Hedwig Bodenstein (verh. Leitner)

4.11.1916 – 13.12.1994
geb. in Ebensee, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal „Vertriebene Historiker*innen“ 2022 Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Hedwig Anna Theresia BODENSTEIN, verh. LEITNER, Lehrerin und Widerstandskämpferin, geb. am 4. November 1916 in Ebensee/Oberösterreich (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter des Ebenseeer Gymnasialprofessors Walther Bodenstein und von Theresia Bodenstein, geb. Ahamer. Sie legte im Sommer 1935 am Realgymnasium in Gmunden die Reifeprüfung (Matura) ab begann im Wintersemester 1935/36 an der Universität Wien Geschichte und Romanistik zu studieren und wohnte im Caritas-Studentinnenheim in Wien 9., Servitengasse 3. Sie war bis zum Sommersemester 1939 an der Philosophischen Fakultät im 8. Studiensemester inskribiert.

Sie stammte aus eine konservativen und mit dem Austrofaschismus sympathisierenden Familie, die darin einen Schutz gegen die in Deutschland aufstrebende nationalsozialistische Gefahr sah, war seit 1935 Mitglied der "Vaterländischen Front" und sie schloss sich an der Universität einer konservativen studentischen antinazistischen Widerstandsgruppe an, der »Österreichische Freiheitsbewegung« rund um den Augustiner Chorherrn, Ordenspriester, Religionslehrer und Dichter Karl Roman Scholz. Die Mitglieder druckten kleine Flugzettel, nahmen Kontakt zu den Westalliierten auf, führten Schulungen durch und versuchten Überzeugungsarbeit zu leisten.
1940 gehörten hauptsächlich Schüler*innen und Student*innen der Gruppe an, die rund 100 Mitglieder umfasste. Sie war in der Gruppe recht aktiv, schmuggelte Schulungs- und Propagandaschriften zwischen der Schweiz und Österreich und übersetzte Legitimationen für Soldaten für den Fall einer Gefangennahme durch alliierte Streitkräfte.

»Das Ziel war die Befreiung Österreichs. Das ist ein großes Ziel gewesen. Wir haben uns gedacht, wir können die jungen Leute dafür gewinnen, und niemand hat sich gedacht, dass das so ein teuflisches System ist, dass wir da sofort verhaftet werden. Wir haben ja keine Erfahrungen gehabt, auch nicht von außen, von Deutschland her. [...] Wir haben uns gedacht, ja gut, die Politiker, die in der Systemzeit waren, die haben sie sofort abgeführt und hinaus ins Konzentrationslager ... Und wir haben gedacht, wir jungen Studenten, uns werden sie schon nichts tun. Ich hab nicht geglaubt, dass wir einmal ... Auch wie sie mich verhaftet haben, hab ich das nicht gedacht.« (Hedwig Bodenstein-Leitner, zit. nach DÖW 1992, 317)

Doch die Gruppe flog im Sommer 1940 auf, da ein Mitglied, der Burgschauspieler und Gestapospitzel Otto Hartmann, alle Mitglieder denunziert hatte. Hedwig Bodenstein wurde am 1. August 1940 von der Gestapo festgenommen und für zwei Jahre inhaftiert, im Gefängnis der Gestapo bis Dezember 1940, dann in den Gefängnissen Wien-Roßauerlände und Krems bis Ende Dezember 1942.
Nach ihrer Enthaftung konnte sie aber nicht mehr an der Universität Wien ihr Studium abschließen und sie arbeitete als Hausgehilfin, später als Übersetzerin in ihrer Heimatgemeinde Ebensee. Im Prozess vom Dezember 1943 wurde sie wegen Beihilfe zur Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren und drei Monaten Zuchthaus sowie zu zweijährigem Ehrverlust verurteilt. Die Strafe galt durch ihre Haft bereits als verbüßt. Ihre Mutter versuchte nach der Verurteilung beim Reichserziehungsministerium Berlin zu intervenieren, damit ihre Tochter doch zur Ablegung des Doktorats an der Universität Wien zugelassen werde, was aber im August 1944 von der NSDAP-Gauleitung Oberdonau, Gaupersonalamt, Abt. Politische Beurteilung,  abgelehnt wurde:

»Ihre Tochter, Hedwig Bodenstein hat es ihrem Verhalten zuzuschreiben, dass sie gegenwärtig nicht zu Ablegung des Doktorates zugelassen wird. Es liegt an ihr, sich durch politisch einwandfreies Verhalten zu bewähren und kann gegebenenfalls nach Kriegsende, falls sie in der heutigen schweren Zeit ihre Pflichten erfüllt, ein neuerlicher Antrag mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden.« (Schreiben des Gaupersonalamts an Theresia Bodenstein vom 3. August 1944, zit. nach DÖW 1992, 318.)

Noch am 1. März 1945 teilte das Rektorat der Universität Wien auf Nachfrage dem Universitätssekretariat mit, dass gegen Hedwig Bodenstein trotz ihrer Verurteilung kein eigenes universitäres Disziplinarverfahren mehr eröffnet werde, da sie gänzlich aus der Liste der Studierenden gestrichen wurde.

Zwei Monate später waren Krieg und die Herrschaft des Nationalsozialismus auch in Wien zu Ende und Hedwig Bodenstein konnte ihr Studium mit der Lehramtsprüfung abschließen – eine Promotion ist aber weder unter ihrem Mädchen-, noch unter ihrem Ehenamen in den Promotionsprotokollen der Universität Wien verzeichnet.

Sie unterrichtete als Mittelschulprofessorin in Wien und betreute von 1951 bis 1957 das Auslandsreferat für Frankreich, Großbritannien und die USA im Bundesministerium für Unterricht und war dann bis zu ihrer Pensionierung 1976 wieder im Schuldienst tätig.
Sie war verheiratet mit dem Ebenseeer Kaufmann Johann Leitner (1922–2004) und sie bekamen eine Tochter, Hedwig Leitner.

Hedwig Leitner, geb. Bodenstein, starb am 13. Dezember 1994 an Herzversagen.

Philosophische Fakultät, Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Ehrung

Seit 2009 wird an sie im "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" erinnert (online).

Seit 2022 findet sich ihr Name auch auf dem "Wenn Namen leuchten | Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien", im ersten Stock des Hauptgebäudes der Universität.

Archiv der Universität Wien / Nationale PHIL 1935–1940, Universitätssekretariat GZ US 245 ex 1944/45 ONr. 9; DÖW 3.043a, 19.793/9, 20.000/b457, 20.100/966, 20.975;
Christine KANZLER, Leitner Hedwig Anna Theresia, geb. Bodenstein: http://biografia.sabiado.at/leitner-hedwig-anna-theresia-geb-bodenstein/

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 12.02.2024 - 21:11

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