Gottfried Haberler, Univ.-Prof. DDr. Dr. h.c.

20.7.1900 – 6.5.1995
geb. in Purkersdorf, Österreich gest. in Washington, Vereinigte Staaten

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrensenator*in sen.h.c. 1975/76

Gottfried Haberler wurde am 28.01.1976 zum Ehrensenator ernannt als "IURIS ET RERUM POLITICARUM DOCTOREM, DOCTOREM HONORIS CAUSA SANGALLENSEM, PROFESSOREM OECONOMIAE UNIVERSITATIS HARVARDIANAE EMERITUM
QUI INVESTIGATIONIBUS SUIS EGREGIIS DE INDICUM NUMERIS, DE RELATIONIBUS INTER GENTES OECONOMICIS NECNON DE CONIUNCTURAE QUAE DICITUR FLUCTUATIONIBUS SCIENTIAM RERUM OECONOMICARUM AUXIT ATQUE PROVEXIT, HUIUS UNIVERSITATIS" (Wortlaut Diplom)

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wien inskribierte Haberler 1919 Staatswissenschaften an der Universität Wien und promovierte im März 1923 mit der Dissertation "Dogmengeschichte der Wechselkurstheorien". Daraufhin setzte er seine Studien fort, begann im Sommer 1924 als Bibliothekar bei der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien und promovierte im November 1925 auch in den Rechtswissenschaften. Als "post-doctoral student" war er von 1927 bis 1929 an den Universitäten London und Harvard, und habilitierte sich 1928 mit der Arbeit "Der Sinn der Indexzahlen" für politische Ökonomie und Statistik an der Universität Wien. 1929 begann er als Rechtskonsulent in der Wiener Handelskammer (bis 1934), war währenddessen als Gastdozent an der Harvard University (1931/32) tätig, und anschließend Experte im Sekretariat des Völkerbundes in Genf (1934–1936).

Haberler, der seit Jänner 1934 den Titel eines ao. Prof. trug, wanderte 1936 in die USA aus, um eine Professur für internationalen Handel an der Harvard University anzunehmen. Seine Lehrtätigkeit an der Universität Wien setzte er im eingeschränkten Ausmaß fort, bis ihn die Nationalsozialisten 1938 seines Amtes enthoben. Haberlers Lehrbefugnis hatte per 22. April "bis auf weiteres zu ruhen", was darauf zurückzuführen war, dass seine Frau gemäß der NS-Rassendoktrin als "Mischling 1. Grades" galt. Als weiterer Grund ist im Protokoll eines Telefonats zwischen dem Dozentenbundführer der Universität Wien, Arthur Marchet, und einem "Pg. Brückner" angeführt, dass sich Haberler "den grössten Teil seiner Zeit nicht in Wien, sondern im Auslande, Schweiz, Amerika" aufhalte und dadurch seine Lehrtätigkeit beeinträchtigt werde. Tatsächlich ist für Haberler zumindest ab dem Wintersemester 1934 keine Lehrtätigkeit an der Universität Wien dokumentiert. Dass dies nicht ausschlaggebend für seine Enthebung war bzw. nur eine untergeordnete Rolle spielte, demonstriert ein Blick auf andere Personen, die aufgrund "jüdischer Versippung" vertrieben wurden. In Wien war Haberler im Oktober 1938 jedenfalls nicht mehr gemeldet, wie die NSDAP-Kreisleitung I feststellte.

Für Haberler, der 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm, begann in den USA eine erfolgreiche wissenschaftliche wie auch politische Karriere: So wurde er 1941 "Chief Consultant Officer of Price Administration", 1943 Berater des Board of Governors des Federal Reserve System (Zentralbanksystem) der USA, 1949 Vizepräsident und 1962 Präsident der "American Econometric Society". Darüber hinaus war er Mitglied der "International Economic Association", deren Präsident er 1950/51 war (ab 1953 Ehrenpräsident) und des "National Bureau of Economic Research" in New York (1955 Präsident). Ehrendoktorate verliehen ihm die Universitäten St. Gallen (1949), Saarland (1967), Innsbruck (1970) und die Wirtschaftsuniversität Wien (1980). An der Universität Wien wurde er am 28. Jänner 1976 zum Ehrensenator ernannt. Nach seiner Emeritierung in Harvard 1971 war Haberler Resident Scholar am "American Enterprise Institute in Washington".

Haberler, der in den 1920er und 1930er Jahren dem Kreis um Ludwig von Mises angehörte, galt als neoliberaler bürgerlicher Ökonom, der sich v. a. mit konjunkturtheoretischen Problemen und internationalem Handel auseinandersetzte. Noch Anfang der 1960er Jahre sah er tiefe Wirtschaftskrisen als überwunden an, zumal eine solide Finanzstruktur Bankzusammenbrüche verhindere. Weiters wandte er sich gegen die Theorie des Null- bzw. Minuswachstums des "Club of Rome".

Als Ursache der Inflation erkannte er die falsche Wirtschaftspolitik eines Staates und nicht die "inneren Widersprüche[n] des Kapitalismus". Er wandte sich in diesem Zusammenhang sowohl gegen Mindestlohngesetze als auch gegen Arbeitslosenunterstützung und hohe Sozialleistungen. Mit dem Einfrieren von Löhnen und Preisen ließe sich das Inflationsproblem nach Haberler aber auch nicht lösen, mit fiskalischen Maßnahmen allerdings schon. Als Idealvoraussetzung für das Wirtschaftswachstum betrachtete er eine Null- bzw. Beinahe-Null-Inflation. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung des Programms des Internationalen Währungsfonds beteiligt.

Zu seinen wichtigsten Werken zählen "Der internationale Handel" (1933), "Prosperity and Depression" (1937), "International Monetary Arrangements" (1964) und "The Problem of Stagflation" (1985).

Archiv der Universität Wien, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Personalakt 119 (Haberler). | Archiv der Universität Wien, Vorlesungsverzeichnis Sommersemester 1934 bis Wintersemester 1937/38. | Österreichisches Staatsarchiv/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Personalakt Haberler. | Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik, Gauakt Haberler.

Andreas Huber

Zuletzt aktualisiert am 04.04.2022 - 09:26

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