Heinrich Kahr (Katz), Univ.-Prof. Dr. med.
Funktionen
Dekan*in | Medizinische Fakultät | 1946/47 |
- Medizin
- Gynäkologie
- Geburtshilfe
- Medizinische Fakultät
Heinrich Katz (später Kahr) wurde 1888 in Linz geboren. Er besuchte das Gymnasium in Salzburg und Wien und studierte nach der Reifeprüfung Medizin an der Universität Wien. Von Herbst 1911 bis Sommer 1913 war er als Hospitant an der II. Medizinischen Universitäts-Klinik im Allgemeinen Krankenhaus bei Norbert Ortner tätig. Am 18. Mai 1914 wurde er an der Universität Wien zum Doktor der Medizin promoviert. Anschließend arbeitete er als Aspirant und supplierender Sekundararzt im Wilhelminenspital (heute: Klinik Ottakring) bis Kriegsbeginn. Im Ersten Weltkrieg war Katz Batallionsarzt – für seinen Einsatz im Feld wurde er später u.a. mit dem Bronzenen Signum laudis mit den Schwertern, dem Ritterkreuz des Franz-Josef-Ordens mit den Schwertern am Bande und dem Ehrenzeichen vom Roten Kreuz ausgezeichnet.
Im Frühjahr 1917 wurde Katz dem Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Wien unter Albin Haberda zugeteilt, wo er zunächst außerordentlicher Assistent und 1920 ordentlicher Assistent wurde. Ab 1918 veröffentlichte er auch erste wissenschaftliche Artikel zur gerichtsmedizinischen Untersuchung von Todesursachen.
Bereits 1919 veröffentlichte Katz einen Artikel über „Gelungene Verheimlichung der Schwangerschaft vor der Mutter oder Mitschuld derselben am Tode des Neugeborenen?“ (in: Beiträge zur gerichtlichen Medizin, III. Band 1919). Verstärkt ab 1921 behandelte er in seinen gerichtsmedizinischen Artikeln Fälle mit Bezug zur Gynäkologie, besonders Abtreibungen durch nicht ausgebildete Personen und deren medizinische Folgen.
1921 war Heinrich Katz Operationszögling an der II. Chirurgischen Universitätsklinik unter Julius Hochenegg. Jedoch bereits Anfang 1922 wechselte er als Assistent an die I. Frauenklinik. Die von Heinrich Peham geleitete, 1904–1908 errichtete I. Frauenklinik auf dem Areal der „Neuen Kliniken“ (Spitalgasse 23) umfasste u.a. auch eine geburtshilfliche und gynäkologische Instrumentensammlung, ein Laboratorium, eine gynäkologische Ambulanz, eine Ambulanz für Schwangere mit Schwangerenberatung, eine Ambulanz für lueskranke Schwangere und Kinder, eine urologische Ambulanz sowie Einrichtungen für Strahlenbehandlung und Röntgenuntersuchungen.
Bei seinem Lehrer Peham habilitierte sich Heinrich Katz am 29. Mai 1926 mit der Schrift „Der Abstand zwischen vorderem oberen Darmbeinstachel und grossem Rollhügel als Maßstab in der Geburtsprognose des rachitisch-platten Beckens“ (Wr. Klinische Wochenschrift 1925, Nr. 23) an der Universität Wien für Geburtshilfe und Gynäkologie. Er lehrte fortan als Privatdozent.
Mit Pehams Tod 1930 endete Katz‘ reguläre Assistentenstelle, er war jedoch weiterhin als außerordentlicher Assistent an der I. Frauenklinik tätig. Die Professur Pehams, verbunden mit der Leitung der I. Frauenklinik, blieb über mehrere Jahre vakant.
Heinrich Katz – 1933 änderte er seinen Namen in Kahr – übernahm 1930 die provisorische Leitung der III. Geburtshilflichen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus, mit der auch die Niederösterreichische Landesgebärklinik, sowie die Hebammenlehranstalt verbunden war. Aus Einsparungsgründen wurde 1934 die Schließung sowohl der I. als auch der III. Frauenklinik inkl. Hebammenlehranstalt diskutiert. Im April 1934 übernahm jedoch Heinrich Kahr zusätzlich die Leitung Hebammenlehranstalt, die aus der Verwaltung der NÖ Landesregierung ausgeschieden und ins AKH eingegliedert wurde. Der Bestand der III. Frauenklinik mit Hebammenlehranstalt war so vorerst gesichert, während die einst von Peham geleitete I. Frauenklinik Ende 1934 geschlossen wurde. Als Leiter der Hebammenlehranstalt richtete Kahr mit Unterstützung des Medizinhistorikers Max Neuburger hier einen Gedenk- und Ausstellungsraum für Ignaz Semmelweis ein.
Als im Juli 1935 gegen den Vorstand der II. Frauenklinik, Wilhelm Weibel, eine Disziplinaruntersuchung eingeleitet wurde, übernahm Kahr zusätzlich die provisorische Leitung dieser Klinik. Nachdem Weibel wenige Monate später auf seinen Posten zurückgekehrt war, wurde die I. Frauenklinik wiedereröffnet und Kahr zu dessen Vorstand ernannt. Im Februar 1936 hielt er seine Antrittsvorlesung als neuernannter außerordentlicher Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie. Mit Kahr wechselte auch der Assistent Tassilo Antoine von der II. an die I. Frauenklinik.
