Helge Götrik Backlund, Prof. Dr. Dr. h.c.

13.9.1878 – 29.1.1958
geb. in Dorpat | Tartu, Estland gest. in Uppsala, Schweden

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. phil. h.c. 1940/41 Philosophische Fakultät

Die Universität Wien verlieh Helge Backlund das Ehrendoktorat der Philosophie „als Anerkennung dafür, daß er durch seine Untersuchungen auf dem Gebiete der systematischen Mineralogie und Petrographie diese Wissenschaften wesentlich gefördert, daß er durch seine Forschertätigkeit in den Anden Argentiniens, in der russischen Arktis, in Ostgrönland und in seiner schwedischen Heimat Wichtiges über den petrographischen und geologischen Aufbau dieser Länder berichtet, daß er durch seine petrologisch-geophysikalischen Studien neue und grundlegende Vorstellungen über die Bildung und Umbildung der Magmen innerhalb der Erdkruste entwickelt hat, und schließlich in Würdigung der von ihm mehrfach erwiesenen Verbundenheit mit der Universität Wien, an der er seinerzeit einen Teil seiner Ausbildung erhalten hatte.“ (Wortlaut Ehrendiplom, 4. November 1940)

Die Ehrung wird 2022/23 als „problematisch“ eingestuft, da die Verleihung des Ehrendoktorats an Helge Backlund zumindest teilweise auf außen- und wissenschaftspolitische Absichten zurückzuführen ist. Die Anregung kam im Jänner 1940 vonseiten der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm, die betonte, dass Backlund „wissenschaftlich und persönlich enge und bewußte Beziehungen zu Deutschland gepflegt und besonders im [sic] gegenwärtigen Zeitpunkt seine freundschaftliche Gesinnung nach außen hin bei jeder Gelegenheit betont“ habe. Mit einem Ehrendoktorat solle er daher „für seine wissenschaftlichen Verdienste und für sein unentwegtes Festhalten am deutschen Gedanken ausgezeichnet“ werden. Der Dekan der Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen, Technische Hochschule Berlin, Leo von zur Mühlen, als langjähriger Bekannter Backlunds unterstrich, „mit was für Freude er den Ereignissen in Deutschland gefolgt ist und mit welch einer Energie er seinen schwedischen Kollegen gegenüber den neuen deutschen Standpunkt vertreten hat. Einen treueren und besseren Freund in der schwedischen Gelehrtenwelt können wir uns kaum denken.“

Auch an der Universität Wien stieß die Anregung auf Wohlwollen. NSD-Dozentenbundführer Arthur Marchet gab im Mai 1940 bekannt, dass der Dozentenbund die Ehrenpromotion Backlunds „für seine wissenschaftlichen Verdienste und für sein unentwegtes Festhalten am deutschen Gedanken […] wärmstens befürworte“. Die Deutsche Gesandtschaft Stockholm drängte bereits im Juli 1940 auf eine rasche Durchführung: „Da Professor Backlund bei der Einstellung gewisser Kreise der schwedischen Akademikerschaft infolge seiner deutschfreundlichen Haltung in den letzten Monaten zweifellos gewisse Schwierigkeiten entstanden sind, würde die Ehrenpromotion gerade jetzt für ihn eine besondere Genugtuung bedeuten.“ Auch das Auswärtige Amt und das Reichserziehungsministerium in Berlin schlossen sich der Urgenz an. Vorbereitend auf die am 4. November 1940 endlich stattfindende Verleihung ersuchte der Rektor der Universität Wien die Studentenführung, „für eine möglichst zahlreiche Beteiligung seitens der Studentenschaft Sorge zu tragen, da es im Interesse unserer Auslandsbeziehungen gelegen ist, dass die Feier einen entsprechend eindrucksvollen Verlauf nimmt.“

Auch während der Feier hob der Dekan Viktor Christian an Backlund gerichtet hervor: „Sie haben auch in schweren Zeiten mutig und unbeirrbar diese Beziehungen zur deutschen Wissenschaft aufrechterhalten und Sie haben auch, wenn es nötig war, in Ihrem Bereiche die deutsche Geistigkeit und die deutsche Wesensart gegen ungerechte Angriffe verteidigt. [...] Wenngleich Sie schon lange Professor sind, verfolgen Sie doch alle die Geschehnisse auf wissenschaftlichem und politischem Gebiete in Deutschland und auch sonst in der Welt mit großer Lebhaftigkeit und Sie nehmen zu ihnen in einem jugendlichen Geiste Stellung. Deshalb verstanden Sie auch sogleich, was sich heute in Deutschland abspielt. Ihre wissenschaftliche und persönliche Haltung und die daraus sich ergebenden großen Erfolge haben die Wiener Universität nun bewogen, Ihnen das Ehrendoktorat der Philosophie zu verleihen.“

