Die Universität und der Verlauf der Wiener Revolution

1848

Die soziale und wirtschaftliche Lage im Kaiserreich Österreich wurde in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre prekär. In den Wiener Vorstädten, wo Handwerker, Tagelöhner und Arbeiter wohnten, herrschten Not und Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Verelendeten vermehrte sich durch Zuzug aus anderen Notstandsgebieten der Monarchie. In bürgerlichen Kreisen herrschten gleichermaßen Angst vor gewalttätigen Aufständen des „Lumpenproletariats“ wie vor sozialer und wirtschaftlicher Deklassierung. Zwar bildete das Universitätsstudium ein vornehmlich bürgerliches Phänomen, die Mehrzahl der Studierenden entstammte jedoch Familien des Kleinbürgertums und des niederen Beamtenstandes. Die Aussichten, durch ein Universitätsstudium ihren Status abzusichern oder gar zu verbessern, standen schlecht. Dennoch nahm der Besuch der Universität Wien nicht ab.

Stagnation und Repression im "Vormärz"

Dem absolutistischen Regime unter Staatskanzler Metternich wurde eine Bewältigung der Situation nicht mehr zugetraut. Eine liberale Opposition formierte sich zaghaft unter der Führung der bürgerlichen Intelligenz Wiens. Symptomatisch für die Erstarrung der politischen Verhältnisse im Vormärz waren die jahrzehntelangen vergeblichen Versuche, eine Universitäts- und Studienreform umzusetzen. Währendessen sank die Wiener Universität immer mehr zu einer wissenschaftlich nicht sehr bedeutenden Lehranstalt herab. Ihre Hauptaufgabe war die Erziehung nützlicher Untertanen, welche im Dienst von Staat und Kirche ihre Pflicht erfüllten. Mit Argwohn betrachtete die Regierung neue geistige Strömungen, die an deutschen Universitäten ihren Ausgang genommen hatten. Dort waren unter der Studenten- und Professorenschaft Idealismus, Liberalismus und Konstitutionalismus weit verbreitetes Gedankengut, welches auch durch Zensurmaßnahmen von Österreich nicht ferngehalten werden konnte. Ideen von Freiheit und nationaler Identität bestimmten immer mehr die Haltung Wiener Studierender und einiger Mitglieder des Lehrkörpers.

März 1848: Ausbruch der Revolution und trügerische Erfolge

Die Pariser Februarrevolution 1848 setzte ein Signal für ganz Europa. In Wien wurden die Studenten zur treibenden Kraft der revolutionären Bewegung. Eine Petition mit den studentischen Forderungen wurde am 12. März 1848 dem Kaiser übergeben. Man verlangte Pressefreiheit, Reform des höheren Unterrichts mit Lehr- und Lernfreiheit, gleiche staatsbürgerliche Rechte für Angehörige aller Konfessionen (was vor allem auf eine Gleichstellung der Juden zielte), Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und die Schaffung einer allgemeinen Volksvertretung.
Tags darauf zogen Studenten, Bürger und Arbeiter aus den Vorstädten zum niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse, wo sich die niederösterreichischen Landstände berieten. Die Situation drohte außer Kontrolle zu geraten, worauf das inzwischen aufgezogene Militär auf die weitgehend unbewaffnete Menge das Feuer eröffnete. Innerhalb und außerhalb der Stadtmauern gab es Tote und Verwundete. Dies führte zum entscheidenden Stimmungsumschwung: Das Zeughaus Am Hof wurde von der empörten Bevölkerung gestürmt, um sich zu bewaffnen, und es formierte sich eine bürgerliche Nationalgarde, in deren Rahmen die Studenten eine Akademische Legion bildeten. Mit dem Rücktritt Metternichs und der Zusage des Hofes, eine Verfassung („Constitution“) zu gewähren, wurden einige Forderungen der Revolutionäre erstaunlich rasch erfüllt.

