Bruno Geißler, Dr. theol. h.c.

9.2.1875 – 12.12.1961
geb. in Berlin, Deutschland gest. in München, Deutschland

evangelischer Pfarrer, Theologe und 1911-1939/46 Generalsekretär des evang. Gustav-Adolf-Vereins in Leipzig

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. theol. h. c. 1921/22 Evangelisch-Theologische Fakultät

Das Ehrendoktorat wurde am 15. Juli 1922 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät beschlossen, fünf Tage bevor die bis dahin eigenständige Fakultät in die Universität Wien integriert wurde. Der Akademische Senat genehmigte der Verleihung im Oktober, damit sie am 5. November zum 60jährigen Jubiläum des österreichischen Hauptvereines der Gustav-Adolf-Stiftung verliehen werden konnte, deren Generalsekretär Bruno Geißler war.

Bruno Geißler, 1875 in Berlin geboren, studierte nach dem Abitur 1893 in Berlin und Halle Evangelische Theologie und trat dem nationalen Verein Deutscher Studenten (VDSt) bei. Nach dem ersten theologischen Examen 1897 und zwei Jahre am Predigerseminar Wittenberg, sowie vikarischem Vorbereitungsdienst in Pratau, legte er 1899 sein zweites theologische Examen ab und kam im Zuge der "Los-von-Rom-Bewegung" 1900 als Superintendentialvikar nach Wallern in Österreich.

Nach der Ordination am 28. Februar 1901 in Wallern und Heirat mit Anna Lieber in Halle, wurde er österreichischer Staatsbürger und ging 1902 für einige Zeit als Pfarrer nach Banjaluka/Bosnien [unter österreichisch-ungarischer Verwaltung] und 1907 als Pfarrer an die Nazarethkirche in Berlin.

1911 wurde er Generalsekretär des Gustav-Adolf-Vereins in Leipzig. 1915/16 war er als Feldgeistlicher Leiter der Soldaten- und Eisenbahnerheime in Polen. 1916 wurde er Konsistorialrat und Schriftleiter des Wochenblatts "Unsere Kirche". Ende 1918 kehrte er nach Leipzig zurück und kümmerte sich wieder als Generalsekretär des Gustav-Adolf-Vereins um die Herausgabe der Zeitschrift "Die evangelische Diaspora", die erstmals im April 1919 erschien

Ehrung

Die Fakultät beschloss daher am 15. Juli 1922, fünf Tage bevor die bis dahin eigenständige Fakultät in die Universität Wien integriert wurde, ihm dafür das Ehrendoktorat zu verleihen. Der Akademische Senat der Universität genehmigte die Verleihung im Oktober, damit sie am 5. November 1922, zum 60jährigen Jubiläum des österreichischen Hauptvereines der Gustav-Adolf-Stiftung verliehen werden konnte, deren Genersekretär Bruno Geißler war

Generell hat die Fakultät rund um ihr 100 Jahr Jubiläum 1921/22 "in erster Linie Personen geehrt, die sich um die evangelische Diasporaarbeit im Rahmen des Gustav-Adolf-Vereins engagiert hatten", was "eng mit dem damaligen neuen Selbstverständnis sowohl der Fakultät als auch der evangelischen Kirchen Österreichs zusammenhängen" würde, "nach dem Zusammenbruch der Monarchie erblickte man im verstreuten deutschsprachigen Protestantismus der ehemaligen Gebiete der Monarchie bzw. in Südosteuropa eine zentrale Aufgabe des eigenen Wirkens. So verstand sich die Fakultät schon beim Jubiläum 1921 in diesem Sinn als 'Grenzlandfakultät'" (Fakultätsstellungnahme 2022).

Damals arbeitete Geißler auch mit dem Deutschen Schutzbund und dem Verein für das Deutschtum im Ausland zusammen. 1938 wurde er auch Professor h.c. der reformierten Fakultät Debrecen, Ende 1939 beendete er seine Arbeit als Generalsekretär und widmete sich vorwiegend liturgischen Aufgaben.

Nach 1945 wurde er 2. Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Sachsen-Anhalt und Stadtrat in Naumburg. 1955 erschien anlässlich seines 80. Geburtstages die Festschrift "Um Diasporadienst und Diasporafragen".

