Innozenz Grafe

5.1.1916 – 30.5.1992
geb. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal „Vertriebene Historiker*innen“ 2022 Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Innozenz (Timo Felix) GRAFE, geb. am 5. Jänner 1916 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Dr. Felix Grafe (1888–1942, Dichter, Bankbeamter) und seiner ersten Frau Marianne Grafe, geb. Weil, wohnte in Wien 18, Pötzleinsdorfer Straße 25. Er hatte am 18. Juni 1934 am Bundesgymnasium Wien 19 die Reifeprüfung (Matura) erfolgreich abgelegt und begann ab Wintersemester 1934/35 an der Universität Wien zu studieren. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 8. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Alter Geschichte, Klassischer Philologie und Sprachwissenschaft.

Nach dem "Anschluss" war er einer der wenigen, die im Sommersemester 1938 im Rahmen des für einige Monate eingeführten 2%-Numerus clausus für jüdische Studierende noch bis zum Semesterende zum Weiterstudium zugelassen wurde. Er meldete sich am 27. Juni 1938 zu den Abschlussprüfungen (»Rigorosen«) in Klassischer Philologie und Altertumskunde im Hauptfach und Alter Geschichte im Nebenfach an und legte seine Dissertation: "Qua ratione imperatores Romani culti sint a poetis" vor, die von den gutachtenden Klassischen Philologen Prof. Richard Meister (1881–1964) und Prof. Johann Mewaldt (1880–1964) umgehend approbiert worden war. Er bestand kurz darauf am 5. Juli 1938 das zweistündige Rigorosum bei den Disserationsgutachtern Meister und Mewaldt sowie beim Althistoriker Prof. Rudolf Egger (1882–1969) und tags darauf am 6. Juli 1938 auch das einstündige Rigorosum (»Philosophicum«) bei den Prof. Otto Tumlirz (1890–1957) und Hans Eibl (1882–1958). Er konnte somit, nach längerer Unsicherheit, doch noch sein Studium abschließen und am 21. Juli 1938, wenngleich nur unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen, im Rahmen einer "Nichtarierpromotion" promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.

Innozenz Grafe arbeitete in diesen Monaten vor und nach seiner Promotion auch als Lektor und Korrektor für den Wiener Phaidon Verlag von Béla Horovitz (1898–1955) und Ludwig Goldscheider (1896–1973), bis er aus Wien flüchten konnte. Er konnte über die Schweiz – wo er die für Wien bereits geplante Heirat mit seiner Frau Henrietta nachholte – nach England/Großbritannien emigrieren, wo er am Wadham College der University of Oxford weiterstudieren und daneben in der Bodleian Library in Oxford arbeiteten konnte. Als friendly alien eingestuft konnte er nach Kriegsausbruch im Oktober 1939 weiterstudieren und war von der Internierung ausgenommen, nach der Deutschen Eroberung Belgiens, der Niederlande und Frankreichs 1940 wurde er aber als enemy alien eingestuft und von Juni bis Oktober 1940 in England interniert. Später war er dann auch als secret listener in geheimdienstliche Tätigkeiten eingebunden.

Sein Vater, Dr. Felix Grafe (geb. Felix Löwy), war zwar, wie Innozenz Grafe in der Nationale angibt, pensionierter Bankbeamter der Bodencreditanstalt, war aber vor allem bekannt als Schriftsteller und Dichter (seine ersten Gedichte erschienen 1910 in der Fackel von Karl Kraus (1874–1936), 1918–1920 Redakteur der Zeitschrift Der Anbruch) sowie als Übersetzer aus dem Englischen, Französischen, Tschechischen und Italienischen, u.a. von William Shakespeare, Oscar Wilde und Charles Baudelaire. Als Privatsammler, Experte und Liebhaber von Graphiken, Stichen und alten Handschriften war er ab 1933 als Experte für alte Bücher, Handschriften und Orientalia am Wiener Auktionshaus Dorotheum angestellt. Er war bereits 1908, und nach einem Wiedereintritt vor der ersten Heirat endgültig 1921 aus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien ausgetreten. Auf Wunsch seines Schwagers verfasste er 1941 ein Gedicht gegen Hitler, das in der illegalen KPÖ-Zeitschrift Hammer und Sichel abgedruckt und verbreitet wurde, was bald darauf zu seiner Verhaftung führte und wofür er vom Volksgerichtshof Wien wegen »Zersetzung der Wehrkraft« und »Vorbereitung zum Hochverrat« zum Tode verurteilt und am 18. Dezember 1942 im Landesgericht Wien hingerichtet wurde.

Innozenz Grafe konnte in England nach Kriegsende 1946 wieder in die von Horovitz inzwischen nach London übersiedelte Phaidon Press einsteigen. Er lebte mit seiner Familie in 21 Cyril Mansions, Prince of Wales Dv., London S.W.11 und arbeitete in den folgenden Jahrzehnten als Lektor, als Übersetzer, später als Cheflektor und einer der Direktoren des wachsenden Unternehmens der Phaidon Press. Auch seine beiden Töchter waren in die Verlagsarbeit involviert. Er war zuletzt auch als freier Redakteur für das Concise Oxford English Dictionary tätig.

Innozenz Felix Grafe starb am 30. Mai 1992 auf einer Urlaubsreise in der Schweiz.

Ehrung

Seit 2009 wird an ihn im "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" erinnert (online).

Seit 2022 findet sich sein Name auch auf dem "Wenn Namen leuchten | Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien", im ersten Stock des Hauptgebäudes der Universität.

 

Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937–1938, Rigorosenakt und -protokoll PHIL 14517, Promotionsprotokoll PHIL 1931–1941, 2827; Lisl ALKER, Hg., Verzeichnis der an der Universität Wien approbierten Dissertationen 1937–1944, Wien 1954, Nr. 1492; www.genteam.at; www.ancestry.de.

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 22.01.2024 - 23:16

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