Schon kurz nach Kriegsende nahm der Senat der Universität Wien die politisch motivierten Ehrungen der NS-Zeit unter die Lupe: Als Prorektor berichtete Richard Meister in der Sitzung vom 19.5.1945 über die Ehrendoktorate, die in der NS-Zeit an der philosophischen Fakultät verliehen worden waren und kam zu dem Schluss, dass Backlund der Ehrung „wohl“ durchaus würdig sei, und fügte hinzu: „auch aus politischen Gründen müsse hier vorsichtig vorgegangen werden.“ Die Frage der politischen Ehrendoktorate wurde anschließend nicht mehr weiter diskutiert.

Helge Götrik Backlund (russisch: Oleg Oskarovich Backlund) war der Sohn des Astronomen Oskar Backlund (1846–1916) und dessen Ehefrau Ulrika Widebeck. Er wuchs hauptsächlich in Russland auf, wo sein Vater am kaiserlichen Observatorium Pulkowo bei St. Petersburg arbeitete, das dieser ab 1895 als Direktor leitete. Helge Backlund erhielt seine mehrsprachige Schulbildung (Schwedisch, Deutsch, Russisch, Französisch, Englisch) in Russland und Schweden und legte 1897 die Reifeprüfung am deutschen Katarina-Gymnasium in St. Petersburg ab. Anschließend nahm er ein Studium der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Mineralogie und Geologie an der Universität St. Petersburg auf, wo er 1908 zum Magistranten (magistrant min. et geogn.) graduierte und 1914 disputierte.
Bereits während seines Studiums nahm er 1899 bis 1901 an der schwedisch-russischen Gradmessungsexpedition nach Spitzbergen teil, wo er sich der Untersuchung der Basalte widmete und ihm am 4. August 1900 die Erstbesteigung des Newtontoppen gelang. Von 1902 bis 1905 war Backlund außerordentlicher Assistent am geologischen Institut der Universität St. Petersburg und reiste 1904/05 für geologische und astronomische Forschungen nach Nordsibirien, u.a. auf die Taimyrhalbinsel. Helge Backlund studierte und forschte 1906/07 bei Friedrich Becke an der Universität Wien, dessen Arbeitsmethoden Backlunds weitere Forschungen prägten. Aus seinen Wiener Forschungen gingen die Publikation „Über die Olivingruppe“ (1909) sowie einige Schriften über die Spitzbergen-Basalte hervor.

1908 wurde Helge Backlund zum Kustos am mineralogisch-geologischen Museum der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ernannt. Seine zahlreichen Forschungs- und Studienreisen setzte er auch in dieser Position fort. So bereiste er 1909 nochmals Sibirien, wo er sich der geologischen und petrographischen Untersuchung des arktischen Uralgebirges sowie der Taimyr-Halbinsel widmete, 1911 Turkestan, um Erdölvorkommen aufzuspüren, sowie das mittlere Uralgebirge, um Kupfervorkommen zu untersuchen. 1912 ließ er sich für ein Jahr von seiner Position in St. Petersburg beurlauben, um als Staatsgeologe der Sección Geológica in Argentinien zu wirken. Hier beteiligte er sich an der geologischen Erforschung und Kartierung der Anden, insbesondere der dortigen Zinn- und Granitvorkommen, und bereiste anschließend Süd- und Nordamerika (Chile, Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien, Kanada und USA).
Nach seiner Rückkehr wurde Backlund im Herbst 1913 zum ordentlichen Chefkustos an der petrographischen Abteilung des Geologischen Museums in St. Petersburg befördert. In den Jahren 1915 bis 1917 führten ihn Forschungsreisen in das Altaigebirge sowie die nördliche Mongolei, in das südliche Uralgebirge sowie die Mandschurei.

