Adolf Julius Merkl, o. Univ.-Prof. Dr. jur.

23.3.1890 – 22.8.1970
geb. in Wien, Österreich gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1990 Rechtswissenschaftliche Fakultät

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1934/35

Geboren in Wien verbrachte Merkl – infolge der Berufstätigkeit seines Vaters als Beamter der Forstverwaltung – die Kindheit in Naßwald an der Raxalpe (NÖ), wo er auch die Volksschule besuchte. Das Gymnasium besuchte er zunächst in Wien (Piaristengymnasium in der Josefstadt, 1900-06), später in Wr. Neustadt. Nach der Matura (1908) und trotz des frühen Todes des Vaters (1909) absolvierte Merkl das juristische Studium an der Universität Wien (Dr. jur. 1913), wobei ihn Edmund Bernatzik und Hans Kelsen beeindruckten. Nach der Gerichtspraxis trat er 1915 in den Verwaltungsdienst der Stadt Wien ein und kam später ins Handelsministerium (1917), ins Sozialministerium (1918) und zuletzt ins staatsrechtliche Büro des Ministerratspräsidiums (1918). Als Familienerhalter für seine an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leidenden Mutter blieb Merkl die Versetzung in den aktiven Militärdienst im I. Weltkrieg erspart.

Merkl war Teilnehmer im Seminar Kelsens (ab 1914), wo staatsrechtliche und rechtstheoretische Probleme erörtert wurden. Mit seinen Überlegungen insbesondere zum Stufenbau der Rechtsordnung wurde Merkl zum Mitbegründer der neuen wissenschaftlichen Betrachtungsweise des Rechts, die unter der Bezeichnung „Reine Rechtslehre“ oder „Wiener Rechtstheoretische Schule“ weltweit bekannt wurde und es bis heute ist. 1916 erschien sein Aufsatz „Zum Interpretationsproblem“, 1918 jener über „Das doppelte Rechtsantlitz“. Von 1914/15 bis in die 1930er Jahre war Merkl als Vortragender in der Wiener Volksbildung engagiert; er hielt vor allem Vorlesungen zum Verfassungs-, zum Verwaltungs- und zum Staatsrecht.

In den Jahren 1918 bis 1921 wurde Merkl in der Staatskanzlei/Verfassungsdienst ein enger Mitarbeiter von Staatskanzler Karl Renner und war maßgeblich an den Vorarbeiten zum Bundes-Verfassungsgesetz von 1920, der im Kern bis heute in Österreich geltenden Verfassung, beteiligt – also auch in diesem Bereich arbeiteten Kelsen und Merkl zusammen; der erste Kommentar zur neuen Verfassung wurde von Kelsen, Merkl und Georg Froehlich (dem Leiter des Verfassungsdienstes der Staatskanzlei) herausgegeben.

1919 habilitierte sich Merkl an der Universität Wien mit dem Werk „Die Verfassung der Republik Deutschösterreich“; dabei wurde er ua von Bernatzik und Kelsen gefördert. 1920/21 erlangte Merkl die Stelle eines ao. Professors, 1930 die eines tit. o. und 1932 eines o. Professors an der Universität Wien. Im Jahr 1927 erschien sein Buch „Allgemeines Verwaltungsrecht“, 1929 die „Lehre von der Rechtskraft“ und 1931 die „Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaus“.

Der seit 1929 mit der Juristin Dr. Edith Wieninger verheiratete Merkl – die Ehe blieb kinderlos – hatte nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Reinen Rechtslehre, insbesondere durch seine Überlegungen zur Stufenbaulehre, zur Theorie von der Rechtskraft und zur Lehre vom Fehlerkalkül; Kelsen und er blieben auch nach dessen Fortgang ins Exil und über alle politischen Umbrüche hinweg freundschaftlich miteinander verbunden. Merkls lebenslange überzeugt demokratische Gesinnung – ohne einer politischen Partei anzugehören – hinderte ihn nicht, sich mit der Rechtsordnung des Ständestaates auf Grundlage der Verfassung von 1934 wissenschaftlich zu befassen, ohne sich jedoch den neuen politischen Verhältnissen anzudienen; 1935 erschien dazu sein Buch „Die ständisch-autoritäre Verfassung Österreichs“. Obgleich er lange Zeit für einen Anschluss Österreichs an ein demokratisches Deutschland eingetreten war, erklärte Merkl den 1938 erfolgten „Anschluss“ an NS-Deutschland für rechtswidrig.

1938 wurde Merkl im Zuge der nationalsozialistischen Säuberungsaktionen von seinem Posten an der Universität Wien zunächst beurlaubt, 1939 in den dauernden Ruhestand versetzt. Zunächst als „Helfer in Steuersachen“ tätig, konnte er 1941 vertretungsweise in Tübingen eine Professur erlangen, musste sich aber jeglicher Bezugnahme auf politische oder staatsrechtlich-aktuelle Fragen enthalten. Trotz seiner Weigerung, der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen beizutreten, wurde er 1943 ebendort zum Professor bestellt. 1945 durfte Merkl als einer der wenigen „Unbelasteten“ seine Lehrtätigkeit in Tübingen fortsetzen.

Im Jahr 1950 konnte Merkl – der abseits der Juristerei sein Leben lang vehement gegen den Alkohol und für die Erhaltung der Natur eintrat – an seine Heimatuniversität Wien zurückkehren. Mit seiner Gattin bewohnte er – sowohl beruflich als auch privat einen bescheidenen Stil pflegend – ein kleines Haus beim Heiligenstädter Pfarrplatz. An der Wiener Rechtsfakultät wirkte Merkl bis 1961 als o. Professor; auch nach seiner Emeritierung hielt er bis 1965 Lehrveranstaltungen und blieb er literarisch tätig. 

20 Jahre nach seinem Tod wurde 1990 im Arkadenhof des Hauptgebäudes der Universität Wien ein Denkmal für Adolf Merkl (Porträtrelief, modelliert von Ferdinand Welz) enthüllt.

Klaus Zeleny

Zuletzt aktualisiert am 22.12.2023 - 22:03

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