Theodor Billroth, Prof. Dr.

26.4.1829 – 6.2.1894
geb. in Bergen auf Rügen, Deutschland gest. in Abbazia, Istrien | Opatija, Kroatien

Pionier der modernen Bauchchirurgie und der Kehlkopfchirurgie, Mitbegründer der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft, Musik‐ und Kunstliebhaber

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1897 Medizinische Fakultät
Denkmal Denkmal am Campus Hof 1 (ehem. AKH) 1944/1950 Medizinische Fakultät
Ehrentafel-Fakultät 1950 Medizinische Fakultät

Rektor Richard Meister regte im Oktober 1949 an, wieder Namen von berühmten Mitgliedern des Lehrkörpers in die Ehrentafeln der Fakultäten im Hauptgebäude der Universität Wien einzutragen. Zu diesem Zweck ersuchte er die Dekane, diese Frage in einer Fakultätssitzung zu besprechen und dem Senat Vorschläge zu unterbreiten.
Der Dekan der Medizinischen Fakultät Ernst Lauda schlug entsprechend eines Beschlusses des Professorenkollegiums vom 26. Oktober 1949 vor, Theodor Billroth und Hermann Nothnagel für die Eintragung auf der Ehrentafel vorzuschlagen. Am 25. Jänner 1950 beschloss das Professorenkollegium zudem, auch Ferdinand Hebra zu nominieren.
Die Vorschläge der Dekanate wurden in der Sitzung des Akademischen Senats vom 4. März 1950 vorgelegt und einstimmig angenommen. Am 25. März 1950 wurde der Auftrag zur Eingravierung und Vergoldung von 21 Namen auf die vier Ehrentafeln der Fakultäten erteilt und im Mai 1950 umgesetzt.

Die Ehrungen werden 2022/23 als „problematisch“ eingestuft, da Theodor Billroth ein prominenter Förderer des Antisemitismus war. In seiner kulturhistorischen Studie „Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation“ kritisierte Billroth 1875/76 die reformresistente österreichische Regierung, die den starken Zustrom „ostjüdischer“ Medizinstudenten zuließ. Er forderte für das Medizinstudium einen Numerus clausus, der „jüdische“ Studenten generell diskriminierte. Juden als „scharf ausgeprägte Nation“ gehörten für ihn nicht zur deutschen Kultur- und Sprachnation. Die Ausgrenzung rechtfertigte Billroth biologistisch mit der unüberwindbaren „Kluft zwischen rein deutschem und rein jüdischem Blut“. Billroth bezog damit die Argumentation des modernen, rassisch fundierten Antisemitismus mit ein, der für eine strikte Trennung der „Rassen“ eintrat. Als Mediziner verlieh Billroth durch biopolitische Argumentation dem modernen Antisemitismus den Anschein wissenschaftlicher Seriosität. Billroth mobilisierte damit „deutsche“ Medizinstudenten gegen die sich heranbildende Konkurrenz der „jüdischen“ Mitstudenten

Theodor Billroth, als Sohn einer Pastorenfamilie auf Rügen geboren, studierte Medizin an den Universitäten Greifswald, Göttingen und zuletzt Berlin, wo er 1852 auch promovierte und kurz darauf für ein Jahr nach Wien kam um hier Kurse an der Universität zu besuchen. 1853 bis 1860 war er an der Charité in Berlin tätig und habilitierte sich 1856 für Chirurgie und pathologische Anatomie. 1860 wurde er als Professor für Chirurgie nach Zürich/Schweiz berufen, wo er breit medizinisch lehrte und forschte und sich auch für die Erneuerung des Studienbetriebs engagierte. Er schrieb seine bekannten pathologisch-anatomischen Arbeiten, schuf die Grundlagen für die „wissenschaftliche Chirurgie“, führte die statistische Methodik zur Überprüfung neuer Operationsmethoden und ihrer Spätfolgen ein und untersuchte die Ursachen fieberhafter Erkrankungen nach Operationen. Er publizierte umfassend aus der Spitalspraxis – Erfolge wie auch Misserfolge – und regte neue Operations- und Behandlungstechniken an bzw. entwickelte sie selbst mit seinen Assistenten.