Er starb am 12. Dezember 1961 in München.

Problematik

Wie er die Diasporaarbeit - auch - verstand, machte er in einem Sammelband 1938 überdeutlich, den er im Zuge des „Anschlusses“ Österreichs im März und der Eingliederung von Teilen der Tschechoslowakei („Sudenteland“) im Oktober herausgab. In der Einleitung von "An der Front. Evangelische Kämpfer des Deutschtums im Ausland" erklärt er, es gehe um den "Kampf vom Deutschtum an der Front und vom evangelischen Glauben in diesem Kampf", warum er den zehn "Lebensbildern von Männern evangelischen Glaubens aus dem Frontbereich des Deutschtumskampfes einige Worte vom evangelischen Glauben und vom Deutschtumskampf voraus [schickt]" (Geißler 1938, 9). Er lobt die damalige politische Entwicklung, da sie den politischen Glauben fördere und damit auch den evangelischen Glauben und er variiert Martin Luthers Worte über die Kirche zu: "heut weiß gottlob, ein Kind von sieben Jahren, was der Glaube sei. Jeder Hitlerjunge weiß es und jeder SA-Mann; er weiß es vom politischen Glauben" (Geißler 1938, 9). Er propagiert Adolf Hitler als von Gott gesandt und die Vereinbarkeit von nationalsozialistischem und evangelischem Glauben, dass es "eine seelische Einheit sein kann, an den wahren und wirklichen Gott zu glauben und zugleich mit voller Inbrunst dem großen Manne Vertrauen zu schenken, den Gott in der Stunde höchster Not dem deutschen Volke sandte. Sie haben sich auch mit dem Führer selbst auseinanderzusetzen, der keinen Zweifel daran läßt, dass er sich als Geführter des ewigen Führers der Geschichte weiß." (Geißler 1938, 10). Zusammenfassend betont er nochmals, dass "die Deutschheit und die Christlichkeit unserer evangelischen Deutschtumskämpfer" einander nicht untergeordnet, sondern gleichwertig bzw. gleich seien, dass es um die "Ganzheit innerer Haltung" gehe, dass "Gott, der uns schuf, als deutsche Menschen schuf und im deutschen Volk unsere Aufgabe stellte" und das der deutsche "Lebenskampf … auch auf der Front des Volkstumsstreits an der Grenze und in der Diaspora Bewährung unseres evangelischen Christenstandes" sei. Die Nachkriegsordnung des Ersten Weltkrieges und die daraus neu entstandenen Nationalstaaten bezeichnet er – soferne "Volksdeutsche" in ihnen leben – als unehrlich, künstlich, zufällig, von außen gemacht, nicht von innen gewachsen, und dem stehe "die deutsche Haltung im Kampf um unsere Volksgrenzen gegenüber, die durchweg defensiv ist, während unsere Gegner Agressive üben."  Als Beweis dafür zitiert er, Adolf Hitlers Reichstagsrede von 1933 und die Rede von Gauleiter Bürckel in Wien 1938 über den Umgang mit nationalen Minderheiten "die Deutsche Regel für das Völkerleben [gelte], die jener Goldenen Regel entspricht: Volkstum ist höchstes, unveräußerliches Gut wie bei uns so bei den anderen." Mit dem Hinweis, dass sich hierin "eine schöne Frucht der tausendjährigen Erziehung unseres Volkes durch die Predigt von Christus [zeige], dazu die vierhundertjährige Zucht, die von der Erneuerung der Kirche unseres Volkes durch Luther und die Seinen" ausginge und ruft abschließend die Gläubigen auf, den im Buch aufgezeigten Vorbildern zu folgen und "zu evangelischen Kämpfern des Deutschtums an allen Fronten" (Geißler 1938, 20) zu werden.

Über die Einordnung, ob diese Ehrung angesichts der Biografie allenfalls als „problematisch“ oder „diskussionswürdig“ zu erachten wäre, bestand 2022/23 kein Konsens mit der verleihenden Fakultät und konnte vorerst mangels ausstehender primärquellenbasierter Forschungen noch keine endgültige Entscheidung getroffen werden. Die Klärung bleibt ein Forschungsdesiderat.

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 19.12.2023 - 23:26