Eugen Philippovich, Freiherr von Philippsberg, o. Univ.-Prof. Dr. jur.

15.3.1858 – 4.6.1917
geb. in Wien, Österreich gest. in Wien, Österreich

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1895/96
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1898/99
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1899/1900
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1900/01
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1901/02
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1902/03
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1903/04
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1905/06
Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1907/08

Eugen Philippovich (seit 1860: Freiherr von Philippsberg), Sohn des k. k. Feldmarschallleutnants Nikolaus von Philippovich, entstammte einer Offiziersfamilie mit kroatischen und bosnischen Wurzeln. Er besuchte das Gymnasium in Marburg an der Drau (Maribor, Slowenien), um später an die Theresianische Akademie in Wien zu wechseln, wo er 1876 die Matura ablegte. Anschließend begann er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz, wo er noch 1876 der Burschenschaft Arminia Graz beitrat. 1879 wechselte er an die Universität Wien, wo er am 9. Dezember 1881 zum Dr. jur. promoviert wurde. Noch vor dem Abschluss des Studiums begann Philippovich eine Beamtenlaufbahn bei der Finanzprokuratur, die er jedoch 1882 zugunsten einer Studienreise nach London und Berlin abbrach.

Eugen Philippovich wurde 1884 mit einer Arbeit über die Bank von England an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien für politische Ökonomie habilitiert. Nachdem er anschließend ein Jahr an der Handelsakademie in Wien gelehrt hatte, wurde er 1885 als außerordentlicher Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaften an die Universität Freiburg in Breisgau berufen. Hier stieg er 1888 zum ordentlichen Professor auf und fungierte von 1890 bis 1892 als Senator. 
Philippovich arbeitete in Freiburg zu finanzwissenschaftlichen Problemen des badischen Staatshaushaltes sowiezu Fragen des Kolonialwesens und der Auswanderung, befasste sich jedoch auch intensiv mit methodologischen Fragen. In dem Streit zwischen der theoriefeindlichen Deutschen Historischen Schule und der Österreichischen Schule der Nationalökonomie nahm er eine vermittelnde Position ein und unterstrich die Notwendigkeit ökonomischer Theorien, plädierte jedoch für deren praktische Anwendung im Rahmen wirtschafts- und sozialpolitischer Reformen, um ökonomische Ungleichheit auszugleichen.

Nach acht Jahren an der Universität Freiburg folgte Eugen Philippovich 1893 einem Ruf auf das Ordinariat für politische Ökonomie an der Universität Wien, das er bis zu seiner Emeritierung 1917 ausübte. Hier leitete der das Staatswissenschaftliche Institut, war Mitglied der staatswissenschaftlichen Staatsprüfungskommission und der Prüfungskommission für Kandidaten des Lehramtes an höheren Handelsschulen. In den über zwei Jahrzehnten an der Universität Wien unterrichtete er zahlreiche später namhafte Schüler, wie Josef von Schumpeter und Emil Lederer. Gemeinsam mit Edmund Bernatzik gab Philippovich ab 1898 die Reihe „Wiener Staatswissenschaftliche Studien“ heraus und wurde 1904 neben Eugen von Böhm-Bawerk, Karl Theodor von Inama-Sternegg, Ernst von Plener und Friedrich von Wieser Mitglied des Herausgebergremiums der „Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung“.

Seinen Ruf als einer der führenden Nationalökonomen Österreichs erlangte er unter anderem durch sein vielrezipiertes dreibändiges Hauptwerk „Grundriß der politischen Ökonomie“, das zahlreichen Auflagen erschien und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Daneben näherte sich Phlippovich in mehreren Arbeiten unter Anwendung statistischer und empirischer Methoden sozialen und wirtschaftspolitischen Fragen, wie den katastrophalen Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen der Wiener ArbeiterInnen (Vorläufer der quantitativen empirischen Sozialforschung in Österreich).