Billroth als Mediziner in Wien

1867 wurde er als Ordinarius an die II. Chirurgische Universitäts-Klinik der Universität Wien berufen und war ein renommierter Vertreter der „Wiener Medizinischen Schule“. Ihm gelangen einige Meilensteine der Chirurgie, darunter 1871 die erste erfolgreiche Entfernung der Speiseröhre (Ösophagektomie) und 1873 die erste erfolgreiche Entfernung des Kehlkopfs (Laryngektomie) und 1881, nach vielen Fehlversuchen, eine der ersten erfolgreichen Entfernungen eines erkrankten Magens („Billroth I“). 1885 entwickelte er mit Assistenten eine bis heute nach ihm benannte weitere Methode dafür („Billroth II“). Bereits 1874 machte er erste Untersuchungen zu „Coccobacteria Septica“ und die Wirkung des Pilzes Penicillium zur Wundbehandlung, setzte seine Forschungen aber nicht fort (1890 schrieb Robert Koch an Billroth, dass er ihn damit stimuliert habe, an diesem Thema weiter zu forschen). Billroth, dessen operative Erfolge nicht zuletzt durch die Einführung der Antisepsis ermöglicht worden waren, war ein Förderer des Krankenhaus- und Krankenpflegewesens. Die Bedeutung der Krankenhaushygiene („Reinlichkeit bis zur Ausschweifung“) ebenso wie auch die postoperative Wundbehandlung trugen viel zur Nachhaltigkeit seiner medizinischen Erfolge bei. Aber auch die Verbesserung des Krankentransportwesens (er engagierte sich für die Schaffung der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft nach dem Ringtheater-Brand 1881) und einer professionellen Krankenpflege, die bis dahin ausschließlich konfessionell betrieben wurde (er gründete 1882 eine eigene Krankenpfle-gerinnenausbildungsanstalt am „Rudolfinerhaus“), trugen zu seinen Erfolgen bei. 1893 konnte auf seine Initiative hin der Bau eines eigenen Hauses der Gesellschaft der Ärzte in Wien verwirklicht werden („Billrothhaus“).

Billroth und der Antisemitismus

Billroth kam ein Jahr nach der Niederlage der Habsburger in Königgrätz nach Wien. Er engagierte sich 1870/71 als „Kriegschirurg“ im Deutsch-Französischen Krieg in den Lazaretten und beklagte sich, zurück in Wien: „Wir Deutschen sind hier ja nur geduldet, der Staat wird ja immer slavischer und ungarischer“. Er sah sich in Wien, dem Zentrum einer Vielvölkermonarchie, als deutscher Minderheitenrepräsentant. Mit der Publikation seines Buches „Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der Deutschen Nation“ 1875 mit seitenlangen antisemitischen Polemiken gegen jüdische Studierende aus Galizien und Ungarn wurde er zum Apologeten des neuen Rassenantisemitismus:

„Dass bedeutende Menschen aller Zeiten und aller Nationen sich in den großen allgemeinen menschlichen Fragen stets sympathisch begegnen werden, ist klar, doch eben so klar ist mir auch, dass ich innerlich trotz aller Reflexion und individueller Sympathie die Kluft zwischen rein deutschem und rein jüdischem Blut heute noch so tief empfinde, wie von einem Teutonen die Kluft zwischen ihm und einem Phönizier empfunden sein mag“. (Billroth, Über das Lehren, 154)

Schon zuvor bestritt er, dass Juden je „deutsch-national“ werden könnten – es fehlten ihnen seiner Überzeugung nach die „deutschen Empfindungen und das spezifische Verhältnis zur mittelalterlichen Romantik und zur Antike“. (Billroth, Über das Lehren, 154)

Seine antisemitischen Äußerungen, gefeiert von Deutschnationalen und Anlass für öffentliche Gegendebatten, führten zu Demonstrationen gegen jüdische Studierende und zu den ersten antisemitischen Gewaltexzessen an der Universität Wien. Ende 1878 verankerte die erste akademische Burschenschaft (Libertas, Wien), in ihren Statuten einen „Arierparagraphen“ und schloss mit Billroths Argument, dass Juden nicht als Deutsche angesehen werden können, jüdische Mitglieder aus. Viele Burschenschaften folgten dem Beispiel.

