Ehrentafeln der Fakultäten im Hauptgebäude der Universität Wien am Ring

1890–1982

In den Stiegenaufgängen von der Aula zu den Seitenvestibülen des Hauptgebäudes der Universität Wien an der Wiener Ringstraße befinden sich seit 1893 die Ehrentafeln der damals vier Fakultäten: jene der Theologischen und der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät im linken, jene der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät im rechten Aufgang. Auf den Tafeln aus rotem Marmor wurden die Namen berühmter Schüler bzw. Mitglieder des Lehrkörpers der jeweiligen Fakultät eingraviert und vergoldet. Da die letzten Eintragungen in den frühen 1980er-Jahren erfolgten und die Ehrentafeln seither unverändert blieben, gelten sie heute als abgeschlossene Gedenkform.

Planung und Errichtung

Mit Fertigstellung des neuen Hauptgebäudes am Ring rückte 1884 die künstlerische Ausstattung des Monumentalbaus in den Mittelpunkt. Zu diesem Zweck gründete der Akademische Senat der Universität eine ständige Artistische Kommission, die sich dieser Aufgabe widmen sollte. Nach der Errichtung der ersten Denkmäler im Arkadenhof beschloss die Kommission am 9. Dezember 1890 die Errichtung der Ehrentafeln der Fakultäten sowie der Rektorentafel.

Die Gestaltungsentwürfe wurden von dem Architekten und Schüler von Heinrich von Ferstel, Camillo Sitte, erarbeitet. Gemeinsam mit der Rektorentafel sollten die Ehrentafeln die ehrwürdige Geschichte und Gegenwart der Universität Wien veranschaulichen, wie Rektor Adolf Exner einige Monate vor der Eröffnung betonte:

„Unter der prächtigen Thorhalle wird eine monumentale Nische, der Geschichte unserer Hochschule gewidmet, erstehen: sie wird in edler architektonischer Umfassung auf einer Reihe von Marmortafeln die Hauptschicksale ihres 500jährigen Daseins, dazu die vollständige Reihe der Namen ihrer Rectoren, und überdies an besonderen Plätzen die Erinnerung an ihre verstorbenen Schüler enthalten, welche seit dem vorigen Jahrhundert auf irgend einem Felde des Lebens Ausgezeichnetes geleistet haben. Das Werk wird im nächsten Frühjahr […] fertig dastehen – jedem bei uns Eintretenden ein Zeugnis, dass es kein Geschöpf von vorgestern ist, das ihn begrüßt, sondern die älteste Universität auf rein deutschem Boden, ein ehrwürdiger Baum, dessen Stamm in guten und schlimmen Tagen sich grün erhalten, und obzwar zu Zeiten blos vegetierend, dennoch immer wieder zu Blüten und Früchten gekommen ist.“
(Adolf Exner: Bericht über das Studienjahr 1891/92, 24. Oktober 1892, S. 20)

Der größte Teil der Namen (139 von heute insgesamt 188) der berühmten „verstorbenen Schüler“ wurde bereits bei Errichtung in die Tafeln eingraviert. Die Namenslisten waren im Auftrag des Senats von Universitätsarchivar Karl Schrauf in Kooperation mit Vertretern der Fakultäten zusammengestellt worden: Für die Theologische Fakultät Prof. Laurenz Müllner (31 Namen), für die Medizinische Fakultät Prof. August Emil Vogl (33 Namen), für die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Prof. Leopold Pfaff (37 Namen) sowie für die Philosophische Fakultät Prof. Wilhelm Hartel (38 Namen). Zudem wurde Raum für die Fortführung der Liste mit Namen künftiger berühmter Schüler gelassen.

Die Ehrentafeln der Fakultäten wurden gleichzeitig mit der Rektorentafel sowie der Denkmalgruppe Leo Graf von Thun-Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz im Arkadenhof am 24. Mai 1893 feierlich enthüllt. Den Anlass bot der in Wien stattfindende 42. Deutsche Philologen- und Schulmännertag, der über 800 Kongressteilnehmer in das Universitätshauptgebäude führte.

