Anna Simona Spiegel-Adolf, Univ.-Prof. Dr. med.

23.2.1893 – 1983
geb. in Wien, Österreich

Sie war die Tochter des angesehenen Hof- und Gerichtsadvokaten Jacques Adolf. Ihr Großvater war der bekannte Mathematiker an der Wiener Technischen Hochschule, Spitzer. Sie belegte Gymnasialkurse in der Schule von Schwarzwald, worauf 1913 die Gymnasialmatura folgte. Ab dem Wintersemester 1913 studierte sie an der Universität Wien Medizin. Während ihrer Studienzeit arbeitete sie drei Jahre, davon zwei als Demonstrator, am Institut für Histologie und Bakteriologie. Aus dieser Zeit stammt auch ihre erste wissenschaftliche Arbeit. Außerdem war sie noch durch mehrere Semester halbtägig am Institut für angewandte medizinische Chemie beschäftigt und arbeitete hier physiologisch-chemisch sowie qualitativ analytisch.

Nach ihrer Promotion am 23. Dezember 1918 nahm sie ihre Tätigkeit in der Prosektur der Krankenanstalt Rudolfstiftung unter Paltauf und sodann am neurologischen Universitätsinstitut unter Marburg auf. Gleichzeitig war sie an der philosophischen Fakultät inskribiert und absolvierte am Institut für angewandte und medizinische Chemie die vorgeschriebenen Praktika. Mit 9. März 1919 trat sie in das Universitätslaboratorium für physikalisch-chemische Biologie ein, dem sie ab 1. Februar 1923 als unbesoldete Assistentin angehörte. In den folgenden Jahren beteiligte sie sich durch Abhaltung von Kursen auch am Unterrichtsbetrieb des Institutes und ab 1927 arbeitete sie auch im Laboratorium für Lichtbiologie und Lichtpathologie unter Hausmann am physiologischen Institut der Universität Wien, um die Anwendungsmöglichkeiten der physikalischen Chemie und Kolloidchemie auf medizinische Fragestellungen hin zu studieren. Ebenso war sie für zwei Jahre am serotherapeutischen Institut unter Kraus und im Rahmen der Arbeiten der medizinischen Moorkommission des Volksgesundheitsamtes tätig. Ihre Forschungen – zwischen 1917 und 1930 erschienen nicht weniger als 43 Arbeiten - präsentierte sie immer wieder auf Kongressen, u.a. unternahm sie 1930 eine dreimonatige Vortrags- und Studienreise nach Nordamerika. Dementsprechend eindeutig fiel auch das Votum der letzten Sitzung des Professorenkollegiums auf ihr Ansuchen um Verleihung der Venia Legendi aus: 22 Ja- standen nur 2 Nein-Stimmen gegenüber, sodass sie mit 4. Juli 1931 zum Privatdozenten für angewandte medizinische Chemie mit besonderer Berücksichtigung der biologisch-physikalischen Chemie und medizinischen Kolloidchemie ernannt wurde.

Mit 1. Jänner 1931 wurde sie als Professor an die Temple University, Philadelphia, berufen, um dort das Fach „physikalische und Kolloidchemie“ einzurichten. Sie wurde auch Vorstand dieses Institutes. Um ihre Assistentenstelle in Wien behalten zu können, musste sie sich immer wieder von ihrer Vorlesungsverpflichtung beurlauben lassen. Zuletzt suchte sie am 3. September 1936 mit der Begründung an, dass sie in Wien derzeit keine Erwerbsmöglichkeit sähe. Sie bot jedoch an, ihrer Vorlesungsverpflichtung in Form von mehrwöchigen Kursen nachzukommen. Obwohl sich Pauli mit dem Hinweis für sie einsetzte, ihre in Amerika gemachten Studien seien von allgemeinem Interesse für die Fakultät, wurde ihr Ansuchen abgelehnt. Die politischen Veränderungen in Österreich im Jahr 1938 hatten zur Folge, dass ihr als Jüdin die Venia Legendi entzogen wurde. Sie blieb in den USA, deren Staatsbürgerin sie seit 1934 war. Bis 1966 leitete sie das Institut für physikalische und Kolloidchemie der Temple University in Philadelphia.

 

Das Forschungsgebäude der Medizinischen Universität Wien wurde nach ihr in „Anna Spiegel Forschungsgebäude“ umbenannt.

Archiv der Universität Wien, Personalakt Spiegel-Adolf. Österreichisches Staatsarchiv/AVA, Ministerium für Kultus und Unterricht.

Sonia Horn

Zuletzt aktualisiert am 03.09.2021 - 09:14