Ferdinand Hochstetter, o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c.
Ehrungen
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
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Denkmal | 1932/33 | Medizinische Fakultät |
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Ehrendoktorat | Dr. phil. h.c. | 1950/51 | Philosophische Fakultät |
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Die Ehrungen werden 2022/23 als „diskussionswürdig“ eingestuft, Ferdinand Hochstetters anatomisches Institut wurde zu einem Anziehungspunkt für deutschnational‐völkische und katholisch‐konservative Studierende und in weiterer Folge dadurch zu einem Ausgangspunkt der antisemitischen Gewaltexzesse am I. Anatomische Institut Julius Tandlers. Hochstetter war in mehreren deutschnational‐völkischen Vereinen aktiv; außerdem lässt sich seine Teilnahme an studentisch‐politischen Ereignissen nachweisen. Hochstetter war Mitglied im „Deutschen Klub“, engagiert sich im Umfeld der „deutsch‐arischen Studentenorganisation“, im „Verein Deutscher Mediziner“ (VDM) und gehörte 1937 zu den ca. 500 Proponenten des „Deutsch‐sozialen Volksbundes“, einer nationalsozialistischen Tarnorganisation. Hochstetters universitäres Umfeld wurde damals von Zeitgenossen als „Parteigänger der Nationalsozialisten“ bezeichnet. 1933 wurde sein Schüler Eduard Pernkopf zu seinem Nachfolger. Der überzeugte Nationalsozialist wurde nach dem „Anschluss“ zum Dekan der Medizinischen Fakultät ernannt.
Funktionen
Dekan*in | Medizinische Fakultät | 1910/11 |
- Medizin
- Anatomie
- Medizinische Fakultät
Ferdinand Hochstetter wurde 1861 in Hruschau (Kronland Österreichisch‐Schlesien) geboren. Sein Vater war ein Chemiker, der als Fabrikant zu Wohlstand gekommen war. Die Familie flüchtete 1866 nach Wien, nachdem das Gebiet während des preußisch‐österreichischen Kriegs an den Norddeutschen Bund gefallen war. Ab 1879 studierte Hochstetter in Wien Medizin, wo er 1885 promovierte. 1888 wurde er Assistent an der I. anatomischen Lehrkanzel Carl Langers. Nach dem Tod Langers übernahm Hochstetter die Leitung des Institutes für ein Jahr. Hochstetter habilitierte sich schließlich 1888 bei Langers Nachfolger Emil Zuckerkandl. 1892 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt. 1896 wurde Hochstetter Nachfolger von Wilhelm Roux (1850–1924) am anatomischen Lehrstuhl in Innsbruck und 1908 schließlich Nachfolger Carl Toldts am II. anatomischen Lehrstuhl an der Wiener Medizinischen Fakultät.
Hochstetter war für das Studienjahr 1910/1911 Dekan der Medizinischen Fakultät. 1900 wurde Hochstetter korrespondierendes und 1911 schließlich wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er war des Weiteren korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der „Leopoldina“. Er war Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, Ehrenvorsitzender der Deutschen Anatomischen Gesellschaft, Ehrenmitglied des Akademischen Vereins der Mediziner in Innsbruck (seit 1905), Ehrenmitglied des Akademischen Vereins Deutscher Mediziner in Wien (seit 1926), Ehrenmitglied der Interstate Post Graduate Medical Association of North America (seit 1928), auswärtiges Mitglied der physiographischen Gesellschaft in Lund (seit 1930), Ehrenmitglied der Gesellschaft für normale und pathologische Anatomie von Argentinien (seit 1936), Ehrenmitglied der im Nationalsozialismus als Nachfolgeinstitution für die Gesellschaft der Ärzte in Wien eingeführten Wiener Medizinischen Gesellschaft (1941) und erhielt, anlässlich seines 80. Geburtstages 1941 die „Goethe‐Medaille für Kunst und Wissenschaft“. 1951 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Wien verliehen. Schließlich war er Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (seit 1952), Ehrenvorsitzender der Deutschen Anatomischen Gesellschaft (seit 1952), Ehrenmitglied der der Brasilianischen Anatomischen Gesellschaft (seit 1953) und Ehrenmitglied des Institut International d’Embryologie, Utrecht. Hochstetter erhielt 1951 eine Medaille aufgrund seiner 70‐jährigen Mitgliedschaft beim Deutschen und Österreichischen Alpenverein (Zweig Austria).