Reaktionen und weitere Eintragungen

Für öffentliche Aufregung sorgte kurz nach der Eröffnung vor allem der Name des Schriftstellers Robert Hamerling auf der Ehrentafel der Philosophischen Fakultät. Dass Archivar Schrauf die Schreibweise „Hammerling“ gewählt hatte, die Hamerling während seiner Inskription an der Universität Wien in den 1840er-Jahren benutzt hatte, rief bereits bei der Enthüllung der Tafel sowie in den Jahrzehnten danach wiederholt Befremden und Aufforderungen zur Korrektur hervor. Bis heute findet sich auf der Tafel jedoch diese Schreibweise.

In den folgenden Jahrzehnten wurden die Ehrentafeln auf Antrag der betreffenden Fakultäten und nach Genehmigung durch den Akademischen Senat sporadisch und vereinzelt um weitere Namen ergänzt. Bereits 1893 folgte beispielsweise der Beschluss, den erst wenige Monate zuvor verstorbenen Juristen Anton Ritter von Schmerling auf der Ehrentafel der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät hinzuzufügen.

Unklare Richtlinien

Die Modalitäten zur Umsetzung dieser Ehrungsform waren von Anfang an uneindeutig und wurden nicht dauerhaft nachvollziehbar dokumentiert. Wurde in den ersten Jahrzehnten noch eindeutig kommuniziert, dass es sich bei den geehrten Personen um berühmte „verstorbene Schüler“ handeln sollte, wurde 1949 der Fokus auf „Mitglieder des Lehrkörpers“ verschoben.

Unmittelbar nach dem Beschluss, den erst kürzlich verstorbenen Schmerling zu ehren, beschloss der Akademische Senat am 18. Dezember 1893, dass die Aufnahme künftig erst zehn Jahre nach dem Tod der zu ehrenden Person erfolgen sollte. Doch auch diese Richtlinie wurde in den folgenden Jahrzehnten durchbrochen (z.B. bei der Ehrung von Heinrich Lammasch – verstorben 1920, geehrt 1925 – und János Csernoch – verstorben 1927, geehrt 1928). 1949 wurde schließlich eine Interkalarfrist von 30 Jahren nach dem Tod fixiert.

Auch das 1893 festgelegte Prinzip, dass Personen, die bereits durch ein Denkmal im Arkadenhof geehrt worden waren, von der Nennung auf den Ehrentafeln ausgeschlossen bleiben sollten, wurde bereits bei der Errichtung 1893 durchbrochen, indem etwa Rudolf Eitelberger, Franz Exner, Joseph Kudler, Josef Sonnenfels, Franz Unger und Franz Zeiller in die Ehrentafeln aufgenommen wurden. Später kamen noch weitere berühmte Persönlichkeiten wie Theodor Billroth, Ludwig Boltzmann, Christian Doppler, Carl Menger, Hermann Nothnagel und Theodor von Sickel hinzu.

1957 musste auch Universitätsarchivar Franz Gall feststellen, dass aufgrund des langen Fehlens eines hauptamtlichen Archivars keine Statuten über die Grundsätze zur Aufnahme von Namen in die Fakultätsehrentafeln aufgefunden werden konnten.

Wiederaufleben der Ehrungsform in den 1950er-Jahren

Rektor Richard Meister initiierte in der ersten Senatssitzung seiner Amtszeit am 11. Oktober 1949 die Wiederbelebung dieser Ehrungsform und die größte Erweiterungsaktion in der Geschichte der Ehrentafeln:

„Der Rektor berichtet, dass die Anbringung von Namen berühmter Mitglieder des Lehrkörpers auf der Ehrentafel im Jahre 1891/92 beschlossen wurde und seither diese Eintragungen ausser Gebrauch gekommen seien. Er regt an, in den Professorenkollegien Beratungen einzuleiten für die Nennung von Namen für diese Gedächtnisehrung“.
(Protokoll über die 1. Sitzung des Akademischen Senates am 11. Oktober 1949)