Aufgrund der politisch prekären Lage infolge der Oktoberrevolution 1917 verließ Helge Backlund Russland und übersiedelte zunächst nach Schweden, bis er 1918 zum Professor für Geologie und Mineralogie an der neugegründeten schwedischsprachigen Akademie in Åbo (Turku, Finnland) ernannt wurde. Neben der Lehre, in die er erstmals die Methodik der Universaltafeln einbezog, widmete er sich intensiv dem Aufbau einer geologischen Studiensammlung und Bibliothek sowie weiteren Forschungsreisen in verschiedene Gebiete Skandinaviens, nach England, Mexiko und in die USA.

1924 folgte Helge Backlund einer Berufung zum Professor für Geologie, Petrographie und Mineralogie an die Universität Uppsala in Schweden. Hier sorgte er für eine Modernisierung der instrumentalen Ausstattung sowie den Ausbau und die Neuorganisation der Sammlungen. 1928 war er Mitbegründer der Schwedischen Mineralogischen Gesellschaft. 1929 und 1930 nahm Backlund an Expeditionen nach Grönland teil, wo er sich der Untersuchung der Gneise widmete.

In seinen Forschungen und wissenschaftlichen Publikationen beschäftigte sich Helge Backlund vor allem mit der Petrographie und Tektonik arktischer Regionen, u.a. in Skandinavien und Nordrussland. Er widmete sich besonders dem Problem der Entstehungsweise von Graniten und entwickelte sich in Anlehnung an Jakob Johannes Sederholm zu einem der führenden Vertreter des sogenannten „Transformismus“, der die Granitentstehung durch Umwandlung bereits existierender Sedimentgesteine unter dem Einfluss gasförmiger Emanationen erklärte.

Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Helge Backlund vielfach geehrt. Bereits 1927 wurde er zum Ehrendoktor der Universität Uppsala ernannt. Er gehörte mehreren internationalen wissenschaftlichen Vereinigungen als Mitglied oder Ehrenmitglied an, u. a. der Akademie der Wissenschaften in Göttingen (1941), der Royal Society of Edinburgh (1946), der Schwedischen Akademie der Wissenschaften (1947) sowie der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft. Er wurde 1910 mit der Goldmedaille der Russischen Geographischen Gesellschaft, 1935 mit der Dänischen Verdienstmedaille und 1956 mit der Friedrich Becke-Medaille der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft ausgezeichnet. Die Geologische Vereinigung Frankfurt, die Backlund 1943 die Gustav Steinmann-Medaille verlieh, widmete ihm in diesem Jahr auch den Band ihrer „Geologischen Rundschau“.

Im Jänner 1940 regte die Deutsche Gesandtschaft in Stockholm beim Reichserziehungsministerium an, Helge Backlund ein Ehrendoktorat zu verleihen, um ihn „für seine wissenschaftlichen Verdienste und für sein unentwegtes Festhalten am deutschen Gedanken“ auszuzeichnen. Backlund habe nämlich „wissenschaftlich und persönlich enge und bewußte Beziehungen zu Deutschland gepflegt und besonders im [sic] gegenwärtigen Zeitpunkt seine freundschaftliche Gesinnung nach außen hin bei jeder Gelegenheit betont“. Als verleihende Institution fasste man in erster Linie die Universität Wien ins Auge, da Backlund hier „besondere Freunde“ habe. Dass neben Backlunds wissenschaftlichen Leistungen auch außen- und wissenschaftspolitische Absichten ausschlaggebend waren, unterstreicht auch ein Schreiben von Leo von zur Mühlen, Professor an der Technischen Hochschule Berlin, der als langjähriger Bekannter Backlunds hervorhob, „mit was für Freude er den Ereignissen in Deutschland gefolgt ist und mit welch einer Energie er seinen schwedischen Kollegen gegenüber den neuen deutschen Standpunkt vertreten hat. Einen treueren und besseren Freund in der schwedischen Gelehrtenwelt können wir uns kaum denken.“

