Roland Graßberger jun., Univ.-Prof. Dr.

12.5.1905 – 10.8.1991
geb. in Wien, Österreich gest. in Wien, Österreich

Sohn des Mediziners Roland Graßberger sen.

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1954/55
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1962/63
Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1960/61

Roland Graßberger, Sohn des gleichnamigen Mediziners und Universitätsprofessors Roland Graßberger sen. sowie dessen Frau Mathilde, begann nach der Reifeprüfung 1924 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Er besuchte u.a. Lehrveranstaltungen bei den Professoren Wenzel Gleispach (Strafrecht), Hubert Streicher (Kriminologie) sowie Hugo Forcher (Kriminalstatistik). 1928 promovierte er zum Dr. jur. und absolvierte anschließend seinen Gerichtsdienst am Straflandesgericht Wien sowie Praktika im Bereich Brand- und Kriminalstatistik bei der Wiener Berufsfeuerwehr sowie der Bundespolizeidirektion Wien.

1930 kehrte Roland Graßberger an das von Gleispach geleitete Institut für die gesamte Strafrechtswissenschaft und Kriminalistik  zurück, wo er zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, nach seiner Habilitation 1931 als Privatdozent tätig war. Im selben Jahr wurde er auch zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und fungierte in den folgenden Jahren in zahlreichen Fällen als Gutachter besonders in den Bereichen Brandermittlung, Schriftvergleichungs- und Urkundenuntersuchung sowie Verbrechensrekonstruktion. 1931/32 konnte er mittels eines Stipendiums der Rockefeller Foundation ein Praktikum bei der Polizei in Washington D.C., New York und Chicago absolvieren und publizierte seine Studie 1933 unter dem Titel „Gewerbs- und Berufsverbrechertum in den Vereinigten Staaten von Amerika“, in der er vor einem massiven Anstieg der Kriminalität in Europa warnte.
Graßberger wurde 1934 zum Universitätsassistenten am Institut für Kriminologie ernannt und erhielt 1937 den Titel eines außerordentlichen Professors. Seine Lehrveranstaltungen zeichneten sich nicht nur durch eine große inhaltliche Breite aus, sondern auch durch den Einsatz neuer Lehrmittel (u.a. Diapositive, Lehrfilme). Neben seiner universitären Lehrtätigkeit gab er auch Schulungen für Polizeibeamte.

Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde Graßberger beschuldigt, als gerichtlicher Sachverständiger das austrofaschistische Regime unterstützt zu haben – diese Anschuldigungen konnten jedoch widerlegt werden, sodass er während der NS-Zeit im Amt blieb und 1938 sogar zum Sachverständigen für Brandsachen und später auch für Militärgerichte bestellt wurde. Die Veröffentlichung seiner Manuskripte „Die kriminologische Verwertung von Textdruckwerken“ sowie „Die Lösung kriminalpolitischer Probleme durch die mechanische Statistik“ wurde während des Austrofaschismus bzw. Nationalsozialismus aus staatspolitischen Gründen untersagt.

1946 stieg Roland Graßberger zum außerordentlichen Professor sowie Vorstand des Instituts für Kriminologie der Universität Wien auf und wurde 1948 zum ordentlichen Professor für Strafrecht, Strafprozess und Kriminologie berufen. In den Studienjahren 1954/55 und 1960/61 amtierte er als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Als Rektor des Jahres 1962/63 eröffnete er das 1962 fertiggestellte Neue Institutsgebäude (NIG). 1975 wurde er emeritiert.

Graßberger wurde für seine wissenschaftlichen Leistungen mehrfach ausgezeichnet, wurde u. a. 1950 zum Vizepräsidenten der internationalen Gesellschaft für Kriminologie, 1952 zum Präsidenten der österreichischen Gesellschaft für Strafrecht und Kriminologie sowie zum Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Er publizierte wissenschaftliche Beiträge zu einer Vielfalt an juristischen, statistischen, psychologischen, soziologischen und rechtspolitischen Fragen im Bereich der Strafrechtswissenschaft und Kriminalistik. Sein Hauptwerk „Psychologie des Strafverfahrens“ erschien in zwei Auflagen. Seit 1946 wirkte er auch als Herausgeber der Fachzeitschrift „Kriminologische Abhandlungen“.

Graßberger, der insbesondere als Experte für Branddelikte galt, bekannte sich offen als „Gegner der Homosexualität im ganzen“ und setzte sich vehement für die strafrechtliche Verfolgung jeglicher homosexueller Handlungen ein. Mit seiner ideologisch geprägten Interpretation der Statistiken zu Sexualdelikten untermauerte er das Stereotyp des homosexuellen Kinderschänders und propagierte die Bestrafung mit dem Strafrechtsparagraphen zur „Unzucht mit Minderjährigen“. Mit seinen Publikationen und seiner Tätigkeit als Rechtsgutachter trug er wesentlich dazu bei, dass das Totalverbot für homosexuelle Handlungen im österreichischen Strafgesetz erst 1971 aufgehoben wurde. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wirkte er in den 1950er-Jahren als Gutachter und Berater in Fragen der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexuellen. Erst 1971 gestand Roland Graßberger zu, dass zwischen Pädophilie und Homosexualität keine signifikante Korrelation bestand.

Werke (Auswahl)

Die Brandlegungskriminalität. Eine Untersuchung über ihre Ausdehnung, Bedingungen und Bekämpfung, 1928.
Die Strafzumessung, 1932.
The University Institute of the Criminologic Sciences and Criminalistics in Vienna (in: Journal of Criminal Law and Criminology 23), 1932.
Gewerbs- und Berufsverbrechertum in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1933.
Zur Technik des Einbruchsdiebstahls, 1943.
Die Lösung kriminalpolitischer Probleme durch die mechanische Statistik, 1946.
Psychologie des Strafverfahrens, 1950.
Die gleichgeschlechtliche Unzucht (in: Sittlichkeitsdelikte, Arbeitstagung im Bundeskriminalamt Wiesbaden >Download pdf<), 1959.
Die Kriminalität des Wohlstandes (Inaugurationsrede gehalten am 14. November 1962), 1962.
Allgemeines zur Kriminologie des Rückfalls (in: Vorbeugende Verbrechensbekämpfung, Arbeitstagung im Bundeskriminalamt Wiesbaden) 1964.
Die Unzucht mit Tieren, 1968.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024 - 21:29

  • Roland Grassberger (1905–1991)

    Das Bild ist Teil der Rektorengalerie. Es entstand im Jahre 1964 (s. Signatur). Früherer Standort: Zimmer des Rektors.

    BestandgeberIn: Archiv der Universität Wien UrheberIn: Sergius Pauser Signatur: 105.P 96
    1964

Druckversion