Carl Troll, o. Univ.-Prof. Dr. phil., Dr. phil. h.c.

24.12.1899 – 21.7.1975
geb. in Gabersee, Österreich gest. in Bonn, Deutschland

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. phil. h.c. 1964/65 Philosophische Fakultät

Carl Troll wurde am 11. Mai 1965 im Rahmen des 600. Universitätsjubiläums das Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät der Universität Wien verliehen, da er „auf Grund seiner Feldforschungen zunächst im Alpenvorland und dann in jahrelangem Aufenthalt in den tropischen Anden und in fast allen Teilen der Erde sich eine breite Grundlage für seine Forschungen geschaffen [hat]. Seine Leistungen auf dem Gebiet der Landschaftsforschung, insbesondere im Hinblick auf die dreidimensionale Gliederung der Erde in Klima- und Vegetationszonen, in der vergleichenden Hochgebirgsforschung, in der Periglacialforschung und der Erforschung der Schneeformen, anderseits auch seine Beiträge zur Kolonialgeographie und zur Erschließung der unterentwickelten Gebiete, schließlich zur geographischen Methodik haben ihn zu einem führenden Vertreter seines Faches gemacht.
(Wortlaut Laudatio, in: Die Sechshundertjahrfeier der Universität Wien. Offizieller Festbericht, Wien 1965, S. 54)

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Carl Trolls Involvierung in den Nationalsozialismus als „diskussionswürdig“ eingestuft. Er engagierte sich aktiv als Berater der nationalsozialistischen „Lebensraumpolitik“ und fungierte u.a. als Gutachter sowie als Ausschuss- und Fachgruppenvorsitzender bei der kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates, die eng mit dem Kolonialpolitischen Amt der NSDAP zusammenarbeitete. Als führender Experte auf dem Gebiet der Luftbildinterpretation stellte er sich auch bereitwillig in den Dienst der nationalsozialistischen Kriegsführung, betonte die besondere Kriegswichtigkeit seines Faches und trat für eine aktive Mitarbeit in diesem Bereich der angewandten Forschung ein. Troll übernahm ab 1944 zudem kriegswichtige Forschungsaufträge im Auftrag des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung Otto Schulz-Kampfhenkel, der die „Forschungsstaffel z.b.V.“ des Oberkommandos der Wehrmacht leitete.

Karl Theodor Joseph Maria (später Carl) Troll war der Sohn des Oberarztes Dr. Theodor Troll und dessen Ehefrau Elise, geborene Hufnagel. Carl Troll absolvierte 1917 die Notreifeprüfung am Wilhelmsgymnasium in München und trat danach in den Militärdienst ein. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm er 1919 das Studium der Naturwissenschaften an der Universität München auf. Ebenso wie sein Bruder Wilhelm wurde Carl Troll 1921 im Fach Botanik zum Dr. phil. promoviert (Dissertation „Die Entfaltungsbewegung der Blütenstiele und ihre teleologische Deutung“). Anschließend absolvierte er das Staatsexamen für das Höhere Lehramt für naturwissenschaftliche Fächer und arbeitete von 1922 bis 1927 als Assistent von Erich von Drygalski am Geographischen Institut an der Universität München, bei dem er 1925 in Geographie habilitiert wurde (Habilitationsschrift: „Der Einfluß der Ozeanität auf die Pflanzenwelt Mitteleuropas“). In dieser Zeit widmete er sich vor allem glaziologischen und vegetationskundlichen Studien und unternahm erste Forschungsreisen nach Skandinavien.

1926 bis 1929 folgte eine ausgedehnte Forschungsreise durch die Anden (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Nordchile, Panama und Peru). Die auf dieser Reise erarbeiteten Relief- und Vegetationskartierungen bildeten die Basis für einige von Trolls wichtigsten weiteren Forschungen zur Geographie der Hochgebirge, zur Begründung der Landschaftsökologie und zur dreidimensionalen Klimaklassifikation. 1930 wurde Carl Troll als außerordentlicher Professor und Leiter der Abteilung für Kolonial- und Überseegeographie an die Universität Berlin berufen.

