Marianne Beth (geb. Weisl), Dr. phil. Dr. jur.

6.3.1890 – 19.8.1984
geb. in Wien, Österreich gest. in New York City, Vereinigte Staaten

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Tor der Erinnerung 2023

Marianne Beth, geb. Weisl, wurde 1890 in Wien als Tochter des Juristen Ernst Franz Weisl und der Lehrerin Charlotte (geb. Michlup) geboren, maturierte 1908 und begann an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien Orientalistik zu studieren, da in den Rechtswissenschaften, ihrer ersten Studienwahl, Frauen damals noch nicht zugelassen wurden. Während des Studiums heiratete sie 1911 den um 18 Jahre älteren Religionswissenschaftler und Universitätsprofessor Karl Beth (1872–1959) und trat vom Judentum zum Protestantismus über. Im Juni 1912 kam ihr Sohn Erich zur Welt und am 22. November 1912 promovierte sie nach Approbation ihrer Dissertation über „Eigentumsveränderungen im israelitischen und babylonischen Recht“ zur „Dr.phil.“. 1916 wurde ihre Tochter Eleonore geboren und als das Jusstudium 1919 für Frauen zugänglich gemacht wurde, absolvierte sie dieses Studium in kürzester Zeit und promovierte als erste Frau in Österreich am 13. Juni 1921 zur “Dr. jur.“.

Nach der Gerichtspraxis 1921 trat sie 1922 in die Kanzlei ihres Vaters ein, legte 1924 die Rechtsanwaltsprüfung und bald darauf die Staatsprüfung für Englisch ab und wurde als Gerichtsdolmetscherin am Wiener Oberlandesgericht zugelassen. Am 3. Juli 1928 erfolgte ihre Eintragung als Rechtsanwalt in Wien (erste Rechtsanwältin Österreichs). Nach dem Tod des Vaters 1931 führte sie gemeinsam mit ihrem Bruder Dr. Georg Weisl die Kanzlei am Schottenring 10 weiter.

Daneben engagierte sie sich in mehreren Vereinen für die österreichische Frauenbewegung, insbesondere im Kontext der rechtlichen Gleichstellung der Frau und war Marianne Beth war äußert produktiv publizistisch tätig.

Marianne Beth hatte eine Fülle an Funktionen inne: So war sie an der Gründung eines Kreditinstituts und eines Zentralrats für geistige Arbeiter ebenso beteiligt wie an der Gründung eines Mütterheims. 1927 war sie Begründerin der Österreichischen Frauenorganisation. 1929 war sie Mitbegründerin des österreichischen Zweigs der Internationale Vereinigung berufstätiger Frauen. Ferner war sie Mitglied und Sekretärin der Gesellschaft der Freunde (Quäker), Generalsekretärin des Internationalen Anwaltsverbands, im Vorstand des Bunds Österreichischer Frauenvereine und der Internationalen Vereinigung berufstätiger Frauen (Zweig Österreich), Präsidentin der Österreichischen Frauenorganisation, sowie Präsidentin des Soroptimisten-Clubs. Sie trat vielfach als Rednerin auf Kongressen und Tagungen auf, machte nationale und internationale Vortragsreisen und war auch publizistisch sehr aktiv. Sie beschäftigte sich aber auch mit religionspsychologischen Themen und wurde 1930 als erste und einzige Frau mit dem Preis der Berliner Kant-Gesellschaft ausgezeichnet für eine Studie zur Psychologie des Glaubens.

Als Präsidentin der Vereinigung der berufstätigen Juristinnen Österreichs organisierte sie 1936 in Wien eine internationale Tagung der Fédération Internationale des Femmes Magistrats et Advocats. Marianne Beth trat ein für die uneingeschränkte Öffnung aller akademischen Berufe für Frauen und für die uneingeschränkte Berufstätigkeit der Frau, auch der Verheirateten.

Zu ihren Werken zählen u.a. Neues Eherecht. Eine rechtsvergleichende Studie mit besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebung von Deutschland, der Schweiz, Österreich, (Wien/Leipzig 1925), Dr. jur. et phil. Marianne Beth, Advokatin, Wien. In: Führende Frauen Europas. In 16 Selbstschilderungen (München 1928), Psychologie des Glaubens (Wien 1930), Das Recht der Frau (Wien 1931)

Im Nationalsozialismus wurde Marianne Beth als konvertierte Jüdin verfolgt, konnte nicht mehr als Rechtsanwältin und auch nicht mehr als Gerichtsdolmetscherin arbeiten und wurde schließlich im Dezember 1938 aus der Rechtsanwaltsliste gelöscht. Ihr Mann, aufgrund der Ehe mit ihr, von der Universität entlassen. Die Familie flüchtete in die USA, wo Marianne Beth nicht mehr als Anwältin arbeitete, sondern mit Finanzierung des Oberlaender Trusts 1939–42 als visiting lecturer für Soziologie und Deutsch am Reed College in Portland, Oregon, lehrte.

Danach arbeitete sie in einem Mädchenkinderheim und war Mitarbeiterin mehrerer soziologischer und sozialpsychologischer Fachzeitschriften. 1944 erwarb sie die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ab 1955 war sie stellvertretende Leiterin des Universal Translation Bureau in Chicago und danach dort in der Ölindustrie tätig. Ihre wissenschaftliche Karriere war mit dem Nationalsozialismus zu Ende.

Sie starb 1984 in Cresskill, NY (USA)

2021 wurde der „Marianne Beth Preis zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in Österreich“ vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gestiftet, 2023/24 beschloss der Senat der Universität Wien, das 1998 nach ihrem Mann benannte "Tor der Erinnerung" am Campus der Universität im Zuge der Neugestaltung zu erweitern und es zur Ehrung von Marianne Beth auch nach ihr zu benennen (Beth-Tor, Durchgang zwischen Spitalgasse - Hof 1).

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 29.02.2024 - 23:04

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