Hans Schlitter, Pd. Dr. phil.

8.3.1859 – 9.1.1945
geb. in Vicenza, Italien gest. in Wien, Österreich

Schlitter, dessen Vater Polizeidirektor Brünns war, besuchte das Gymnasium in Brünn, wo er 1880 maturierte, und studierte anschließend Geschichte an der Universität Wien. Er promovierte 1884 zum »Dr. phil.«. und trat daraufhin als Volontär in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv ein, wo er in weiterer Folge zum Archivkonzipisten 2. (1886) bzw. 1. Klasse (1888) avancierte und im Dezember 1902 zum Haus-, Hof- und Staatsarchivar aufstieg. Indessen habilitierte er sich 1903 an der Universität Wien für Neuere Geschichte und konnte ab dem folgenden Jahr auch an der Technischen Hochschule Wien als Privatdozent lehren.

Am Haus-, Hof- und Staatsarchiv folgten die Ernennung zum Sektionsrat (ab 1908), zum 2. (1909) bzw. 1. Vizedirektor (1912) und schließlich zum Direktor und Vorstand (1913). 1916 wurde er Mitglied des »Archivrates«, während er im September 1918 den Titel eines Sektionschefs erhielt. Im November 1918 vom Dienst enthoben trat er im Oktober des Folgejahres in den Ruhestand. Seine Lehrtätigkeit an zwei Wiener Hochschulen sollte er gleichwohl fortsetzen.

Am 18. Juni 1934 teilte ihm das philosophische Dekanat der Universität Wien mit, dass gemäß Verordnung des Unterrichtsministeriums vom 23. Mai 1934 »[d]ie Lehrbefugnis eines Privatdozenten […] bei Vollendung des 70. Lebensjahres« erlische, womit auch seine, jene Schlitters, als erloschen gelte. Gleichwohl versichere ihm die Fakultät, ihn »auch weiterhin als im Geiste wissenschaftlicher Forschung und Lehre verbunden« zu erachten, weshalb sein Name »mit der Angabe der Dauer [seiner] Wirksamkeit an der Wiener Universität im Verzeichnis der akademischen Behörden« weitergeführt werde. Schlitter stand zu diesem Zeitpunkt im 76. Lebensjahr.

Nach dem »Anschluss« legte er – offiziell aus Altersgründen – seine venia legendi zurück, wobei ihm der Dekan, Viktor Christian, noch »den Dank der Fakultät« aussprach. Ob diese Handlung Schlitters als Ablehnung des NS-Regimes zu verstehen ist, bleibt unklar. Eine Maßnahme gegen ihn war – soweit die Akten darüber Auskunft geben – nicht geplant. Die Zurücklegung der venia legendi wirft aber auch insofern Fragen auf, als Schlitters Lehrbefugnis laut Mitteilung des Dekanats bereits seit 1934 als erloschen galt.

Schlitter verstarb wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges.

Er publizierte v. a. zur österreichischen Geschichte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, des Vormärz und des Neoabsolutismus. Im Archiv zeichnete er sich für eine Vielzahl an Ordnungs- bzw. Katalogisierungsarbeiten verantwortlich, wobei er hier wie auch bei Publikationen die wissenschaftliche Zusammenarbeit der Beamten förderte. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte er sich für die Angliederung des Hofkammerarchivs, dessen Bestände zu zerreißen drohten, an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv eingesetzt.

Er war korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften, der Académie Royale des sciences et belles lettres in Brüssel und u. a. Inhaber des Eisernen Kronen-Ordens III. Klasse sowie Kommandeur und Ritter mehrere ausländischer Orden.

Zu seinen bekanntesten Werken zählen »Die Regierung Josefs II. in den österreichischen Niederlanden« (1900), »Rudolf Graf Khevenhüller« (1911) und »Aus der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs I.« (1919).

Archiv der Universität Wien/PH PA 3310, PHIL GZ 659 ex 1937/38-

Andreas Huber

Zuletzt aktualisiert am 22.01.2024 - 22:58

Druckversion