Nationalsozialismus

Troll, der von Jürgen Zimmerer als „glühender Kolonialrevisionist“ (Zimmerer 2004, S. 90) eingestuft wird, engagierte sich aktiv als Berater der nationalsozialistischen „Lebensraumpolitik“: Er fungierte als Gutachter sowie als Ausschuss- und Fachgruppenvorsitzender bei der kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates, die eng mit dem Kolonialpolitischen Amt der NSDAP zusammenarbeitete. Neben der vom NS-Regime fokussierten Expansionsregion Osteuropa sah Troll potentielle „Lebensräume“ v.a. in Südamerika und Afrika:

„Südamerika, weil dort im Gegensatz zu Nordamerika ein dem deutschen fremdes Volkstum vorhanden ist und daher der Deutsche sich in seiner völkischen Eigenart und seiner Kultur reiner zu erhalten vermag als etwa in Nordamerika, wie die deutschen Siedlungsgebiete in Südchile und Südbrasilien beweisen; Afrika, weil sich dort Deutschland ein historisches Recht auf eigenen Kolonialbesitz erworben hat, weil wir dort hoffen können, mit deutscher Kraft und deutschen Menschen wieder auf deutschem Boden arbeiten zu können, aber auch, weil in den deutschen Kolonien tropische Rohstoffe erzeugt werden, die der deutsche Markt ganz besonders benötigt.“
(Troll 1935 zit. nach Zimmerer 2004, S. 90f.)

Bereits 1933/34 konnte er gemeinsam mit Karl Wien eine Forschungsreise nach Ost- und Südafrika unternehmen, die u.a. von der Deutschen Kolonialgesellschaft sowie der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes gefördert wurde. Ein Fokus der Studienreise lag darauf, die afrikanischen Gebirgsregionen als möglichen „Lebensraum“ für das deutsche Volk zu erkunden. Troll, der 1936 auch Herausgeber der Zeitschrift „Koloniale Rundschau“ wurde, betonte auf dem Geographentag im selben Jahr die Bedeutung der „kolonialen Fragen“ für die Geographische Wissenschaft, die die „künftige nationalsozialistische Kolonialpolitik“ mit Fachexpertise unterstützen sollte:

„Was wir mit der Kolonialen [!] Forderung über unseren Ehrenstandpunkt hinaus erstreben, ist ein rechtmäßig erworbener Platz an der Sonne, ein Betätigungsfeld in der weiten überseeischen Welt, da, wo uns ein genialer Lenker unserer Außenpolitik noch rechtzeitig einen Platz gesichert hat.“
(Troll 1937, zit. nach Zimmerer 2004, S. 90f.)

1936 wurde Carl Troll als ordentlicher Professor für Wirtschaftsgeographie an das Institut für Meereskunde der Universität Berlin berufen. Von 1937 bis 1944 fungierte er auch als stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 1937 war einer von nur zwei Überlebenden der Deutschen Nanga-Parbat-Expedition und unternahm anschließend eine Forschungseise in das Hochland des italienisch besetzten Äthiopiens.

1938 folgte Troll einem Ruf an die Universität Bonn, wo er ein Ordinariat für Geographie, die Leitung des Geographischen Instituts und gleichzeitig den Vorsitz der Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde in Bonn übernahm. In den Folgejahren bereiste er u.a. Südosteuropa und unternahm mehrfach Vortragsreisen nach Skandinavien.

Neben den Forschungsschwerpunkten Kolonialwissenschaft, Hochgebirgsforschung und Klimatologie widmete sich Carl Troll während des Zweiten Weltkrieges zunehmend der Luftbildinterpretation, in die er auch landschaftsökologische Betrachtungen einbezog. Als führender Experte auf diesem Forschungsgebiet stellte er sich bereitwillig in den Dienst der nationalsozialistischen Kriegsführung, betonte die besondere Kriegswichtigkeit seines Faches und trat für eine aktive Mitarbeit insbesondere der „Berliner Gesellschaft für Erdkunde“ in diesem Bereich der angewandten Forschung ein. Troll übernahm ab 1944 zudem kriegswichtige Forschungsaufträge im Auftrag des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung Otto Schulz-Kampfhenkel, der die „Forschungsstaffel z.b.V.“ des Oberkommandos der Wehrmacht leitete. Obwohl Troll Schulz-Kampfhenkel als Konkurrenz betrachtete, avancierte er Ende 1944 zum Gruppenleiter für Luftbildforschung innerhalb der „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ der „Forschungsstaffel“.

Nachkriegszeit

Ende 1945 wurde das ein Jahr zuvor nach Scheinfeld verlagerte Geographische Institut wieder nach Bonn zurückgeführt. Carl Troll konnte den Lehrbetrieb im Wintersemester 1945/46 wieder aufnehmen und wurde im Folgejahr zum Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät gewählt. 1947 veröffentlichte er in seiner neugegründeten Fachzeitschrift „Erdkunde“ einen Artikel über „Die geographische Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945. Eine Kritik und Rechtfertigung“. Hier zeigte er anhand einzelner Fachvertreter auf, wie diese sich dem NS-Regime angedient hatten, hielt aber fest, dass sich die Disziplin größtenteils erfolgreich gegen den Politikeinfluss gewehrt hätte. Selbst mit seiner Mitarbeit an Projekten mit der „Forschungsstaffel“ konfrontiert, verfasste er im Oktober 1945 eine mehrseitige Stellungnahme, in der er seine besonders kritische und ablehnende Haltung gegenüber dieser betonte.

