Theodor Piffl-Perčević, Dr.

17.9.1911 – 22.12.1994
geb. in Meran, Südtirol, Italien gest. in Graz, Österreich

Jurist, Politiker (ÖVP), Unterrichtsminister

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrensenator*in sen.h.c. 1969/70 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Theodor Piffl-Perčević, geboren 1911 in Meran als Sohn eines Generalstabsoberst der k.u.k. Armee, auch die Mutter kam aus einer Offiziersfamilie (die aber ohne männliche Nachkommen blieb, weshalb ihn 1942 ein Bruder seiner Mutter adoptierte und er den Namen Perčević zur Erinnerung an ein Adelsgeschlecht, das durch Jahrhunderte an der kroatischen Militärgrenze gekämpft hatte, annahm). Er studierte an der Universität Graz Geschichte und Rechtswissenschaften und promovierte 1937 zum Dr. jur. Er wurde 1937 und erneut 1939 verhaftet und 1939 auch verurteilt, diesmal wegen öffentlicher Kritik am Hitler-Mussolini-Abkommen bezüglich Südtirols. Da er die „Optione“ in Südtirol als „Menschenhandel“ kritisierte, wurde er anschließend zum Kriegsdienst in ein Strafbataillon der Deutsche Wehrmacht einberufen.

Ab 1945 war er für die ÖVP in der Kammer für Land- und Forstwirtschaft der Steiermark mit Sitz in Graz tätig (zuletzt stv. Kammeramtsdirektor). 1960–1969 war er Nationalratsabgeordneter, vom April 1964 bis Juni 1969 war er als Nachfolger Heinrich Drimmels außerdem als Unterrichtsminister der für die Universitäten zuständige Minister in der großkoalitionären Bundesregierung Klaus I und in der ÖVP-Alleinregierung Klaus II. Als Unterrichtsminister trat er zurück, nachdem es ihm nicht gelungen war, sein wichtiges Ziel der Einführung eines 13. Schuljahrs an höheren Schulen durchzusetzen. In seine Amtszeit als Minister fiel auch die Affäre um den antisemitischen und nationalsozialistischen Wirtschaftshistoriker an der Hochschule für Welthandel (Wirtschaftsuniversität) Prof. Taras Borodajkewycz, gegen dessen Zwangspensionierung (bei vollen Bezügen), er mit politischen, publizistischen und rechtlichen Mitteln jahrelang Widerstand leistete. Trotz heftiger öffentlicher und medialer Proteste bis in den Nationalrat hinein. Letztendlich führten die Auseinandersetzungen um Borodajkewycz zum ersten politischen Todesopfer der Zweiten Republik. Am selben Tag, an dem Ernst Kirchweger von einem Anhänger Borodajkewyczs erschlagen wurde, weigerte sich Piffl-Perevic in der parlamentarischen Fragestunde als zuständiger Minister Borodajkewycz vom Dienst als Hochschullehrer zu suspendieren. Der spätere Bundespräsident Heinz Fischer führte dazu 1966 aus, man könne

„Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic den Vorwurf nicht ersparen, daß er durch seine Weigerung, von dem ihm auf Grund der Gesetze, unter voller Wahrung der Verfassung und der Rechtsstaatlichkeit zustehenden Recht auf vorläufige Suspendierung des T. B. (Taras Borodajkewycz) Gebrauch zu machen, ein zumindest sehr mißverständliches Beispiel gegeben und eine Verantwortung auf sich geladen hat, die er weder zu tragen in der Lage, noch zu tragen berechtigt war“ (Fischer 1966, 10)

In seine Amtszeit fiel auch die Verleihung des Förderungspreises im Rahmen des Staatspreises für Literatur im März 1968 an den Schriftsteller Thomas Bernhard. In seiner legendären Dankesansprache formulierte Bernhard „Der Staat ist ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern, das Volk ein solches, das ununterbrochen zur Infamie und zur Geistesschwäche verurteilt ist.“, was Piffl-Percevic als „Beleidigung Österreichs“ auffaßte und die Veranstaltung unter Protest verließ, eine weitere Preisverleihung an Bernhard absagte (was dieser später literarisch pointiert verarbeitete).

Piffl-Perčević war nach seinem Ausscheiden aus der Politik bis 1989 Präsident der von Kardinal König und dem orthodoxen Metropoliten Michael begründeten ökumenischen Stiftung „Pro Oriente“ (zuletzt Ehrenpräsident).

Ehrungen

Er wird am 16. April 1970 von der Universität Wien zum Ehrensenator ernannt, 1976 von der Universität Salzburg und 1977 zum Ehrendoktor der Universität Klagenfurt. Weiters wurde er auch mit dem Ehrenring des Landes Steiermark ausgezeichnet.

Problematik

Durch das Agieren von Theodor Piffl-Perčević als Unterrichtminister in der Affäre um den nationalsozialistischen Historiker Taras Borodajkewycz 1965, gegen dessen Entlassung er lange und hinhaltenden Widerstand leistete, war er mitverantwortlich für das erste politische Todesopfer der Zweiten Republik: von einem mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden Studenten und Befürworter Borodajkewyczs wurde auf einer Gegendemonstration der Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger erschlagen.

Über die Einordnung, ob diese Ehrung angesichts der Biografie allenfalls als „diskussionswürdig“ zu erachten wäre, bestand 2022/23 kein Konsens mit der verleihenden Fakultät und konnte vorerst mangels ausstehender primärquellenbasierter Forschungen noch keine endgültige Entscheidung getroffen werden. Die Klärung bleibt ein Forschungsdesiderat.

Archiv der Universität Wien, Rektorat GZ 210/4/51 ex 1961/62 (= S 199.03.51)

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 24.08.2023 - 18:05

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