Ludwig Adamovich sen., Univ.-Prof. Dr.

30.4.1890 – 23.9.1955
geb. in Esseg | Osijek, Kroatien gest. in Wien, Österreich

vor dem "Anschluss" 1938 kurzzeitig Justizminister, 1946-55 Präsident des Verfassungsgerichtshofs

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrenzeichen Ehrenz. 1950/51 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1935/36
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1945
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1945/46
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1946/47

Adamovich, Sohn eines Offiziers, inskribierte nach dem Besuch des Jesuitengymnasiums Kalksburg 1908 Jus an der Universität Wien, wo er im Februar 1913 auch promovierte. Nachdem er mit 1. Oktober 1913 als Einjährig-Freiwilliger in das schwere Artillerie-Regiment Nr. 1 eingetreten war, nahm er von 1914 bis 1918 – zuletzt als Oberleutnant in der Reserve – in Serbien und Italien am Ersten Weltkrieg teil. Noch während des Krieges begann er seine Tätigkeit als Konzeptspraktikant bei der Niederösterreichischen Statthalterei und arbeitete zudem bei der Bezirkshauptmannschaft in Gmünd, später im Präsidialbüro der Niederösterreichischen Landesregierung. Im Dezember 1920 folgte die Berufung in das Bundeskanzleramt, wo Adamovich in der Verfassungsabteilung tätig war, um sich 1924 an der Universität Wien für allgemeine Staatslehre und Österreichisches Staatsrecht zu habilitieren. Im Zuge der Ernennung zum Extraordinarius für Staatsrecht und Verwaltungsrecht an der Deutschen Universität Prag (1927) legte er seine Funktion im Bundeskanzleramt nieder. Bereits im Jahr darauf kehrte er – als Ordinarius an der Universität Graz – nach Österreich zurück. In Graz war Adamovich im Studienjahr 1932/33 auch Dekan der juridischen Fakultät.

Im Februar 1930 trat er als Mitglied und ständiger Referent in den Verfassungsgerichtshof ein. Drei Jahre später, mit der Etablierung des austrofaschistischen Regimes, wurde ihm eine Berufung in das Justizministerium zuteil, die Adamovich allerdings ablehnte. Symptomatisch für die Rolle Adamovichs im Ständestaat ist auch der Umstand, dass er nach der Zwangspensionierung Max Layers – nachdem dieser Protest gegen die Auflösung des Verfassungsgerichtshofes eingelegt hatte – die Lehrkanzel für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien übernahm. Das Professorenkollegium der juridischen Fakultät hatte Adamovich ursprünglich secundo loco hinter Max Kulisch (Universität Innsbruck) und Hans Gerber (Universität Tübingen) vorgeschlagen. Nachdem das Plenum aufgrund der politischen Lage von der Nennung „reichsdeutscher“ Professoren absah, und Kulisch „im Interesse des ungestörten Unterrichtsbetriebes“ an der juridischen Fakultät ausschlug, fiel die Wahl auf Adamovich. Per 1. Oktober 1934 kehrte er als Ordinarius an die Universität Wien zurück, wo er 1935/36 auch als Dekan der juridischen Fakultät fungierte. Die Rückkehr ging überdies mit Mitgliedschaften im Staatsrat (ab 1. November 1934) wie auch des Bundestages (ab 27. November 1934) einher. Darüber hinaus war er Mitglied des Innenpolitischen Ausschusses und des Rechtsausschusses. Kurz vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, am 16. Februar 1938, folgte zudem die Berufung als Justizminister in das Kabinett Schuschnigg IV, womit seine Funktionen als Mitglied des Staatsrates und Bundesrates ruhten.

