Max Haitinger, Dr. rer. nat. h.c.

20.4.1868 – 19.2.1946
geb. in Wien, Österreich gest. in Klosterneuburg, Österreich

Oberst a.D.

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. rer. nat. h.c. 1943/44 Philosophische Fakultät

„Die Philosophische Fakultät der Universität Wien […] verleiht das Ehrendoktorat der Naturwissenschaften (doctor rer. nat. h. c.) Herrn Oberst a.D. Max Haitinger, dem Schöpfer und Meister der heutigen Fluoreszenzmikroskopie. Er hat durch die Ausarbeitung eines leistungsfähigen Instruments der neuen Methode die praktische Anwendung in die Tiefe und Breite gesichert. Durch das von ihm angegebene Fluorochromierungsverfahren, die Auffindung zahlreicher Fluorochrome und durch beispielgebende eigene Arbeiten sowie solche seiner Mitarbeiter und Schüler, hat er vielen Zweigen der Naturwissenschaft und Medizin neue Wege aufgetan.
Die Universität ehrt durch diese Verleihung den begeisterten Forscher, der die Jahre wohlverdienten Ruhestandes der Wissenschaft – zum Ruhme seiner Heimat und des deutschen Volkes – widmet.“
(Wortlaut Ehrendiplom 8. Juni 1944)

Max Haitinger war der zweite Sohn des Arztes Carl Ludwig Haitinger (1826–1904) und dessen Ehefrau Anna Maria (geb. Feßler). Ebenso wie sein älterer Bruder, der spätere Chemiker Ludwig Camillo Haitinger (1860–1945), erhielt er zunächst von seinem Vater Privatunterricht. Anschließend besuchte er das Wasa-Gymnasium in Wien- Alsergrund, bis er nach sechs Schulklassen 1885 an die Lehranstalt für Wein- und Obstbau (Önologisch-Pomologische Lehranstalt) in Klosterneuburg wechselte. Daneben studierte er Naturwissenschaften, besonders Chemie, Physik und Botanik, an der Universität Wien sowie 1887 als Gaststudent an der Universität Tübingen.
Nach einem landwirtschaftlichen Volontariat auf dem Gut der Grafen Herberstein in Libochowitz (Libochovice, Tschechien) trat Haitinger 1888 als Einjährig-Freiwilliger in den Militärdienst ein und schlug die Offizierslaufbahn ein. Er wurde 190 zum Leutnant ernannt und bald danach als Lehrer für Mathematik, Physik und Chemie an die Pionier-Kadettenschule in Hainburg an der Donau versetzt. Haitinger stieg 1894 zum Oberleutnant, 1902 zum Hauptmann, 1913 zum Major und 1916 zum Oberstleutnant auf. Nach einem kurzen Einsatz im Ersten Weltkrieg 1916 unterrichtete er wieder an der Pionierkadettenschule in Hainburg (Mathematik, Physik, Chemie, Chemische Technologie, Geodäsie und Höhere Mathematik) und übernahm später auch die Funktion des Studiendirektors für die technischen Lehrfächer. Als letzter Kommandant übernahm Haitinger zugleich die Auflösung der Lehranstalt, die ab 1913 in die Pionierklassen der Technischen Militärakademie integriert wurde, während die Klassen noch über mehrere Jahre ausliefen. Zu Kriegsende 1918 wurde er in den Ruhestand versetzt.

Als „Oberst a.D.“ lebte Max Haitinger auf dem Gut seines Bruders in Weidling/Klosterneuburg bei Wien und betrieb als Privatgelehrter Studien im Bereich der Physik und Chemie, die ihn schließlich zu seinem Spezialgebiet, der Fluoreszenz, führten. Ab 1926 forschte er ehrenamtlich im chemischen Laboratorium der Höheren Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Klosterneuburg, wo er sich vor allem der Analyse von Weinen, Pflanzensäften, Nahrungsmitteln u. a. organischen Stoffen mithilfe der neuen Methode der Fluoreszenzmikroskopie widmete.