Ferdinand Hochstetter war deutschnational eingestellt. Hochstetters Institut wurde zu einem Anziehungspunkt für deutschnational‐völkisch und katholisch‐konservative Studierende und in weiterer Folge zu einem Ausgangspunkt antisemitischer Gewaltexzesse am Institut des I. Anatomischen Lehrstuhls des Sozialdemokraten Julius Tandler, wo sich jüdische, sozialdemokratische und liberale Studierende versammelten. Ab April 1920 kam es im Zuge der Konflikte zu von Gewalt und Zerstörung begleiteten Ausschreitungen, an deren Höhepunkt, am 9. Mai 1933, nicht nur das Inventar des Institutes zerstört wurde, sondern auch Schwerverletzte zu beklagen waren. Tandler, der als Sozialdemokrat nach der austrofaschistischen Machtübernahme zwangspensioniert und verhaftet wurde, entschied sich aus Wien fortzugehen.
Hochstetters universitäres Umfeld wurde damals von Zeitgenossen als „Parteigänger der Nationalsozialisten“ bezeichnet. Hochstetters Nachfolger wurde 1933 sein Schüler Eduard Pernkopf. Pernkopf wurde nach dem „Anschluss“ als überzeugter Nationalsozialist zum Dekan der Medizinischen Fakultät ernannt. Als Pernkopf im April 1938 in SA‐Uniform seine Antrittsrede „Nationalsozialismus und Wissenschaft“ hielt, saß Hochstetter in der ersten Reihe. Pernkopf sprach bereits in seiner Antrittsvorlesung für die Übernahme der II. Anatomischen Lehrkanzel am 4. Mai 1933 mit Bezug auf Hochstetter von einer „deutschen“ Wissenschaft, welche sich durch „Gründlichkeit und Exaktheit“ und „lauterstes Streben nach Wahrheit“ auszeichne. Pernkopf behauptete, „daß auch die Wissenschaft den Charakter des Milieus, des Volkes in sich trägt.“ Möglicherweise auf Tandler abzielend behauptete er, dass demgegenüber „in den letzten Jahren eine gewisse Freizügigkeit eingerissen“ sei „[…] und bei dem allzu hohen Flug der Gedanken vielleicht unbewußt der Boden der Wirklichkeit auch in anatomischen Arbeiten verlassen worden“ sei (Pernkopf, 1933; 641–646). 1938, in seiner Antrittsrede „Nationalsozialismus und Wissenschaft“, nimmt Pernkopf nun auf diese Formulierung seiner damaligen Antrittsrede Bezug und spricht von wesensfremden „Kräften“, die „von außen her“ einen „verderblichen Einfluss“ auf die „deutsche“ Wissenschaft ausgeübt hätten und mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten „entmachtet“ worden seien:
„[W]er will diese äußere Beeinflussung, die Herkunft dieses verderblichen Einflusses leugnen, wenn gerade als Beweis dafür mit der Entmachtung dieser Kräfte, Gott sei Dank, auch schon deren Einflüsse mit einemal wie ein Spuk verschwunden sind.“ (Pernkopf, 1938, 545–548)
Hochstetter war in einer Vielzahl unterschiedlicher deutschnational‐völkischer Vereine aktiv. Des Weiteren lässt sich seine Teilnahme an unterschiedlichen, bedeutenden studentischpolitischen Ereignissen nachweisen. Hochstetter war Mitglied im „Deutschen Klub“, was sich für 1919 belegen lässt. Im letzten Mitgliedsverzeichnis, welches 1939 erschien, scheint Hochstetter allerdings nicht mehr auf. Des Weiteren engagiert er sich im Umfeld der „deutsch‐arischen Studentenorganisation“ „Verein Deutscher Mediziner“ (VDM). Am 8. Juni 1929 ist seine Teilnahme an der Eröffnung des Studentenheims des VDM belegbar. Er war außerdem Mitglied in einem sogenannten „Anschlußausschuss“ der Hochschullehrer innerhalb der Anschluss‐Bewegung (belegt für den 7. Juli 1925). 1937 gehörte er zu den ca. 500 Proponenten des „Deutsch‐sozialen Volksbundes“, einer nationalsozialistischen Tarnorganisation.
