Robert Kienböck, ao. Univ.-Prof. Dr. med.

11.1.1871 – 8.9.1953
geb. in Wien, Österreich gest. in Wien, Österreich

Kienböck besuchte von 1891 bis 1899 das Schottengymnasium in Wien, studierte anschließend an den Universitäten Wien und Heidelberg (WS 1893/94) und promovierte 1895 zum Dr. med. Daraufhin begab er sich 1896/97 zu Studienaufenthalten nach Paris und London, wo er sich mit neurologischen, dermatologischen und bakteriologischen Studien beschäftigte. Nach seiner Rückkehr nach Wien arbeitete er am pathologisch-anatomischen Institut bei Anton Weichselbaum und anschließend an der III. Medizinischen Klinik bei Leopold Schrötter von Kristelli am AKH wie auch als Hilfsarzt im Kaiser-Franz-Joseph-Ambulatorium. 1897, noch unter Schrötter, widmete er sich dem Studium und der praktischen Anwendung der zwei Jahre zuvor von Wilhelm Konrad Röntgen entdeckten X-Strahlen. Im Zuge dessen gründete er 1899 am Sanatorium Fürth selbst ein Privatröntgeninstitut und habilitierte sich 1904 gemeinsam mit Leopold Freund und Guido Holzknecht für Radiologie. An der medizinischen Fakultät entstand somit ein neues Spezialfach. Kienböck gründete zudem an der Allgemeinen Poliklinik die 1. selbständige Röntgenabteilung Österreichs, wobei in diesem Zeitraum (1907) auch sein bedeutendes Werk "Radiotherapie" erschien. Zu einem für Kienböck einschneidenden Ereignis kam es 1910, als er von seinem Pferd fiel und sich eine Schädelfraktur zuzog. In der Folge lebte er zurückgezogener und litt an teilweise schweren Depressionen. An der Universität Wien erhielt er indes 1915 den Titel eines ao. Prof., während 1926 die Ernennung zum Extraordinarius erfolgte.

Im April 1938 beurlaubten ihn die Nationalsozialisten "bis zur Klarstellung der Abstammung von der Ausübung [seiner] Lehrtätigkeit". Die Gauleitung bezeichnete ihn in einer politischen Beurteilung als "Judenstämmling, getauft und christlichsozial eingestellt". Gleichwohl ist im Hinblick auf Kienböcks "Abstammung" im Reichsärzteregister "deutschblütig" vermerkt. Die angeführte christlichsoziale Einstellung dürfte nicht zuletzt mit seinem Bruder, dem ehemaligen christlichsozialen Finanzminister (1922–24 und 1926–29) Viktor Kienböck zu tun gehabt haben, der seit 1932 Präsident der Österreichischen Nationalbank war und seinerseits 1938 aller Ämter enthoben wurde. Kienböck selbst wurde nun "[a]us der Professorenliste der Wiener Universität [...] gestrichen". Seine weitere berufliche Tätigkeit im Nationalsozialismus lässt sich bis zu einem gewissen Grad mithilfe des Reichsärzteregisters rekonstruieren: Demnach war er ab 1939 als Allgemeinpraktischer Facharzt für Röntgen in Wien niedergelassen, während er Ende 1940 aus der Röntgenabteilung der Allgemeinen Poliklinik ausschied. Seine Tätigkeit als Arzt beendete er offenbar im Dezember 1942.

Eine Reaktivierung Kienböcks nach Kriegsende kam ob seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr zustande.

Kienböck beschäftigte sich vordergründig mit der röntgenologischen Diagnostik von Knochenerkrankungen, für die er – zum Teil auch heute noch gebräuchliche – Bezeichnungen entwickelte, so etwa die Kienböcksche Lunatum-Malazie (1910). Nach ihm sind u. a. auch die "Kienböcksche Krankheit" (aseptische Knochennekrose des Mondbeins an der Hand), die "Kienböcksche Einheit" und die "Kienböcksche Knochentherapie" benannt.

Von 1934 bis 1942 erschienen insgesamt acht Bände seines – nicht mehr abgeschlossenen – Werks über die Röntgendiagnostik von Knochen- und Gelenkerkrankungen. Wesentliche Errungenschaften sind Kienböck auch in der Entwicklung der therapeutischen Anwendung der Röntgenstrahlen zuzuschreiben, wobei hier v. a. sein Verfahren zur optimalen Dosierung der Röntgenstrahlenintensität ("Quantimeter") hervorzuheben ist. In seinen über 100 Abhandlungen und Vorträgen setzte er sich außerdem mit der Röntgenbehandlung von Erkrankungen der Haut- und der inneren Organe (insbesondere Krebs) auseinander.

Er war langjähriger Vorstand der "Wiener Röntgengesellschaft" und fungierte 1936 als Präsident des Wiener Röntgenologenkongresses. Ab 1935 war er erster Präsident der im Dezember 1934 gegründeten "Österreichischen Gesellschaft für Röntgenkunde". Seine Präsidentschaft endete 1938, wobei er nach Kriegsende Ehrenpräsident der nun unter dem Namen "Österreichische Röntgengesellschaft" firmierenden Organisation war. Zudem war er Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien.

Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät, Personalakt 728.
Bundesarchiv Berlin, Reichsärzteregister.
Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik, Gauakt Kienböck.
Österreichisches Staatsarchiv/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Bestand Unterricht, Personalakt Kienböck.

Andreas Huber

Zuletzt aktualisiert am 15.05.2018 - 08:38

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