Kahr verfasste über 80 Fachbeiträge zu verschiedenen Bereichen der Gynäkologie, die vor allem in medizinischen Fachzeitschriften erschienen. In einem 1936 gehaltenen Vortrag vor dem Akademischen Verein für medizinische Psychologie widmete er sich auch der „Bedeutung der Psychologie für die gynäkologische Diagnostik und Therapie“.
Kahr war jedoch auch abseits der Universität in der Volksbildung aktiv. 1937 hielt er speziell an ein weibliches Publikum gerichtete Vorträge über „Die Wechseljahre der Frau“ und „Sexualhygiene“ im Volksheim Ottakring sowie über „Die Frau von fünfzig Jahren“ in Verein Frauenschaft. Anfang März 1938 fand sein letzter Vortrag in der Wiener Urania über „Der Körperbau des Weibes im Lichte seiner Leistungen“ statt.
Als neu gewählter Präsident der Wiener gynäkologischen Gesellschaft führte Heinrich Kahr noch am 15. Februar 1938 den Vorsitz bei der Festsitzung anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Gesellschaft. In seiner Begrüßungsrede führte er in die Geschichte der Gynäkologie als eigene Disziplin (Abspaltung von Chirurgie) ein.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 galt Heinrich Kahr jedoch nach den NS-Rassengesetzen als „Mischling 2. Grades“. Er wurde am 22. April 1938 aus rassistischen Gründen zunächst beurlaubt und mit 28. Mai 1938 zwangspensioniert. Er wurde 1939 für ein Jahr zum Dienst in der Wehrmacht einberufen und führte anschließend bis Kriegsende eine Privatordination als Gynäkologe in Wien.
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 wurde Heinrich Kahr als Vorstand der II. Frauenklinik an die Universität Wien zurückberufen und zum ordentlichen Professor ernannt. Als das Staatsamt (später Ministerium) für Unterricht im August 1945 mit der politischen Überprüfung und Entnazifizierung des Lehrkörpers der Universität Wien begann, gehörte Kahr als stellvertretender Beisitzer der Sonderkommission I. Instanz an, die über eine mögliche Weiterverwendung der „belasteten“ Professoren an der Universität Wien entschied.
Im November 1945 zählte Kahr zu den Gründungmitgliedern der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft, die die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder fördern sollte, und wurde auch in deren Exekutivausschuss gewählt.
Die Medizinische Fakultät wählte ihn für die Studienjahre 1946/47 und 1947/48 zu ihrem Dekan. Heinrich Kahr starb jedoch vor Beginn seiner zweiten Amtszeit am 7. September 1947 in Wien. An seiner Stelle übernahm Walther Schwarzacher das Amt des Dekans. Kahr wurde am Döblinger Friedhof in Wien bestattet.
Seit 2009 wird im „Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938“ an ihn erinnert.
Werke (Auswahl)
gem. mit Heinrich Peham: Die instrumentuelle Perforation des graviden Uterus und ihre Verhütung, 1926.
gem. mit H. Heidler: Geburtshilfe und Gynäkologie (in: Therapie an der Wiener Klinik, 1929).
Konservative Therapie der Frauenkrankheiten, 1934 (7. Aufl. 1946).
Die Geburt in Deflexionshaltung des Kopfes, ihre Erkennung und Behandlung (in: Wiener Medizinische Wochenschrift, 1934, Nr. 16, S. 430 –433).
Über Mastitis Puerperalis (in: Wiener Medizinische Wochenschrift, 1936, Nr. 14, S. 369–372.)
Archiv der Universität Wien, Senat S 304.588 (Personalbogen); Senat S 305.131 (Nekrolog).
> Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938
> Wien Geschichte Wiki (abgerufen am 18.04.2025)
> Österreichisches Biographisches Lexikon (abgerufen am 18.04.2025)
Zuletzt aktualisiert am 12.06.2025 - 09:43
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Antrittsvorlesung von Heinrich Kahr, Februar 1936
Antrittsvorlesung von Prof. Heinrich Kahr als neuem Leiter der Ersten Frauenklinik in Wien. Unter den Zuhörern (v.l.n.r.) Dekan Prof. Wilhelm Kerl ,...
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Das Professorenkollegium der Wiener medizinischen Fakultät, Sommersemester 1936
01 Arzt, Leopold (16.03.1883-20.05.1955; Dermatologie und Syphilidologie) 02 Meller, Josef (22.10.1874-23.11.1968; Augenheilkunde) 03 Durig, Arnold (...
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Zeitungsanzeige: "Prof. Dr. Kahr ordiniert wieder", aus: Neues Wiener Tagblatt, 11.11.1944
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Zeitungsbericht: "Professor Dr. Kahr in Wien gestorben", in: Wiener Kurier vom 8. September 1947