle Rosenberg“.

Fritz Schachermeyr wurde als jüngstes von vier Kindern des Kaufmannes Johann Schachermeyr (1838–1900) und von dessen Frau Marie, geb. Höfinger (1861–1941), geboren. Er war Onkel des Historikers Heinrich Fichtenau (1912–2000).

1901–1905 besuchte er die Volksschule und 1905–1914 das humanistische Gymnasium in Linz, wo er die Matura im Sommer 1914 ablegte. Im Herbst darauf begann er in Graz Studien bei Adolf Bauer, bereits im Sommersemester 1915 wechselte er nach Berlin u. a. zu Eduard Meyer und Carl F. Lehmann-Haupt. Im darauffolgenden Wintersemester setzte er das Studium in Wien bei Adolf Wilhelm fort. Im November 1915 ereilte ihn die Einberufung zu Militärdienst und Grundausbildung. Ab 1916 versah er seinen Dienst im Heereskommando in Trient, darauf erfolgte seine Überstellung an den Isonzo nach Nabresina. Ab Frühjahr 1917 diente er in Siebenbürgen und dann in der Bukowina, im November 1917 ging er in militärischer Verwendung in den Orient (Konstantinopel / Istanbul, Mos(s)ul). Nach seiner Entlassung aus der Armee in Linz im April 1919 setzte er sein Studium in Innsbruck bei Carl F. Lehmann-Haupt fort und promovierte am 3. Juli 1920 aufgrund einer Arbeit über Ägypten der XVIII. und XIX. Dynastie in seinen Beziehungen zu Ägäis und Vorderasien. Ebenda trat er danach die Stelle eines Bibliothekars am Althistorischen Seminar der Universität an, legte am 12. Februar 1921 das Staatsexamen aus Geschichte und Geographie ab und absolvierte 1921 seine Probezeit als Mittelschullehrer. 1922–1931 wirkte er als festangestellter Lehrer am Mädchenrealgymnasium in Innsbruck. 1928 erfolgte seine Habilitation an der Universität Innsbruck aufgrund von „Etruskische Frühgeschichte“, einer z. T. ebenfalls altorientalistischen Arbeit, die 1929 im Druck erschien.

1928 ging er mit Gisela Böhm, geb. von Barisani (1883–1972) eine Ehe ein, 1978 dann als Witwer mit Hildegard Schmidt, geb. Ebner (geb. 1915).

Mit 1. April 1931 erfolgte seine Berufung als Extraordinarius für Alte Geschichte nach Jena und bereits im September 1931 seine Bestellung zum persönlichen Ordinarius (ohne eine entsprechende Gehaltserhöhung). 1933 scheiterten seine Bemühungen um eine Rückkehr nach Innsbruck als Nachfolger Carl F. Lehmann-Haupts endgültig, und es kam zum Bruch mit diesem seinem Lehrer jüdischer Herkunft. 1933–1934 wirkte Schachermeyr als Gauführer von Thüringen des NS Kampfringes der Deutschösterreicher im Reich, 1934–1936 als Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Jena. Mit 1. April 1936 wechselte er als etatmäßiger Ordinarius nach Heidelberg, wo er nunmehr auch mit dem Gehalt eines solchen bis Ende des Jahres 1940 wirkte. Hier erfolgte 1937 sein Beitritt in die NSDAP. Anfang 1941 ging er als Ordinarius nach Graz, wo mit 10. Oktober 1945 seine Entlassung wegen NS-Betätigung und mit 19. Februar 1946 seine Pensionierung erfolgte. Sowohl in Heidelberg als auch in Graz profitierte Schachermeyr von einer durch die Rassengesetze bedingten Amtsenthebung seines jeweiligen Vorgängers. Während der NS-Zeit beschäftigte sich Schachermeyr etwa zehn Jahre lang, also bis 1945, in seinen Publikationen sowie in der Lehre weitestgehend nur mehr mit „Rassenfragen“.

