Gerson Wolf, Dr.

16.7.1823 – 29.10.1892
geb. in Holleschau, Mähren | Holešov, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Gerson Wolf hatte sich bereits während seiner Gymnasialzeit mit Talmudstudien befasst. Er war 1839 nach Wien gekommen, um hier an der Universität Pädagogik, Philosophie und moderne Sprachen zu studieren. Die Universität hatte er als Ort erlebt, an dem Schüler aus reichen Häusern bevorzugt behandelt wurden und von historischer Forschung im engeren Sinne kaum gesprochen werden konnte. Nach seinem Studium betätigte er sich als Schriftsteller u.a. 1848 für die Zeitschriften „Wiener Zuschauer“, „Humorist“, „Sonntagsblatt“, „Oesterreichische Zeitung“. Nach der Veröffentlichung seines ersten Werkes „Die Democratie und der Sozialismus“ 1849 wurde er des Landes verwiesen und widmete sich nach der Rücknahme des Ausweisungsbefehls seit 1950 vor allem seinem Beruf als Religionslehrer, ab 1854 auch im offiziellen Auftrag der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde, über die er 1861 auch eine historische Darstellung veröffentlichte. Neben zahlreichen weiteren Werken zur Geschichte der Juden in Österreich hatte er 1851 auch eine vielbeachtete Schrift „Ueber die Volksschule in Oesterreich“ veröffentlicht. 

Zum 500. Universitätsjubiläum veröffentlichte Gerson Wolf seine „Studien zur Jubelfeier der Wiener Universität im Jahre 1865“. Als "ehemaliger Schüler der Wiener Universität, [hielt er es] für meine Pflicht, mein Scherflein nach besten Kräften zur Jubelfeier derselben beizutragen." Er bemühte sich darin, den Jubiläumsfeierlichkeiten ein gutes Gelingen zu wünschen, ließ jedoch schon Kritik anklingen:

„Bedürfe es eines Beweises, wie sehr unsere Zeit das Alter ehrt, so ginge er daraus hervor, dass in keiner Zeit, wie in der unserigen, so viele Jubiläen gefeiert wurden. Und wenn auch da und dort vielleicht Missbrauch getrieben wird, und Personen und Institutionen geehrt und gefeiert werden, die es nicht verdienen, so zeigt doch jedenfalls diese Erscheinung, dass unsere Zeit sich nicht über Alles und Jedes hinwegsetzt, und dass sie das Alter und die alten Institutionen ehrt. […] Der Gedanke, die fünfhundertjährige Jubelfeier der Wiener Universität zu begehen, dürfte gewiss von keiner Seite auf eine Opposition stossen; […] Wir hoffen daher, dass diese Feier getragen vom Hauche der Poesie, hervorgegangen aus dem Cultus der Wissenschaft, in der würdigsten Weise vor sich gehen werde. Die Misstöne, die sich in letzter Zeit aus den verschiedenen Lagern vernehmen liessen, machen uns in dieser Hoffnung nicht irre, dass sie, wie es einer Wiener Universität und den Kräften, die an derselben wirken, zukommt, wird begangen werden.“ (Wolf, S. 1f)

In seinen "Studien zur Jubelfeier" behandelte er Aspekte der Wiener Universitätsgeschichte, die sonst in der Geschichtsschreibung kaum zur Sprache kamen: Er stellte zunächst die Datierung der Gründung auf das Jahr 1365 in Frage und wies auf Quellen hin, die auf eine erste, und damit eigentliche Gründung bereits 1237 hindeuten würden. Diese Vordatierung beruhte auf der - heute eindeutig widerlegten - irrtümlichen Deutung einer Passage aus der Urkunde von Kaiser Friedrich II. für die Stadt Wien (1237), in der es jedoch um die städtische Lateinschule, nicht um die Universität ging. Besonders ging Gerson Wolf aber anschließend auf das Verhältnis der Juden zur Universität seit der Gründung ein und übte Kritik am katholischen Charakter der Universität (u.a. Zulassung protestantischer und jüdischer Studierender, Errichtung eines jüdisch-theologischen Seminars im Anschluss an die philosophische Fakultät). Auch auf die finanzielle Situation der Universität bis dato sowie Studienfonds, insbesondere jüdische Fonds ging er ein.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 28.03.2024 - 21:20