„Unter den Talaren …“

Akademische Trachten: Talare, Epomiden, Birette und Gugelhauben
15. Jhdt.–20. Jhdt.

Die heute in offiziellen akademischen Feiern übliche Kleidung der AmtsträgerInnen der Universität Wien besteht aus Talar und Birett. Die Talare von RektorInnen, DekanInnen und Senatsangehörigen unterscheiden sich durch die Farben ihrer Krägen (Epomiden). Während der Rektor einen goldenen Kragen mit Hermelinaufsatz trägt, stehen die anderen Farben für die bis ins 20. Jahrhundert bestehenden fünf Fakultäten: blau für die Philosophische, rot für die Rechts- und Staatswissenschaftliche, gelb für die Katholisch-Theologische, lila für die Evangelisch-Theologische Fakultät und grün für die heute unabhängige Medizinische Fakultät.

Trachten und Kleidung dienten in historischer Zeit als Kennzeichen der sozialen oder berufsständischen Zugehörigkeit. Kleiderordnungen bezeugen den hohen Stellenwert, welchen man dem Erscheinungsbild beimaß. Die „Form und Beschaffenheit der äußeren Kleidung“ sei „ein Spiegel des inneren Menschen und gleichsam ein Zeichen der besonderen Macht“. Die akademische Tracht vermittelte anfangs das Bild einer eng mit der Kirche verbundenen Gemeinschaft. Mit der „Verstaatlichung“ der Universität in der Zeit der Spätaufklärung wurden die Amtstrachten verboten. In der Ersten Republik griff man auf die historischen Trachten zurück …

Klerikertracht für Studierende (1385)

Die ersten Universitätsstatuten (1385) schrieben für Studenten eine schlichte Klerikertracht, den „vestitus clericalis“ ohne auffällige Zierden oder Farben vor. Sie bestand aus einem langen dunkelbraunen oder schwarzen talarähnlichen Rock mit Ärmeln und Kapuze  oder Gugelhaube, der in der Taille durch einen Gürtel (cingulum) zusammengehalten wurde.

Rektoren und Dekane (1385-1784)

Auch der Rektor trat im Mittelalter schlicht „in habito honesto et decenti et clericali“ auf. Bei feierlichen Anlässen trug er einen knöchellangen roten (später schwarzen) Talar, eine Kappa (ärmelloser Kapuzenmantel) sowie ein pelzverbrämtes Birett. Die Rektorstracht wurde im 16. Jahrhundert um den goldbestickten, später mit Hermelin besetzten „spanischen Mantel“, die Epomis, erweitert. Sie sollte seine quasi fürstliche Standesqualität sichtbar machen, die durch Allongeperücken unterstrichen sein konnte. Den vier Dekanen wurde ursprünglich empfohlen, sich selbst mit einem ehrenvollen Habit auszustatten, ab dem 17. Jahrhundert erhielten sie einen knöchellangen Talar mit Epomis und Birett. Die Trachten wurden bunter, die Tendenzen der Aristokratisierung sichtbar. Die Farbensymbolik war einem mehrfachen Wandel unterworfen. Schließlich einigte man sich spät auf die Fakultätsfarben: Goldgelb (katholische Theologen), Bischofslila (evangelische Theologen), Karmesin (Juristen), Lindengrün (Mediziner), Dunkelblau (Philosophen).

Abschaffung der Talare (1784)

Kaiserin Maria Theresia hielt Talare für „unnütze Sachen“ und wollte dafür kein Geld bewilligen. Schließlich schaffte Kaiser Joseph II. die akademischen Amtstrachten per Hofdekret vom 11. November 1784 ab. Sie erinnerten ihn an die „finstern Zeiten, …wo der päpstliche Stuhl sich ausschließlich das Recht zueignete, Universitäten zu errichten“. Die akademischen Funktionäre traten die folgenden 150 Jahre bei öffentlichen Feiern im schwarzen Frack auf.

Wiedereinführung der Amtstracht (1927)

Erst im 20. Jahrhundert erfolgte die Wiedereinführung der Amtstracht, die bei akademischen Feiern die Anciennität inszenieren sollten. 1927 wurden akademische Amtstrachten (Talar, Birett, Epomis ) für Rektoren, Dekane und Senatoren (bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Männer) nach den Entwürfen des Professors Rudolf Bacher (Akademie der Bildenden Künste in Wien) angeschafft, die sich an historischen Vorbildern orientierten, und noch heute bei akademischen Feiern in Verwendung stehen.

Professorentalare (1965)

Aus Anlass des bevorstehenden 600. Jubiläums der Universität Wien 1965 trat der spätere „Jubiläums-Rektor 1965“ Karl Fellinger zusätzlich für die Einführung einer neuen Amtstracht für alle Professoren ein, um bei den Feierlichkeiten ein einheitliches Auftreten der Professorschaft zu bieten. Trotz mancher Gegenstimmen beschloss der Akademische Senat 1964, neben den Funktionären auch Professoren mit Talaren auszustatten. Mit dem Argument, dass die neue Amtstracht vollständig durch Sponsoren finanziert wurde, konnte Fellinger die Mehrheit der Senatsmitglieder davon überzeugen. Es wurden 156 Professorentalare in drei Größen und Birette bei dem bekannten Modeschöpfer Fred Adlmüller (unter historischer Beratung durch Universitätsarchivar Franz Gall) in Auftrag gegeben. Besondere Aufmerksamkeit fanden sie bloß bei den Jubiläumsfeiern und öffentlichen Umzügen, danach blieben sie meist in den Kleiderschränken.

„Unter den Talaren - der Muff von tausend Jahren“ (1968)

Im Jubiläumsjahr 1965 waren die Talare und Insignien der alten Ordinarienuniversität als „Ausdruck einer geistigen Gemeinsamkeit“ im Vordergrund gestanden. Im stürmischen 68er Jahr kämpfte die Studentenbewegung um  eine demokratische Universitätsreform und studentische Mitbestimmung. Die vielzitierte Parole („Unter den Talaren - der Muff von tausend Jahren“) war schon am 9. November 1967 in Hamburg als Text eines Transparents anlässlich einer Rektorsinauguration publiziert worden. Sie richtete sich gegen die nicht erfolgte kritische Erforschung der Verbrechen des „1000jährigen Reiches“ und gegen überholte Traditionen an der Universität.

Das Tragen von Talaren und öffentliche Rektorsinaugurationen wurden an der Universität Wien in der Folge vermieden. Erst am 6. November 1991 fand nach langer Zeit wieder eine feierliche Inauguration des Rektors statt, bei der die Amtstrachten und Insignien bei der Amtsübergabe Verwendung fanden. Es galt dies nun als ein mit Beifall aufgenommenes Bekenntnis der Alma Mater Rudolphina zu ihrer Geschichte und Eigenständigkeit. Im Gespräch war sogar, neben den im Akademischen Senat vertretenen Professoren auch die Mitglieder des Mittelbaus und der Studentenkurie mit eigenen Talaren auszustatten

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