Auch an der Universität Wien stieß die Anregung auf Wohlwollen. NSD-Dozentenbundführer Arthur Marchet gab im Mai 1940 bekannt, dass der Dozentenbund die Ehrenpromotion Backlunds „für seine wissenschaftlichen Verdienste und für sein unentwegtes Festhalten am deutschen Gedanken […] wärmstens befürworte“. Die Deutsche Gesandtschaft Stockholm drängte bereits im Juli 1940 auf eine rasche Durchführung: „Da Professor Backlund bei der Einstellung gewisser Kreise der schwedischen Akademikerschaft infolge seiner deutschfreundlichen Haltung in den letzten Monaten zweifellos gewisse Schwierigkeiten entstanden sind, würde die Ehrenpromotion gerade jetzt für ihn eine besondere Genugtuung bedeuten.“ Das Auswärtige Amt und das Reichserziehungsministerium in Berlin schlossen sich der Urgenz an. Vorbereitend auf die am 4. November 1940 endlich stattfindende Verleihung ersuchte der Rektor der Universität Wien, Fritz Knoll, die Studentenführung, „für eine möglichst zahlreiche Beteiligung seitens der Studentenschaft Sorge zu tragen, da es im Interesse unserer Auslandsbeziehungen gelegen ist, dass die Feier einen entsprechend eindrucksvollen Verlauf nimmt.“

Auch während der Feier hob der Dekan Viktor Christian an Backlund gerichtet hervor: „Sie haben auch in schweren Zeiten mutig und unbeirrbar diese Beziehungen zur deutschen Wissenschaft aufrechterhalten und Sie haben auch, wenn es nötig war, in Ihrem Bereiche die deutsche Geistigkeit und die deutsche Wesensart gegen ungerechte Angriffe verteidigt. [...] Wenngleich Sie schon lange Professor sind, verfolgen Sie doch alle die Geschehnisse auf wissenschaftlichem und politischem Gebiete in Deutschland und auch sonst in der Welt mit großer Lebhaftigkeit und Sie nehmen zu ihnen in einem jugendlichen Geiste Stellung. Deshalb verstanden Sie auch sogleich, was sich heute in Deutschland abspielt. Ihre wissenschaftliche und persönliche Haltung und die daraus sich ergebenden großen Erfolge haben die Wiener Universität nun bewogen, Ihnen das Ehrendoktorat der Philosophie zu verleihen.“

Schon kurz nach Kriegsende nahm der Akademische Senat der Universität Wien die politisch motivierten Ehrungen der NS-Zeit unter die Lupe: Als Prorektor berichtete Richard Meister in der Sitzung vom 19. Mai 1945 über die Ehrendoktorate, die in der NS-Zeit an der Philosophischen Fakultät verliehen worden waren, und kam zu dem Schluss, dass Backlund der Ehrung „wohl“ durchaus würdig sei, und fügte hinzu: „auch aus politischen Gründen müsse hier vorsichtig vorgegangen werden.“ Die Frage der politischen Ehrendoktorate wurde anschließend nicht mehr weiter diskutiert.

Auch nach seiner Pensionierung 1943 setzte Helge Backlund seine Forschungen sowie kürzere Reisen fort. Er lehrte 1948 als Gastprofessor in England sowie 1952 in Spanien.

Er starb am 29. Jänner 1958 im Alter von 79 Jahren in Uppsala, wo er am „alten Friedhof“ im Bezirk Fjärdingen bestattet wurde.

Werke (Auswahl)

On the eastern part of the arctic basalt plateau, 1921.
Der magmatische Anteil der Cordillera von Süd-Mendoza, 1923.
Die Magmagesteine der Geosynklinale von Nowaja Semlja, 1930.
Über die Lagerungsbedingungen eines Torffundes in NO-Grönland, 1931.
Das Alter des 'metamorphen Komplexes' von Franz Josef Fjord in Ost-Grönland, 1932.
gem. mit David Malmqvist: Zur Geologie und Petrographie der nordostgrönländischen Basaltformation (2 Bände), 1932/35.
gem. mit Torsten Krokström und Thorvald Sørensen: Petrological studies on some basaltic rocks from East Greenland. Treaarsexpeditionen til Christian den X's Land 1931-34, 1944.
Wrack fauna of Sweden and Finland. Ecology and chorology, 1945.
gem. mit Erdhart Fränkl und Thorvald Sørensen: Weitere Beiträge zur Geologie von Kronprins Christians Land (NE-Grönland, zwischen 80 ̊und 803̊0' N). De Danske Ekspeditioner til Østgrønland 1947-54, 1955.

Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, Gz. 1043 aus 1939/40 (Ehrendoktorat Helge Backlund).
Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Gz. 1085 aus 1938/39 (Ehrendoktorat Helge Backlund).
Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Sitzungsprotokolle, Studienjahr 1944/45, 3. Sitzung vom 19.5.1945.
> Wikipedia

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 - 22:06

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