Innerhalb der wiedergegründeten „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ (später Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG) übernahm Carl Troll zwischen 1949 und 1955 die Leitung des Fachausschusses der Geographie, betätigte sich bis 1959 als Gutachter und wurde 1951 in deren Senat gewählt. Ab 1950 leitete er die Kommission für Erdwissenschaftliche Forschungen der neugegründeten Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Leitende Funktionen hatte er zudem in der International Geographical Union (IGU; Vizepräsident 1956–1960 sowie 1964–1968; Präsident 1960–1964) sowie bei der Herausgabe der Zeitschrift „Die Erde“ der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin inne. Troll fungierte 1957 bis 1959 zudem als Ratsherr der Stadt Bonn für die Christlich-Demokratische Union (CDU) und im Studienjahr 1960/61 als Rektor der Universität Bonn.

Ehrungen

Für seine wissenschaftlichen Verdienste wurde Carl Troll international vielfach ausgezeichnet: Er war Mitglied zahlreicher Akademien und wissenschaftlicher Gesellschaften, darunter der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1937), der Akademien der Wissenschaften in Bayern (1942), Preußen (1943) und Dänemark (1965) sowie der Royal Geographical Society London (1964). Er wurde mit 16 Medaillen sowie mit der Ehrendoktorwürde der Universität Löwen (1963) ausgezeichnet. Seit 1955 war er auch korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und erhielt im Folgejahr die Franz von Hauer-Medaille der Österreichischen Geographischen Gesellschaft.

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 600. Jubiläum der Universität Wien 1965 sollte 30 herausragenden WissenschafterInnen das Ehrendoktorat verliehen werden. In Vorbereitung darauf nominierten Hans Spreitzer und Hans Bobek als Vertreter des Wiener Geographischen Instituts im November 1963 Carl Troll. Die Nominierenden betonten die Vielseitigkeit von Trolls wissenschaftlichen Leistungen:

„Professor Troll [...] hat auf Grund seiner Feldforschungen zunächst im Alpenvorland und dann in jahrelangem Aufenthalt in den tropischen Anden und in fast allen Teilen der Erde sich eine breite Grundlage für seine Forschungen geschaffen, die ihn auf dem Gebiete der Landschaftsforschung, insbesondere bei der dreidimensionalen Gliederung der Erde in Klima- und Vegetationszonen, in der vergleichenden Hochgebirgsforschung, in der Peroglazialforschung und der Erforschung der Schneeformen, andrerseits auch durch seine Beiträge zur Kolonialgeschichte und Erschließung der unterentwickelten Gebiete, in der geographischen Methodik, durch Beiträge zur Länderkunde (südamerikanische Länder), und durch Herausgabe von Kartenwerken (u.a. Großer Herder-Atlas) zu einem der führenden Vertreter der Geographie machten.
(Geographisches Institut an Dekanat der Philosophischen Fakultät, 23.11.1963, Archiv der Universität Wien, Akad. Senat S 199.3.19)

Eine eigens eingesetzte Kommission der Philosophischen Fakultät beriet am 9. Dezember 1963 über die bis dahin eingelangten Anträge für Ehrendoktorate aus den verschiedenen Fächern der Fakultät und übermittelte dem Rektorat und dem Senat anschließend eine Liste von zehn Personen. Der Akademische Senat bestätigte insgesamt 26 Vorschläge aller Fakultäten am 9. Mai 1964 „en bloc“ und einstimmig, und legte diese dem Bundesministerium für Unterricht unter Theodor Piffl-Perčević vor. Nach ministerieller Genehmigung am 10. September 1964 informierte Nikolaus Hofreiter als Dekan der Philosophischen Fakultät Carl Troll von der beabsichtigten Ehrung. Erfreut sagte Troll zu, an der Verleihungszeremonie teilzunehmen. Am 11. Mai 1965 wurde Troll schließlich im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten das Ehrendoktorat verliehen.

1966 trat Carl Troll in den Ruhestand, war jedoch weiterhin als Herausgeber und Organisator von Fachkonferenzen aktiv. Nur einige Monate nach einem Festkolloquium, das anlässlich seines 75. Geburtstags und 50. Habilitationsjubiläums im Jänner 1975 stattfand, starb er am 21. Juli 1975.

In Erinnerung an ihn wurde 1978 die „Carl-Troll-Straße“ im Bonner Universitätsviertel Poppelsdorf benannt.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 28.03.2024 - 21:43

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