Hochstetter war des Weiteren in die Konflikte rund um die Organisation der anthropologisch‐ethnographischen Abteilung des Naturhistorischen Museums beteiligt. In deren Rahmen wurde Josef Bayer (1882–1931), dem damaligen Direktor der gemeinsamen prähistorischen, anthropologischen und ethnografischen Abteilung des Naturhistorischen Museums die Zuständigkeit der Bayer unterstellten ethnografischen Sammlung entzogen. Hochstetter war einer jener zehn Professoren, die während einer Sitzung im Unterrichtsministerium im Juni 1924 die Trennung zwischen der prähistorischen und der ethnografischen Sammlung beschlossen. Bayer selbst gab den Verstrickungen der genannten Professoren zur „Deutschen Gemeinschaft“ und deren „antisemitischer Propaganda“ die Schuld für seine Entmachtung und informierte die Presse, die ausführlich über seinen Fall berichtete. So titulierte der „Abend“ einen Bericht über die Ereignisse mit „Die Hakenkreuzprofessoren“. Das „Neue 8 Uhr Blatt“ brachte die Schlagzeile „Hakenkreuzhetze in der Wissenschaft“. Huber, Erker und Taschwer bezeichnen diesen Vorgang vor dem Hintergrund der gängigen Praxis der „Deutschen Gemeinschaft“ als „direkte Intervention im Unterrichtsministerium“. Gemeinsam mit den anderen Professoren, die an der oben genannten Sitzung im Unterrichtsministerium teilnahmen, strebte Hochstetter ein Disziplinarverfahren wegen Rufschädigung an, dessen Folgen die Entziehung der Lehrbefugnis auf Lebenszeit war, welche später in einen Entzug der Lehrberechtigung auf drei Jahre umgewandelt wurde. Bayer wurde schuldig gesprochen, „in einer Besprechung mit der Tagespresse diese fälschlich dahin benachrichtigt zu haben, dass die Professoren und Dozenten der philosophischen Fakultät […] aus unsachlichen (teils persönlichen, teils parteipolitischen) Gründen die erwähnte Teilung befürwortet“ hätten und es dadurch zu schweren Anschuldigungen gegen die Professoren in der Tagespresse gekommen sei, welche auch dem Ansehen der Universität geschadet hätten.
Seine politische Gesinnung gab Hochstetter in einem Empfehlungsschreiben für Konrad Lorenz an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) kund:
„Und so habe ich mit ihm, da ich ihm voll vertrauen konnte, alles, und so auch recht häufig politische Tagesfragen besprochen. Denn trotzdem wir beide keiner besonderen Partei angehörten, interessierten uns diese Fragen auf das Lebhafteste. Dabei trafen wir uns in der schärfsten Ablehnung des Klerikalismus und alles dessen, was mit ihm zusammenhängt. Auch waren wir stets eines Sinnes darüber, daß das Schicksal von uns Deutschen in Österreich mit dem Schicksal der Deutschen im Reich auf das allerengste verknüpft sei und daß wir uns nur mit einer Politik einverstanden erklären könnten, die auf diese Schicksalsverbundenheit vollste Rücksicht nehmen, ja geradezu auf ihr aufgebaut werden würde.“ (Ferdinand Hochstetter an Prof. Frhr. von Wettstein, Kaiser Wilhelm Institut für Biologie, 5.7.1937)
Hochstetter erhielt aus Anlass der Vollendung seines 80. Lebensjahres am 7. Februar 1941 die Goethe‐Medaille für Kunst und Wissenschaft. Diese wurde ihm im Zuge einer Festsitzung zu Ehren seines 80. Geburtstages in der Wiener Medizinischen Gesellschaft im Billrothhaus von Max de Crinis (1889–1945) überreicht. Hochstetter wurde im Rahmen dieser Sitzung außerdem zum Ehrenmitglied der Wiener Medizinischen Gesellschaft ernannt. Im Anschluss daran erschien eine Sondernummer in der „Wiener klinischen Wochenschrift“ mit Beiträgen von Otto Großer (1873–1951), Curt Elze (1885–1972), Heinrich von Hayek und Eduard Pernkopf. Otto Großer verfasste eine Gratulationsschrift, in der es heißt: „Für seine Schüler aber und für alle, die ihn näher kennenlernten, ist Hochstetter Typus und Vorbild des deutschen Gelehrten geworden, eines Typus, der zu den besten und höchsten Erzeugnissen deutscher Kultur gehört, der an der Weltgeltung des deutschen Volkes einen wesentlichen Anteil hat und in Zukunft haben wird.“ (Großer, 1941, 108–110)
Josephinum, Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin, MedUni Wien/ Josephinum, Ethics, Collections and History of Medicine, MedUni Vienna. MUW‐AS‐000509‐0002: Dankesbrief von Ferdinand von Hochstetter an den Vorstand der Gesellschaft für norm. und patholog. Anatomie von Argentinien anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft. Hinterbichl. 27.7.1936.
Josephinum, Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin, MedUni Wien/Josephinum, Ethics, Collections and History of Medicine, MedUni Vienna. MUW‐AS‐000509: Durchschlag des Verzeichnisses des Nachlasses von Ferdinand von Hochstetter.
Kaiser Wilhelm Institut für Biologie, Ferdinand Hochstetter an Prof. Frhr. von Wettstein, 5. Juli 1937.
Josephinum, Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin, MedUni Wien/Josephinum, Ethics, Collections and History of Medicine, MedUni Vienna. MUW‐AS‐002050‐0003: Glückwünsche zum 80. Geburtstag und Verleihung der Goethe‐Medaille für Kunst und Wissenschaft vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an Ferdinand Hochstetter. Berlin W 8. Unter den Linden 69. 5. Februar 1941.
Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv Zeitgeschichte Signatur: ZG S 283‐36.
Zuletzt aktualisiert am 27.02.2024 - 22:07