Hans Tietze, ao. Univ.-Prof. Dr. phil.

1.3.1880 – 11.4.1954
geb. in Prag, Tschechische Republik gest. in New York, Vereinigte Staaten

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal „Vertriebene Kunsthistoriker*innen“ 2008/09 Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Tor der Erinnerung Tietze-Tor 2023/24 Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Der Senat der Universität Wien beschloss im November 2023 im Zuge der Neugestaltung der „Tore der Erinnerung“ Hans Tietze für seine wissenschaftlichen Verdienste im Bereich der Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Museumsreorganisation sowie seine Frau Erica Tietze-Conrat für ihre Verdienste im Bereich der Kunstgeschichte durch die Benennung dieses „Tores der Erinnerung“ nach beiden zu ehren.

In November 2023, as part of the redesign of the "Gates of Remembrance", the Senate of the University of Vienna decided to honor Hans Tietze for his academic achievements in the field of art history, monument preservation and museum reorganization and his wife Erica Tietze-Conrat for her achievements in the field of art history by naming this "Gate of Remembrance" after both of them.

Hans TIETZE, geb. am 1. März 1880 in Prag, gest. am 13. April 1954 in New York/USA, war Privatdozent (ao. Prof.) für Kunstgeschichte (Mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte) an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.

Hans Tietze, Sohn eines Rechtsanwalts in Prag, besuchte das Gymnasium in Prag und dann in Wien (Schottengymnasium) und erlernt neben Deutsch auch Englisch, Französisch, Italienisch, Latein und Griechisch. Er begann 1898 ein juridisches Studium an der Universität Wien, wechselt aber bereits 1899 zu Kunstgeschichte und Geschichte und leistet parallel Militärdienst als Einjährig- Freiwilliger. Danach absolviert er 1901-03 parallel zum Kunstgeschichtestudium auch den Lehrgang des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung und promoviert bereits am 16. Juni 1903 zum Doktor der Philosophie.

Nach zwei Jahren am Österreichischen Institut in Rom wird er von seinem Lehrer, Professor Franz Wickhoff, 1905 als Assistent an das Institut für Kunstgeschichte an der Universität Wien geholt. Er heiratet im selben Jahr die Kunsthistorikerin Erika Conrat, die eine ganz wesentliche Mitarbeiterin bei seinen umfangreichen Arbeiten wird (aber erst ab 1928 als solche auch in den dann immer häufigeren gemeinsamen Werken aufscheint). 1906 wechselt er als Assistent an das von Max Dworák gerade geschaffene „Kunsthistorische Institut der k.k. Zentralkommission für Kunst- und Historische Denkmale“ (später Bundesdenkmalamt, damals aber noch ohne Behördenstatus) und wird dort mit der Herausgabe der umfassenden Österreichischen Kunsttopographie betraut, die er ab 1907 veröffentlicht. 1908 habilitiert er sich für mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte an der Universität Wien und tritt ab 1911 als Kunstreferent des „Fremdenblatts“, öffentlich für die moderne Kunst ein. Während des Ersten Weltkriegs, unterrichtet er vorerst in der Reserveoffiziersschule im Arsenal in Wien und wird ab Herbst 1917 als Kunstschutzoffizier zur Bergung italienischer Kunstschätze an die Front nach Italien versetzt.

Nach dem Übergang von der Monarchie zur Republik weist er in einem Memorandum des Staatsdenkmalamtes auf die Gefahren der zu erwartenden auswärtigen Ansprüche an den österreichischen Kunstbesitz hin und wird daraufhin im November 1918 von Staatssekretär für Unterricht, Raphael Pacher, mit der Vorbereitung der „Verteidigung“ des staatlichen Kunstbesitzes gegen auswärtige Ansprüche betraut und ins Staatsamt (spätere Ministerium) für Inneres und Unterricht dienstzugeteilt. Dort wird er anfangs mit der Leitung der Kunstabteilung, bzw. Museumsabteilung betraut. Er wird auch als Ministeriumsvertreter vom Unter-Staatssekretär für Unterricht, Otto Glöckel, in jene Museumskommission berufen, die im Oktober 1919 zur Durchführung der Museumsreorganisation gegründet wurde. Ebenfalls im Oktober 1919 wird ihm auch von der Universität Wien der Titel eines ao. Professors verliehen, der Grad seiner akademischen Karriere, über den er – abgesehen von zwei kurzen Gastprofessuren im amerikanischen Exil – nicht mehr hinausgelangen sollte. Daneben widmet er sich weiter der Förderung der modernen Kunst, übernimmt 1918/19 die Redaktion des Wiener Jahrbuchs „Die bildenden Künste“, in dem die modernen Künstler vorgestellt und besprochen werden, gründet 1921 die „Gesellschaft zur Förderung der modernen Kunst“ und realisiert zahlreiche kunstpädagogische Ausstellungen zur modernen Kunst (1925: „Das Gesicht der Zeit. Graphische Arbeiten zweier Generationen“ im Wiener Künstlerhaus, 1927: „Das Werden eines Kunstwerks“ im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, schließlich 1930: „Kunst in unserer Zeit“ wieder im Künstlerhaus). Seine Hauptaufgabe zwischen 1919 und 1925 bleibt aber die Museumsreorganisation. Wichtige Stationen dabei: 1920/21 Neuschaffung der „Staatlichen Graphischen Sammlung Albertina“, 1923 Gründung und Eröffnung des „Österreichischen Barockmuseums“ im Unteren Belvedere, 1924 Gründung und Eröffnung der „"Galerie des XIX. Jahrhundert“ im Oberen Belvedere. Aufgrund massiver Widerstände gegen das Reorganisationsprogramm läßt er sich mit Ende 1925 „abbauen“ – pensionieren – und verlässt den Staatsdienst.
Er konzentriert sich danach wieder vermehrt auf Forschung und Lehre, publiziert neben zahlreichen kunsthistorischen Werken auch einige Bücher über Wien und lehrt weiter regelmäßig Kunstgeschichte an der Universität Wien (bis WS 1936/7). Ab 1932 erfolgen mehrere Forschungsreisen nach, und Auseinandersetzung mit Amerika, das nach dem Einmarsch Hitlers auch zu seinem Exil werden sollte.