Entsprechend seiner Anregung beschloss der Senat die Beschränkung auf ehemalige Mitglieder des Lehrkörpers, die seit mindestens 30 Jahren verstorben waren. In der Senatssitzung vom 9. Jänner 1950 stellte Meister klar, dass ein Denkmal im Arkadenhof die geehrten Personen nicht von der Nennung auf der Ehrentafel ausschließe, die „Eintragung aus der Ehrentafel bedeute jedoch eine höhere Auszeichnung und es sollen auf dieser nur Namen von Gelehrten säkularer Bedeutung aufgenommen werden“.
Die vier „alten“ Fakultäten – die Evangelisch-Theologische Fakultät war nicht involviert – nominierten in der Folge insgesamt 21 Personen, die auf den Tafeln nachgetragen werden sollten (zehn auf der Philosophischen, fünf auf der Juridischen sowie jeweils drei auf der Medizinischen und der Theologischen Ehrentafel). Nach Genehmigung durch den Senat wurde die Eingravierung Ende März 1950 beauftragt. Im Zuge dessen wurde auch die Vergoldung der älteren Inschriften erneuert.

Fünf Jahre erinnerte Rektor Johannes Radon an die „Aktion“ 1949/50 und ersuchte die Dekane um etwaige neue Vorschläge. Während das Medizinische sowie das Evangelisch-Theologische Dekanat keinen Bedarf einmeldeten, wurden insgesamt 11 von den anderen Fakultäten eingebrachte Nominierungen am 30. Juni 1955 durch den Senat einstimmig angenommen. Die Umsetzung verzögerte sich jedoch, da die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät nicht mehr genug Platz für alle acht beschlossenen Namen bot. Erst im Dezember 1955 approbierte der Kunstausschuss und im Februar 1956 der Senat die Entwurfskizze zur Erweiterung um eine zweite Marmortafel. Die Erweiterung sowie die Neueintragungen an der Philosophischen Ehrentafel wurden im Frühjahr 1956 durchgeführt, doch die von Senat offiziell genehmigten Eintragungen auf den Tafeln der Katholisch-Theologischen Fakultät (Vinzenz Eduard Milde) sowie der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (Ludwig Mitteis, George Phillips) erfolgten aus unbekannten Gründen nicht.

Letzte Eintragungen

Bald nach der Auflösung der jahrhundertealten Fakultätsaufteilung ab 1975 wurde auch die Tradition der Ehrentafeln nicht mehr aktiv fortgesetzt. Für die letzten Eintragungen neuer Namen auf den Ehrentafeln Anfang der 1980er-Jahre wurden die Geehrten der neu entstandenen Fakultäten ihren historischen „Stammfakultäten“ zugeordnet. Die Geisteswissenschaftliche Fakultät initiierte noch fünf Eintragungen auf der Ehrentafel der Philosophischen Fakultät, darunter 1981 Elise Richter als einzige Frau und zuletzt im April 1982 Norbert Jokl. Im Juni 1982 folgte noch der Name von Josef Bohatec auf der Ehrentafel der (Katholisch-)Theologischen Fakultät, womit erstmals ein Professor der Evangelisch-Theologischen Fakultät in dieser Form geehrt wurde. Seither gelten diese Gedenktafeln als abgeschlossene Gedenkform.

Geehrte Personen

Die auf den Ehrentafen der Fakultäten genannten Personen:

Theologische Fakultäten
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Medizinische Fakultät
Philosophische Fakultät

Kritische Reflexion der bisherigen Ehrungspraxis 2022/23

Die Universität Wien hat sich 2022 entschieden, nach den Grundsätzen „Transparenz – Kommentierung – Sichtbarmachung“ ihre bisherige Ehrungspraxis kritisch aufzuarbeiten. Dabei wurden 2 „problematische“ bzw. 5 „diskussionswürdige“ Ehrentafel-Eintragungen festgestellt.
Ziel der kritischen Auseinandersetzung war es nicht, symbolische posthume Aberkennungen auszusprechen oder sie aus den Ehrungslisten zu streichen, sondern die kritischen Aspekte hier auf der offiziellen Geschichte-Website der Universität Wien zu dokumentieren, zu benennen und sichtbar zu machen.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am : 04.03.2024 - 21:01

Nein