1930 – im Alter von 62 Jahren – wechselte er an das II. Physikalische Institut der Universität Wien, mit dessen Leiter Eduard Haschek er zunächst auf dem Gebiet der Farbenbestimmung forschte, sich aber auch weiter intensiv der Fluoreszenzmikroskopie widmete.

In Zusammenarbeit mit dem in Wien ansässigen Unternehmen „C. Reichert Optische Werke“, das 1911 das erste Fluoreszenzmikroskop entwickelt hatte, arbeitete Haitinger intensiv an dessen Weiterentwicklung. Das neue Fluoreszenzmikroskop, das 1931 auf den Markt kam, ermöglichte eine deutlich stärkere Beleuchtung und damit auch eine stärkere Fluoreszenz sowie eine Verwendung aller Vergrößerungen. Gemeinsam arbeiteten Karl Reichert jr. und Haitinger auch in den Folgejahren an der stetigen Verbesserung des Instruments mittels neuer Beleuchtungs- und Filtermethoden.

Parallel setzte Haitinger seine experimentellen Forschungen mit dem neuen Instrument fort. Arbeitete er zu Anfang noch mit autofluoreszenten Objekten („Primärfluoreszenz“), entwickelte er ab 1933 Verfahren zur Einfärbung („Fluorochromierung“, heute „Fluoreszenzmarkierung“) mittels Fluoreszenzfarbstoffen („Fluorochrome“), um Strukturen in Präparaten gezielt anzufärben und sie anschließend zu untersuchen. Für seine Methode der „Sekundärfluoreszenz“ erprobte er zunächst fluoreszierende Pflanzenextrakte, später auch Chemikalien und wurde damit zum Wegbereiter für die Anwendung des Verfahrens sowie der Fluoreszenzmikroskopie an sich in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen. Neben organischen Stoffen weitete er seine Studien auch auf anorganische Stoffe, Mineralien und tierische Gewebe aus und befruchtete damit Bereiche der Chemie, Biologie, Botanik und Pflanzenphysiologie, Mineralogie, Pharmakognosie, Bakteriologie und Medizin. Aus seinen Forschungen zur Anwendung der Fluoreszenzanalyse in der Mikrochemie gingen zwei Monografien („Die Fluoreszenzanalyse in der Mikrochemie", 1937; „Fluoreszenzmikroskopie", 1938) sowie zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften hervor. 1937 verlieh ihm die Akademie der Wissenschaften in Wien den Fritz-Pregl-Preis für Mikrochemie.

Einer Einladung, an der Wiener Hochschule für Bodenkultur zu arbeiten, konnte Haitinger 1941 krankheitsbedingt nur eingeschränkt nachkommen. 1942 als Patient an der I. Medizinischen Universitätsklinik, begann er dort eine Zusammenarbeit mit dem Klinikdirektor, dem Internisten Hans Eppinger. Hier wandte er das Verfahren der Fluorochromierung auch an menschlichem Gewebe an und führte es somit in die medizinische Forschung ein (Physiologie, Histologie, Pathologie).

