Heinrich Siegel, Univ.-Prof. Dr.

13.4.1830 – 4.6.1899
geb. in Ladenburg am Neckar, Deutschland gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1902 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1867/68
Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1873/74
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1878/79

Heinrich Siegel, Sohn des badischen Generalstabsarztes Joseph Siegel und dessen Ehefrau Magdalena, absolvierte zunächst das Gymnasium in Bruchsal und besuchte ab 1847 das Lyceum in Heidelberg sowie historische, philosophische und literaturwissenschaftliche Vorlesungen an der dortigen Universität. 1849 nahm er ein rechtwissenschaftliches Studium an der Universität Heidelberg auf, das er im Folgejahr an der Universität Bonn fortsetzte. 1850 trat er hier der Burschenschaft „Frankonia“ bei. Zurückgekehrt nach Heidelberg gewann sein Beitrag über das deutsche Erbrecht nach Sachsen- und Schwabenspiegel 1851 die Karl-Friedrich-Medaille der Heidelberger Juridischen Fakultät. An der Universität Gießen erweiterte Siegel die Arbeit zu einer Dissertation und promovierte 1852 damit zum Doktor der Rechtswissenschaften. Bereits 1853 erfolgte mit der Schrift „Germanische Verwandtschaftsberechnung“ seine Habilitation für Deutsches Recht an der Universität Gießen.

Nachdem er einige Jahre als Privatdozent an der Universität Gießen gelehrt hatte, als Katholik jedoch an den protestantischen Universitäten Deutschlands kaum Aufstiegschancen hatte, folgte er 1857 einer Berufung zum außerordentlichen Professor an die Universität Wien. Hier hatte Unterrichtsminister Leo Thun-Hohenstein begonnen, insbesondere die rechtshistorischen Disziplinen zu fördern und eine entsprechende Studienordnung für die Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultäten Österreichs erlassen. Heinrich Siegel erhielt das neugeschaffene Extraordinariat für deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte und deutsches Privatrecht. Nachdem Siegel 1862 eine Berufung an die Universität Tübingen abgelehnt hatte, wurde er im selben Jahr an der Universität Wien zum ordentlichen Professor ernannt (Emeritierung 1898).
Neben seinen Vorlesungen über Deutsche Rechtsgeschichte, Deutsches Privatrecht und Geschichte des Strafrechts hielt er ab 1871 das Seminar „Germanistische Gesellschaft“ ab. Zu seinen Schülern zählten u. a. Arnold Luschin-Ebengreuth und Ernst von Schwind.

An der Universität Wien fungierte Heinrich Siegel in den Studienjahren 1867/68 und 1873/74 als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und 1878/79 als Rektor. 1863 wurde er zum Mitglied, 1873 zum Vizepräses der Rechtshistorischen Staatsprüfungskommission ernannt.

Heinrich Siegel gilt als Begründer der Wiener Schule der österreichischen Rechtshistoriker. Seine wissenschaftlichen Arbeiten widmeten sich verschiedenen Bereichen der mittelalterlichen deutschen Rechtsgeschichte, so etwa dem Erbrecht, dem ehelichen Güterrecht, dem Gerichtsverfahren, dem Rechtsgang sowie dem österreichischen Landrecht und dem kanonischen und langobardischen Recht. An der Wiener Akademie der Wissenschaften initiierte und leitete Siegel ab 1864 eine Kommission zur Edition mittelalterlicher Rechtsquellen in der Reihe „Österreichischen Weisthümer“. Gemeinsam mit dem Germanisten Karl Tomaschek gab er 1870 den ersten Band „Die Salzburgischen Taidinge“ heraus. Als wichtigste historisch-dogmatische Schrift Siegels gilt die Studie „Das Versprechen als Verpflichtungsgrund im heutigen Recht“. 1886 fasste er seine rechthistorischen Forschungen in dem Lehrbuch „Deutsche Rechtsgeschichte“ zusammen.

Für seine Leistungen wurde Heinrich Siegel vielfach geehrt. Dem Gelehrtenausschuss des Germanischen Museums in Nürnberg gehörte er seit 1861 als ordentliches Mitglied an. 1862 wurde er als korrespondierendes sowie im Folgejahr als 1863 wirkliches Mitglied in die der philosophisch-historische Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien aufgenommen, übernahm zudem 1874 das Amt des Sekretärs, 1875 des Generalsekretärs der Akademie und 1898 des Vizepräsidenten. Auch zahlreiche internationale Gesellschaften nahmen ihn als Mitglied auf, so die Bayerische Akademie der Wissenschaften (korrespondierendes Mitglied 1873, auswärtiges Mitglied 1886), die Royal Historical Society in London (Ehrenmitglied 1877) sowie die Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften in Prag (auswärtiges Mitglied 1879). Siegel wurde 1880 der Hofratstitel, 1890 das Ritterkreuz des Leopold-Ordens und 1898 das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens mit Stern verliehen. Seit 1891 war er Mitglied des Herrenhauses (großdeutsches Lager).

Ein Jahr nach seiner Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen 1898 starb er 1899 in Wien und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.
Ein bereits zu seinen Lebzeiten 1892 von der Künstlerin Melanie Horsetzky von Hornthal gestaltetes Denkmal wurde 1902 von der Witwe Siegels, Rosa Siegel (geb. von Löhner), der Universität Wien gespendet und im Arkadenhof der Universität aufgestellt.

Werke (Auswahl)

Das deutsche Erbrecht nach den Rechtsquellen des Mittelalters, in seinem innern Zusammenhange dargestellt (Dissertation), 1853. 
Die germanische Verwandtschaftsberechnung mit besonderer Beziehung auf die Erbenfolge (Habilitationsschrift), 1853. 
Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens, 1857 (nur Band 1 erschienen). 
Zwei Rechtshandschriften des Wiener Stadtarchives (Sylvesterspende), 1858.
Hg. mit Karl Tomaschek: Die salzburgischen Taidinge, 1870.
Das Versprechen als Verpflichtungsgrund im heutigen Recht. Eine germanistische Studie, 1873. 
Deutsche Rechtsgeschichte. Ein Lehrbuch, 1886 (3. Auflage 1895).

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 02.04.2024 - 22:56

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