Nachkriegskarriere

Trotz seiner Belastung erfolgte 1952 seine Berufung als ordentlicher Professor für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik nach Wien. Der Dreier-Vorschlag enthielt mit Schachermeyr, Franz Miltner und Hermann Bengtson ausnahmslos vormalige Mitglieder der NSDAP und deshalb außer Dienst gestellte ehemalige Professoren. Eben diese drei Namen waren seinerzeit von Parteigrößen im Nationalsozialistischen Dozentenbund um Gustav Borger (1899–1989) überhaupt als die einzigen „echten“ Nationalsozialisten unter den Althistorikern bezeichnet worden. (Die nächstliegende Strategie, den 1938 aus Graz ins Exil vertriebenen Franz Schehl primo et unico loco zu platzieren und diesem auf solche Weise eine Heimkehr nach Österreich zu ermöglichen, scheint im damaligen Österreich undenkbar gewesen zu sein.) Maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Berufung Schachermeyrs hatte offenbar ein von dessen Freund Hans Ludwig Gottschalk zitiertes überaus positives Gutachten über den Menschen Schachermeyr aus der Feder des NS-Opfers Friedrich Wilhelm König.

1954–1958 nahm Schachermeyr an der Deutschen Thessalien-Grabung teil; 1966 erfolgte seine Emeritierung, jedoch die gleichzeitige Betrauung mit der Vertretung des eigenen Lehrstuhls. 1970 schied er endgültig aus dem Universitätsbetrieb aus. 1971 wurde die Mykenische Kommission an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf seinen Antrag hin eingerichtet. 1973–1977 nahm er an den österreichischen Ausgrabungen in Aigeira teil. 1979 ereilte ihn eine lebensbedrohliche Erkrankung (Herzversagen), die die Einsetzung eines Herzschrittmachers zur Folge hatte; von da an musste er seine Reisetätigkeit stark einschränken, konnte aber seine Publikationstätigkeit unvermindert fortsetzen. Nach seinem Tod am 26. Dezember 1987 in Eisenstadt erfolgte seine Beisetzung in Linz, Barbarafriedhof.

Schachermeyr war einer der vielseitigsten Altertumsforscher unter den nominellen Althistorikern und äußerte sich nicht nur zur altgriechischen Geschichte, sondern auch über Themen aus den Bereichen der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie, Altorientalistik und Etruskologie. Daneben publizierte er mit wissenschaftlichem Anspruch auch über Fragen der Sprach- und Religionsgeschichte, der Rassenkunde und der Geschichtsphilosophie. Ab 1933 war er von allen Althistorikern der eifrigste Verfechter der biologistischen Variante der nationalsozialistischen Rassenlehre und entwickelte in Jena, wo er bereits seit Frühjahr 1931 nationalsozialistische Werbearbeit unter den Studenten betrieben hatte, auch eine einschlägige Geschichtsphilosophie. Diese propagierte er oberflächlich modifiziert auch noch nach 1945, aber weniger denn je mit der angestrebten Breitenwirkung eines Oswald Spengler.

Schachermeyr hat mit mehreren seiner Werke großen Einfluss ausgeübt. Hier sind zunächst seine ersten beiden Monographien, die Habilitationsschrift „Etruskische Frühgeschichte“ und „Hethiter und Achäer“, sowie die beiden ersten seiner nach 1945 erschienenen Bücher, „Alexander der Große“ und „Poseidon“, zu nennen. Als wirkmächtiges Referenzwerk erwies sich sein umfänglicher Beitrag zu Paulys Realencyclopädie (RE) über „Prähistorische Kulturen Griechenlands“ aus dem Jahr 1954. Überraschend oft findet man sein von der Kritik so zerzaustes, die griechische Frühzeit und Hethitologie behandelndes Spätwerk zitiert. Von Anfang an trat er für den von Michael Ventris und John Chadwick 1952 vorgelegten, heute allgemein akzeptierten Entzifferungsversuch für die Linear-B-Schrift ein.