Denkmal am Uni-Campus

Im Nationalsozialismus wurde Billroth zum 50. Todestag 1944 als überlegenes „Genie deutschen Geistes“ gefeiert und mit einem überlebensgroßen Denkmal geehrt, unübersehbar beim Haupteingang in das damalige Allgemeine Krankenhaus (AKH), Sitz der Universitätskliniken und heute Campus der Universität Wien.

Der Bildhauer Michael Drobil (1877–1958), NSDAP-Mitglied, stellte ihn zeittypisch als „schaffenden deutschen Mann“ dar, als Operateur mit aufgekrempelten Ärmeln. Kriegsbedingt war 1944 kein Marmor mehr erhältlich, daher wurde das Denkmal nur provisorisch in Gips ausgeführt und unter Teilnahme hoher Medizin- wie NSDAP-Funktionäre eingeweiht, mit Eröffnungsreden von u.a. Prof. Leopold Schönbauer. Dieser prominente Nationalsozialist wurde 1945 von der Entnazifizierung ausgenommen, blieb Professor und Klinikchef und wurde auch noch zum Direktor des AKH ernannt und sorgte 1950 dafür, dass das provisorische temporäre NS-Denkmal von 1944 vom Künstler nun unverändert in Marmor ausgeführt und zum 121. Geburtstag Billroths am 26. April 1950 in den Universitätskliniken (AKH) zentral aufgestellt wurde. Nun offiziell gefeiert als „großer Österreicher“ und Vertreter der „Wiener Medizinischen Schule“, nicht mehr als Beispiel für vermeintliche Überlegenheit „Deutschen Genies“.

Ehrungen

Billroth war vielfach ausgezeichnet – korrespondierendes (1869) und wirkliches Mitglied (1874) der Akademie der Wissenschaften in Wien, Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (1883), Mitglied des Herrenhauses (ab 1887) und Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina (1888) und mehrfacher Ehrenbürger. Ihm wurden auch mehrere Denkmäler errichtet (im Arkadenhof der Universität Wien wurde die Billrothstatue von Caspar Zumbusch bereits 1897 errichtet, bevor 1944/1950 sein Denkmal im AKH enthüllt wurde). Es wurden auch Straßen in mehreren Städten nach ihm benannt, und er erhielt auch ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Die Benennung der Billrothstraße in Wien 1894 wurde bei der Überprüfung der Wiener Straßennamen 2013 als „Fall mit demokratiepolitisch relevanten biografischen Lücken“ eingestuft.

Werke (Auswahl)

  • Chirurgische Klinik, Erfahrungen aus den Gebieten der praktischen Chirurgie, Zürich 1860–67, Wien 1868–70 u. 1871–76.
  • Die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie in 50 Vorlesungen, Berlin 1863.
  • Untersuchungen über die Vegetationsformen der Coccobacteria septica, 1876.
  • Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation, 1875.
  • Handbuch der allgemeinen und speciellen Chirurgie, hgg. m. Franz von Pitha. 3 Bände. Stuttgart 1865–1882.
  • Historische und kritische Studien über den Transport der im Felde Verwundeten und Kranken auf Eisenbahnen. Wien 1874.
  • Die Krankenpflege im Hause und im Hospitale. Ein Handbuch für Familien und Krankenpflegerinnen. Wien 1881.

Archiv der Universität Wien, Rektorat GZ 6 ex 1949/50; Medizinische Fakultät GZ 67 ex 1949/50 (Ehrentafel).
Archiv der Universität Wien, MED PA 717; Senat Sonderreihe S 87.1.36, S 88.20, S 93.8.

Felicitas Seebacher

Zuletzt aktualisiert am 14.02.2024 - 21:31

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