Aufgrund seiner exponierten Stellung im Austrofaschismus galt er im NS-Regime in seiner Funktion als Hochschullehrer als nicht tragbar, wiewohl ihm die neuen Machthaber – und das unterscheidet Adamovich von nahezu allen aus „politischen“ Gründen Vertriebenen zumindest formell – mit einem hohen Maß an Respekt begegneten: So erhielt er Ende April 1938 etwa keinen Bescheid über seine Beurlaubung – Dekan Schönbauer sollte Adamovich verständigen, dass er „unverzüglich um seine Beurlaubung anzusuchen habe“ und „feststellen, ob derselbe dieser Aufforderung nachzukommen gedenke“. Im Übrigen war es auch nicht die Fakultät, sondern die Reichsstatthalterei gewesen, die die Beurlaubung beantragt hatte. Das Regime betrachtete ihn trotz seiner Funktionen im Ständestaat und seiner „streng kirchliche[n]“ Einstellung als Gelehrten mit ‚hochaufrichtiger Haltung‘, hatte er doch auch gegen den Verfassungsbruch Dollfußʼ protestiert.“ Nichtsdestotrotz wurde er Ende August 1938 nach § 6 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt. Die Fakultät fasste im Jahr darauf gleichwohl den einstimmigen Beschluss, Adamovich „wie einen Privatdozenten zu Vorlesungen und Uebungen aus Verwaltungsrecht (nicht aus Staatsrecht) zuzulassen“ bzw. im Jänner 1939 eine dementsprechende Eingabe an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten zu richten. Nach Rücksprache mit der Dienststelle des Gauleiters Josef Bürckel und bei „Dozent Reisch“ im Amt des Personalkommissars sah das Dekanat aber davon ab. Unterdessen wurden dem Dekan eine Pensionserhöhung sowie eine „andere[n] Tätigkeit für Adamovich in Aussicht gestellt“. Die Pensionserhöhung lehnte die Reichsfinanzverwaltung allerdings ab. Keine Einwände erhob die Gauleitung allerdings dagegen, Adamovich die – im Endeffekt nicht angenommene – Leitung der Geschäftsstelle für die Marktschiedsgerichte (Obmann war Dekan Schönbauer), der Beschwerdeausschüsse und der Schiedsgerichte für Lieferstreitigkeiten zu übertragen.

Eine Wiederbeschäftigung an der Universität Wien – allerdings nur im administrativen Bereich – kam 1940 zustande: Der Fakultätsausschuss beantragte im Juni 1940, Adamovich „für die Mithilfe bei der Einrichtung und Führung“ der Institute für Statistik und für Bauern-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht – deren Leitung bzw. kommissarische Leitung Schönbauer innehatte – heranzuziehen und ihm dafür – auch im Hinblick auf die gekürzte Pension – „aus den verfallenen Rigorosentaxen eine Ehrenremuneration […] zu gewähren“. Im Antrag an das Reichserziehungsministerium (REM) betonte Schönbauer, dass sich Adamovich während seines Dekanats gegen eine Untersuchung wegen seines Nicht-Beitritts zur „Vaterländischen Front“ (VF) ausgesprochen und ihn trotz seiner Gesinnung „immer in Schutz“ genommen habe – „zuletzt im März 1937, als ich Prof. Graf Gleispach in einer Kundgebung in der Universität meine Grüsse entbot und ihm mitteilen liess, dass die Hochschule noch immer deutsch gesinnt sei. Damals hatte das Ministerium einen Bericht von dem Dekan Kadecka verlangt. Adamovich habe sofort interveniert und erwirkt, dass als einzige Massnahme ein Verbot der Hörsaalbenützung für die von mir geleitete ‚Gesellschaft für Rechts- und Staatswissenschaften' herausgegeben wurde“. Weiters verwies Schönbauer auf eine Rede Josef Bürckels, in der dieser ausgeführt habe, „dass jeder willkommen sei, der guten Willens mitarbeiten wolle und dass er unter dieser Voraussetzung keinem einen Vorwurf wegen einer anderen Gesinnung machen werde“. Adamovich sei neben ihm, Schönbauer, gestanden, und habe unter Tränen erklärt, „er [im Original unterstrichen, Anm.] wolle wirklichen guten Willens sein“. Dass Adamovich die Möglichkeit gehabt hatte, „selbst um Beurlaubung anzusuchen“, den „im sudetendt. Kampf der Heinlein-Bewegung wichtigsten Gesetzesantrag über Volksgruppen entworfen“ hatte und sich für den seinerzeit verhafteten und nunmehrigen Geschäftsführer des NS-Rechtswahrerbundes, Robert Kauer, eingesetzt habe, wertete Schönbauer als weitere Belege für Adamovichs NS-konforme Haltung. Obwohl der NSD-Dozentenbund bzw. Arthur Marchet dennoch Bedenken gegen die Bestellung als interne Hilfskraft unter Verantwortung Schönbauers anmeldete, erfolgte mit Erlass vom 9. Oktober 1940 seine Einstellung. Mit Studierenden, so das Dekanat, trat Adamovich in dieser Funktion aber nicht in Berührung, wiewohl er etwa im Rahmen eines Jugendrechtsseminars in Zusammenarbeit mit der HJ „bei der Auswahl der Bücher [und] dem Verkehre mit dem Buchhändler“ eingesprungen sei. Von wissenschaftlicher Tätigkeit de facto ausgeschlossen stand er übrigens 1942 dem Leitenden Senatspräsidenten des Reichsverwaltungsgerichtes („Aussensenate Wien“), Egbert Mannlicher, „für den kürzlich erschienenen 'Wegweiser durch die Verwaltung'„ zur Seite. Von der Gauleitung habe hier kein Einwand bestanden. Die Tätigkeit als Hilfskraft dürfte Adamovich indes bis Kriegsende fortgesetzt haben.