Entsprechend seiner Forderung nach einer praktischen Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien, betätigte sich Philippovich auch aktiv als Politiker: Er fungierte als ökonomischer Ratgeber des Kaiserhauses, etwa in Fragen des Finanzausgleichs und des Zollwesens. Neben Plener und Michael Hainisch zählte zu den wenigen österreichischen Mitgliedern des „Vereins für Socialpolitik“, wo er für eine Integration und Mobilisierung der Arbeiterschaft durch eine Kombination aus Sozialpolitik und Kolonialpolitik plädierte. Vom Kolonialismus erwartete Philippovich Impulse für die gesellschaftliche Integration und einen wirtschaftlichen Aufschwung. Als „Kathedersozialist“ und Anhänger eines staatlichen Interventionismus verschrien, war er auch Mitglied der u. a. von Hainisch mitbegründeten, sozialpolitisch engagierten „Wiener Fabier“. Als aus dieser Gesellschaft 1896 die Sozialpolitische Partei entstand, galt Philippovich als ihr geistiger Führer und zog für sie als Abgeordneter der Städtekurie in den niederösterreichischen Landtag ein (bis 1902). Er gehörte zahlreichen staatlichen Beiräten und Gremien an, wie dem 1898 gegründeten Arbeitsbeirat sowie dem Industrierat im k. k. Handelsministerium. 1900 wurde er in Paris Mitbegründer der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz und fungierte auch als Präsident des österreichischen Pendants. Zudem war er Vorstandsmitglied des Vereins „Zentralstelle für Wohnungsreform in Österreich“ und engagierte sich für volksbildnerische Aktivitäten.

An der Universität Wien fungierte Eugen von Philippovich in den Studienjahren 1895/96 und 1907/08 als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, zwischen 1898 und 1904 sechsmal als Senator ebendieser Fakultät sowie 1905/06 als Rektor. Als Wiener Rektor hatte er wiederum ein Virilmandat im niederösterreichischen Landtag. Der liberale und sozial engagierte Rektor Philippovich setzte sich sowohl im Landtag (u. a. Karl Lueger) als auch innerhalb der Universität (Studenten) gegen Antisemitismus und Deutschnationalismus ein. So befürwortete er etwa die Berufung des als Tscheche diffamierten Kunsthistorikers Max Dvořák an die Universität Wien, worauf deutschnationale Studierende mit einer Demonstration reagierten. Als Strafe für die folgenden Störungen in Dvořáks Vorlesungen forderte Philippovich den Ausschluss der verantwortlichen Studenten von der Universität und wurde damit auch selbst zur Zielscheibe der Deutschnationalen: In der „Ostdeutschen Rundschau“ wurde er als Rektor „mit der eisernen Faust“ bezeichnet und im selben Jahr von der Burschenschaft „Armine“, der er seit 1876 angehört hatte, zum Austritt aufgefordert.

Eugen von Philippovich wurde für seine Verdienste vielfach geehrt. So wurde er 1901 zum Hofrat und 1909 zum Mitglied des österreichischen Herrenhauses ernannt. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde er 1904 korrespondierendes Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, 1906 Mitglied des „Institut International de Sociologie“ in Paris sowie 1915 auswärtiges Mitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften. Er war Mitglied der statistischen Zentralkommission, des Beirates des Handelsministeriums in Gewerbeförderungsangelegenheiten und fungierte als Präsident der Gesellschaft österreichischer Volkswirte in Wien.

Bereits kurz nach seiner Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen – sein Nachfolger wurde Othmar Spann – starb Philippovich am 4. Juni 1917 und wurde am Döblinger Friedhof bestattet.
1926 benannte der Wiener Gemeinderat die Philippovichgasse in Wien-Döbling nach dem berühmten Nationalönomen.

Werke (Auswahl)

Die Bank von England im Dienste der Finanzverwaltung des Staates (Habilitationsschrift), 1885 (2. Auflage 1911).
Über Aufgabe und Methode der politischen Ökonomie (Antrittsrede Freiburg), 1886.
(Hg.), Gesetze über die direkten Steuern, 1888.
Der badische Staatshaushalt in den Jahren 1868–1889, 1889.
Wirtschaftlicher Fortschritt und Kulturentwicklung, 1892.
(Hg.) Auswanderung und Auswanderungspolitik in Deutschland, 1892.
Wiener Wohnungsverhältnisse, 1894.
Grundriß der politischen Ökonomie (3 Bände), 1893-1907 (zahlr. Neuauflagen).
gem. mit Michael Hainisch u. Otto Wittelshöfer: ​Zur österreichischen Wahlreform, 1895. 
gem. mit Michael Hainisch u. Otto Wittelshöfer (Hg.): Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen, 1897.
gem. mit Paul Schwarz: ​Wohnungsverhältnisse in österreichischen Städten insbesondere in Wien, 1900. 
Individuelle Verantwortlichkeit und gegenseitige Hilfe im Wirtschaftsleben (Inaugurationsrede), 1905.
Reiseeindrücke aus Nordamerika, 1905.
Die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Ideen im 19. Jahrhundert, 1910.
Ein Wirtschafts- und Zollverband zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn, 1915.

Ausführliche Bibliographie siehe Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 28.03.2024 - 21:25

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