Hans Eppinger war es auch, der im Herbst 1942 die Verleihung eines Ehrendoktorats an Max Haitinger anregte. Als Dekan der Medizinischen Fakultät unterstützte Eduard Pernkopf die Initiative, wobei er die Frage offen ließ, ob Haitinger von der Medizinischen oder von der Philosophischen Fakultät geehrt werden sollte. Als Förderer der Ehrungsinitiative trat in Folge auch Professor Georg Stetter, Vorstand des II. Physikalischen Instituts, auf. Stetters Empfehlung folgend entschied man sich für das Ehrendoktorat der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.), das von der Philosophischen Fakultät verliehen wurde.
Nachdem Haitinger von NSD-Dozentenbundführer Arthur Marchet auch in politischer Hinsicht als geeignet beurteilt wurde („nationale Linie, in der Familie aktive Nationalsozialisten, polit. einwandfrei“) und sich die zuständige Fakultätskommission im Februar 1943 einstimmig für die Ehrung Haitinger aussprach, wurde der Antrag im März 1943 mit einem ausführliches Gutachten über die wissenschaftlichen Leistungen Haitingers von den Professoren Ludwig Ebert (Chemie), Karl Höfler (Botanik) und Georg Stetter (Physik) dem Reichserziehungsministerium (REM) in Berlin vorgelegt. Hier wurde auch angemerkt, dass Haitinger „Gründer und […] bis zu seiner Erkrankung Führer der Technischen Nothilfe Ortsgruppe Klosterneuburg“ gewesen war – eine vom Deutschen Reich unterhaltene Freiwilligenorganisation, die im Bereich der Beseitigung von Notständen in lebenswichtigen Betrieben, im Luftschutzdienst und im Katastrophenschutz tätig war.
Bis zur endgültigen Verleihung sollte jedoch noch mehr als ein Jahr vergehen, denn das REM wies im April 1943 darauf hin, „daß innerhalb von 2 Jahren für jede einzelne Hochschule insgesamt nur eine Ehrenpromotion zugelassen werden kann. Da die Univ. Wien im Jahre 1942 den Dichter WEINHEBER zum Dr. phil. h.c. promoviert hat, bin ich nicht in der Lage, schon jetzt einer Ehrenpromotion des Oberst HAITINGER zuzustimmen.“ Nach mehrfachen Interventionen Eppingers, der den Reichserziehungsminister in dieser Sache persönlich aufsuchte, lenkte dieser schließlich ein und informierte im August 1943 den Rektor der Universität Wien: „Ich bin ausnahmsweise bereit, eine Ehrenpromotion des Obersten HAITINGER schon jetzt zuzulassen mit der Maßgabe, daß diese Ehrenpromotion auf das kommende Kontingent der Universität Wien angerechnet wird.“ Der ausführlich begründete Antrag der Fakultät mitsamt der Bestätigung der politischen und „rassischen“ Eignung Haitingers wurde daraufhin im September 1943 an das REM übermittelt, doch erst nach einer weiteren Urgenz genehmigte das REM im März 1944 die Ehrenpromotion Haitingers, die schließlich am 8. Juni 1944 im großen Festsaal der Universität Wien stattfand. Im Zuge der Veranstaltung wurden die wissenschaftlichen Verdienste des bereits 76-jährigen Max Haitinger in Festreden von Stetter für den naturwissenschaftlichen Bereich und Eppinger für den medizinischen Bereich gewürdigt.

Haitinger war trotz seiner Erkrankung an Grauem Star und einem allgemein gebrechlichem Gesundheitszustand bis zu seinem Lebensende wissenschaftlich tätig. Er starb am 19. Februar 1946 in Klosterneuburg und wurde auf dem Weidlinger Friedhof bestattet.

Werke (Auswahl)

gem. mit Eduard Haschek: Farbmessungen, Theoretische Grundlagen und Anwendungen, 1936.
Die Fluoreszenzanalyse in der Mikrochemie, 1937.
Fluoreszenzmikroskopie – Ihre Anwendung in der Histologie und Chemie, 1938 (2. Auflage 1959, bearbeitet von J. Eisenbrand und G. Werth).

Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, Gz. 567 aus 1942/43 (Ehrendoktorat Max Haitinger).
Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Gz. 442 aus 1942/43 (Ehrendoktorat Max Haitinger).
Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Sitzungsprotokolle, Studienjahr 1944/45, 3. Sitzung vom 19.5.1945.
> Wiener Stadt- und Landesarchiv, BPD Wien: Historische Meldeunterlagen, K11, Meldezettel Max Haitinger.
Österreichisches Biographisches Lexikon
> Neue Deutsche Biographie
> Wien Geschichte Wiki
> Wikipedia

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 - 22:01

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