Die Schädigung der Karriere Adamovichs im Nationalsozialismus, sein hohes wissenschaftliches Ansehen wie auch die Nicht-Aufarbeitung des Austrofaschismus in Nachkriegsösterreich prädestinierten ihn nach Kriegsende für das Amt des Rektors der Universität Wien. Ende April einstimmig gewählt, hatte er das Amt nach seiner Wiederwahl bis zum Ende des Studienjahres 1946/47 inne. Im Mai 1945 wurde er auch von Karl Renner als verfassungsrechtlicher Berater in die Staatskanzlei berufen, später wurde er zum Vizepräsidenten, am 19. Juni 1946 zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes ernannt (bis 1955) Von 1946 bis 1955 war er zudem Präsident des Verfassungsgerichtshofes und wesentlich an der Gestaltung der österreichischen Bundesverfassung beteiligt. Daneben fungierte er seit 1946 als Ehrenpräsident des Geschädigten-Komitees, als Vorsitzender der Kommission zur Vereinheitlichung und Vereinfachung der österreichischen Rechtsordnung, als Delegierter Österreichs im Internationalen Institut für Verwaltungswissenschaften in Brüssel und als wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. Außerdem war Adamovich Mitherausgeber der Zeitschrift für öffentliches Recht, der Österreichischen Juristenzeitung, der Zeitschrift Wissenschaft und Weltbild und der Buchreihe Rechts- und Staatswissenschaften. Darüber hinaus war er Gründer und langjähriger Hauptschriftleiter des der Wiener Zeitung angeschlossenen Österreichischen Verwaltungsblattes.

Zu seinen bedeutendsten Werken zählen „Grundriß des österreichischen Verfassungsrechtes“ (1947), „Grundriß des österreichischen Verwaltungsrechtes“ (1948), „Die österreichischen Landesverfassungsgesetze“ (1950), „Die österreichischen Bundesverfassungsgesetze“ (1953) und das „Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes“ (1953).

Am 28. Juni 1951 erhielt er das Ehrenzeichen der Universität Wien verliehen.

Problematik

Ludwig Adamovich erhielt 1933, mit der Etablierung des austrofaschistischen Regimes, eine Berufung in das Justizministerium, die er allerdings ablehnte. Nach der Zwangspensionierung Max Layers – nachdem dieser Protest gegen die Auflösung des Verfassungsgerichtshofes eingelegt hatte – erhielt er 1934 dessen Lehrkanzel für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, fungierte 1935/36 auch als Dekan der juridischen Fakultät. Nach der Ausschaltung des Parlaments wurde in der austrofaschistischen Verfassung aus „Österreich ist eine demokratische Republik. Das Recht geht vom Volk aus“ in der neuen Verfassung: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung“. In diesem Bundesstaat war er Mitglied im Staatsrat und im Bundestag, des Innenpolitischen Ausschusses und des Rechtsausschusses, zuletzt auch kurz noch Justizminister des austrofaschistischen Regimes.

Über die Einordnung, ob diese Ehrung angesichts der Biografie allenfalls als „diskussionswürdig“ zu erachten wäre, bestand 2022/23 kein Konsens mit der verleihenden Fakultät und konnte vorerst mangels ausstehender primärquellenbasierter Forschungen noch keine endgültige Entscheidung getroffen werden. Die Klärung bleibt ein Forschungsdesiderat.

Archiv der Universität Wien, Rektorat GZ 283 ex 1950/51, GZ 677 ex 1937/38, IUR PA 3, R 34.4: Ehrenbuch 1921-1959
Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA)/Archiv der Republik (AdR)/Bundeskanzleramt/Berufsbeamtenverordnung (BBV), OeStA/AdR/Unterricht/Personalakt Adamovich, OeStA/AVA/Unterricht/Personalakt Adamovich

Andreas Huber

Zuletzt aktualisiert am 27.02.2024 - 21:43

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