Zur Zeit das „Anschlusses“ sind Hans und Erica Tietze auf einer Forschungsreise in Frankreich und Italien und kehren nicht mehr nach Österreich zurück. Tietze erhält 1938/39 eine Gastprofessur in Toledo/USA, arbeitet am dortigen Museum und wird gelegentlich am Metropolitan Museum New York und an der National Gallery Washington als Experte herangezogen. Kurz vor seinem Tod 1954 springt er für eine kurzfristig ausgefallene Gastprofessor an der Columbia-University New York ein. Nach Europa kommt er bereits im Sommer 1946 wieder, bereist allerdings vorerst nur Schweden und England, im Jahr darauf Frankreich, Italien und die Türkei – und kommt im September 1947 auch kurz nach Wien. Insgesamt werden weder die Qualifikationen Hans Tietzes – seit 1944 amerikanischer Staatsbürger – als international anerkannter Museumsfachmann noch als Universitätslehrer im Exil entsprechend in Anspruch genommen. Dennoch entwickelt er noch bis zu seinem Tod am 11. April 1954 eine unglaublich vielfältige Forschungs- und Publikationstätigkeit.

Dem dominierenden Zeitgeist der frühen II. Republik entsprechend gibt es nach 1945 nicht nur keine Einladung zur Rückkehr nach Österreich, sondern wird auch Tietzes 1953 gestellter Antrag auf Auszahlung seiner Beamtenpension – von den Nationalsozialisten 1939 eingestellt – bis zu seinem Tode nicht entschieden. Statt dessen gibt es publizistische Würdigungen zu seinem 70. Geburtstag 1950, sowie – posthum – 1954/5 zahlreiche, seine Verdienste um die österreichische Museums- Kunst- und Wissenschaftslandschaft würdigende Nekrologe.

Ehrungen

1965 wurde eine Gasse in Wien 22 nach ihm benannt, 2004 wurde in Wien eine Internationale Hans Tietze und Erica Tietze-Conrat Gesellschaft gegründet, zur Pflege ihres Gesamtwerkes.

Im Rahmen der 2004 begonnenen NS-Provenienzforschung wurden mehrere Bücher aus Hans Tietzes Besitz in den Beständen der Universitätsbibliothek Wien aufgefunden. 2009 erfolgte die Restitution an die Erben, die einen Band als symbolische Erinnerung behielten und alle übrigen Bücher der Universität Wien schenkten.
Ebenso erfolgte der Eintrag des Namens im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938.
Sein Name und der seiner Ehefrau befindet sich auch auf dem bereits 2008 eröffneten Denkmal für Ausgegrenzte, Emigrierte und Ermordete des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien am Campus der Universität Wien, Hof 9.

Seit 2014 ist ein Teilnachlass in der Wienbibliothek zugänglich. 2015 wurde an seinem ehemaligen Wohnhaus in Wien 19 eine Gedenktafel enthüllt und wurden die neuerrichteten Grafiksäle der Graphischen Sammlung Albertina nach dem Ehepaar Tietze benannt ("Tietze Galleries für Druckgrafik und Zeichnungen").

Im Zuge der Neugestaltung der „Tore der Erinnerung“  2023/24 wurde im November 2023 beschlossen, das Tor zwischen Hof 3 und Hof 13 nach ihm und seiner Frau in „Tietze-Tor“ zu benennen.

Archiv der Universität Wien, S 304.1284, Promotionsprotokoll PHIL II (1881-1905), Nr. 1233

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 17.01.2024 - 20:22

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