Das Gefühl, einen großen Sieg errungen zu haben, war jedoch trügerisch: Die antirevolutionären Kräfte hatten sich noch nicht geschlagen gegeben, und der Wunsch nach politischer Mitbestimmung war im Bürgertum ebenso eine handlungsleitende Kraft wie die Furcht vor einer „sozialen Revolution“ in den Vorstädten. Die Studierenden nahmen in dieser Frage eine Vermittlerrolle ein. Die Universität, wo die Akademische Legion und das neu gebildete Studenten-Comité ihren Sitz hatten, wurde für einige Wochen zum wichtigsten politischen Zentrum der Stadt. Wegen ihres Engagements zur Lösung der drängenden sozialen Probleme standen die Legionäre bei Arbeitern und kleinen Handwerkern in hohem Ansehen. Dennoch stand die Legion abseits, als die bürgerliche Nationalgarde während der „Praterschlacht“ (23. August 1848) auf demonstrierende Erdarbeiter das Feuer eröffnete. Obwohl schon bald an den Universitäten und Hochschulen die „Lehr- und Lernfreiheit“ verkündet wurde, waren die Revolutionäre von der schließlich „oktroyierten“ Verfassung, welche ein Zensus-Wahlrecht vorsah, enttäuscht. Die Regierung verlangte von den Studierenden, sich aus allen politischen Fragen, die nicht unmittelbar die Universität betrafen, herauszuhalten, und drohte mit der Auflösung der Akademischen Legion. Diese konnte sich jedoch im Mai mit der „Sturmpetition“ (15. Mai) und dem darauf folgenden „Barrikadentag“ (26. Mai) behaupten.

Der Weg in die Niederlage

Dennoch geriet die Revolution schon bald in die Defensive. Am 24. Mai 1848 wurde der Studienbetrieb eingestellt, und viele auswärtige Studierende kehrten in ihre Heimat zurück. Unter den danach noch Anwesenden war eine radikal-demokratische Einstellung vorherrschend, was viele um ihr Eigentum und ihren Status besorgte Bürger von der Revolution abrücken ließ. Die Abschaffung der bäuerlichen Untertänigkeit (ein dauerhafter Erfolg der Revolution), die militärischen Erfolge kaiserlicher Truppen in Italien und die Niederschlagung der Revolution in Prag führten zur Isolierung Wiens. Anfang Oktober 1848 gab der Kriegsminister Latour den Befehl, Truppen vom Wiener Nordbahnhof gegen die aufständischen Ungarn zu entsenden. Dies wurde von Revolutionären mit Waffengewalt verhindert. Die daran anschließenden Kämpfe forderten einen hohen Blutzoll, wofür der Minister verantwortlich gemacht wurde. Eine aufgebrachte Menschenmenge stürmte das Ministerium und übte Lynchjustiz an Latour.

Obwohl das Studenten-Comité die Ermordung Latours verurteilte, war die Revolution nicht mehr zu retten. Kaiserliche Truppen unter Fürst Windischgrätz erhielten den Befehl, die Stadt zu besetzen, was nach kurzen und blutigen Kämpfen am 31. Oktober gelang. Das Militär besetzte das Universitätsgebäude, und die Akademische Legion wurde aufgelöst. Studenten, die in Gefangenschaft geraten waren, mussten mit der Zwangsrekrutierung für die Italienarmee rechnen.. Erst im März 1849 konnte der Studienbetrieb wieder aufgenommen werden, allerdings in weit verstreuten Gebäuden, da die Regierung die Konzentration von Studierenden innerhalb der Stadtmauern aus Angst vor einem Wiederaufflammen der Revolution vermeiden wollte.

  • Kleine Barrikade in der Schwibbogengasse

    Barrikade bei der Alten Universität mit einem Offizier der akademischen Legion, der eine Anpsrache hält. Im Publikum sieht man Studenten, Soldaten...

    BestandgeberIn: Wien Museum, Grafik- und Fotosammlung

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