Ehrungen

1923 Gründungsmitglied der Altorientalischen Gesellschaft auf Hiddensee; 1937 korr. Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin; 1938 Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938; 1940 o. Mitglied, 1941 korr. Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, diese Mitgliedschaft 1945 stillschweigend gelöscht; 1952 o. Mitglied der Wiener Katholischen Akademie; 1954 korr. Mitglied, 1957 w. Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; 1959 o. Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts; 1961 Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät der Universität Athen; 1963 Wilhelm-Hartel-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; 1966 korr. Mitglied der Jugoslawischen Akademie der Wissenschaften in Zagreb und Johannes-Kepler-Preis für Wissenschaft des Landes Oberösterreich; 1967 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse; 1969 Ehrenmitglied der Griechischen Archäologischen Gesellschaft (Αρχαιολογική Εταιρεία); 1970 Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold; 1972 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst; 1975 Universitätspreis der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft und Hugo-Wolf-Medaille der Internationalen Hugo-Wolf-Gesellschaft; 1984 Ehrendoktorat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien; 1985 Großes Goldenes Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, Großkommandeur des Phönixordens der Hellenischen Republik, Ehrendiplom als Gründungsmitglied der Österreichisch-Griechischen Liga und Hugo-Wolf-Medaille in Gold von der Hugo-Wolf-Gesellschaft.

1983 folgte Schachermeyr der Einladung des französischen Philosophen und Publizisten Alain de Benoist, dem Comité de patronage seiner Zeitschrift Nouvelle École beizutreten, obwohl oder weil Benoist jedenfalls damals allgemein als ein Exponent der extremen Rechten angesehen wurde.

 

Werke (Auswahl)

Etruskische Frühgeschichte, Berlin/Leipzig 1929.

Hethiter und Achäer (Mitteilungen der Altorientalischen Gesellschaft 9, Heft 1–2), Leipzig 1935; Neudruck Osnabrück 1972.

Lebensgesetzlichkeit in der Geschichte. Versuch einer Einführung in das geschichtsbiologische Denken, Frankfurt am Main 1940.

Indogermanen und Orient. Ihre kulturelle und machtpolitische Auseinandersetzung im Altertum, Stuttgart 1944.

Alexander der Große. Ingenium und Macht, Graz/Salzburg/Wien 1949, stark erw. Neuauflage Wien 1973.

Poseidon und die Entstehung des griechischen Götterglaubens, Bern 1950 (= Lizenzausgabe für Österreich Salzburg 1950 = Lizenzausgabe München 1950).

Prähistorische Kulturen Griechenlands, RE 22, 2, 1954, 1350–1548; vgl. Die ältesten Kulturen Griechenlands, Stuttgart 1955.

Griechische Geschichte. Mit besonderer Berücksichtigung der geistesgeschichtlichen und kulturmorphologischen Zusammenhänge, Stuttgart 1960, 21969, Taschenbuchausgabe: Griechische Geschichte. Entwicklung und Zusammenbruch, München 1978.

Die ägäische Frühzeit. Forschungsbericht über die Ausgrabungen im letzten Jahrzehnt und über ihre Ergebnisse für unser Geschichtsbild, 5 Bände, Wien 1976–1982.

Die Tragik der Voll-Endung. Stirb und Werde in der Vergangenheit. Europa im Würgegriff der Gegenwart, Wien/Berlin 1981.

Die griechische Rückerinnerung im Lichte neuer Forschungen, Wien 1983.

Griechische Frühgeschichte. Ein Versuch, frühe Geschichte wenigstens in Umrissen verständlich zu machen, Wien 1984.

Mykene und das Hethiterreich, Wien 1986.

 

Martina Pesditschek

Zuletzt aktualisiert am 20.11.2023 - 10:41

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