Wilhelm Czermak, o. Univ.-Prof. Dr. phil.

10.9.1889 – 13.3.1953
geb. in Prag, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Funktionen

Dekan*in Philosophische Fakultät 1945/46
Rektor Philosophische Fakultät 1952/53

Wilhelm Czermak, Sohn des gleichnamigen Professors für Augenheilkunde an der deutschen Universität in Prag Wilhelm Czermak (1856-1906) und Großneffe des Physiologen Johann Nepomuk Czermak (1828-1873), übersiedelte nach dem Tod seines Vaters mit seiner Familie nach Wien. Nach derReifeprüfung am Schottengymnasium studierte er ab 1907 Orientalische Sprachen (Semitistik, Arabistik, Indogermanistik und Ägyptologie) an der Universität Wien. Zu seinen Lehrern zählten u.a. David Heinrich Müller, Joseph von Karabaček, Eugen Oberhummer und Hermann Junker. Mit seiner Dissertation über „Die Nominalform Fûclûl im Altarabischen“ promovierte er am 11. Juli 1911 zum Doktor der Philosophie. Anschließend rückte er als Einjährig-Freiwilliger zum Dienst in der österreichisch-ungarischen Armee ein. Zwischen 1912 und 1914 arbeitete Czermak als wissenschaftliche Hilfskraft an Sprachstudien des Kordofān-Nubischen Dialektes im Zuge der Ausgrabungen der Wiener Akademie der Wissenschaften in Ägypten. 1914 bis 1918 leistete er Kriegsdienst und wurde Anfang 1918 als Nachrichtenoffizier in Aleppo in Nordsyrien eingesetzt.

Nach Kriegsende kehrte Wilhelm Czermak nach Wien zurück und publizierte sein Werk „Kordofān-Nubische Studien“, mit dem er sich 1919 an der Universität Wien für hamito-semitische und afrikanische Sprachen habilitieren konnte. 1925 erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor für Afrikanistik. Czermak gehörte den ab Anfang der 1920er-Jahre aktiven antisemitischen Professorennetzwerken „Bärenhöhle“ und „Deutsche Gemeinschaft“ an, das die Habilitation oder Berufung jüdischer oder linker WissenschafterInnen an der Universität Wien in der Zwischenkriegszeit weitgehend erfolgreich verhinderte und Angehörige der Clique protegierte. Czermak war von 1927 bis zu deren Auflösung 1930 Leiter der „Akademischen Legion“ (Wehrverband der Wiener Hochschüler) und trat anschließend der Verbindung Bajuvaria im Österreichischen Cartellverband bei.

1931 wurde Wilhelm Czermak an der Universität Wien als Nachfolger von Hermann Junker als ordentlicher Professor für Ägyptologie und Afrikanistik berufen und zum Direktor des Instituts für Ägyptologie und Afrikanistik ernannt – beide Positionen behielt er auch während der NS-Zeit. 1939 wurde er zudem von der Akademie der Wissenschaften als korrespondierendes Mitglied im Inland aufgenommen.
In seinen früheren wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte sich Wilhelm Czermak besonders mit sprachhistorischen Studien zu verschiedenen afrikanischen Sprachen (Somali, Ewe, Sudansprachen) sowie zur koptischen, alt-, mittel- und neuägyptischen Sprache. Dabei legte er großen Wert auf das Verständnis der Gesamtheit der Sprache (Laut- und Formenlehre, Syntax, Wortgestaltung, Sprachmelodie, Ausdrucksweise bis hin zur Kultur der Sprechenden). Später verlagerte sich sein Interesse daher auch auf sprach- und völkerpsychologische sowie religionswissenschaftliche Themen (u.a. „Wiener Totenbuchstudien“ zur ägyptischen Religion). Czermak hatte den Ruf eines ausgezeichneten Vortragenden und Lehrenden.

Unmittelbar nach Kriegsende wurde Wilhelm Czermak von neugewählten Akademischen Senat zum Dekan der Philosophischen Fakultät für das Sommersemester 1945 gewählt – eine Funktion, die er bis ins Studienjahr 1946/47 ausübte. Im Oktober 1945 wurde er wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und fungierte in den Folgejahren auch als Vorstandsmitglied der Wiener Sprachgesellschaft sowie der Wiener Anthropologischen Gesellschaft und gehörte als Mitglied dem Deutschen Archäologischen Institut und dem Governing Body of the International African Institute, London, an.

Als Czermak zum Rektor der Universität Wien für das Studienjahr 1952/53 gewählt wurde, schien seine Karriere auf dem Höhepunkt, doch er war gesundheitlich bereits stark geschwächt (Erblindung auf einem Auge, Herzkrankheit). Als er am 13. März 1953 nach einer Promotionsfeier im Talar in sein Amtszimmer zurückkehrte, um Unterrichtsminister Ernst Kolb zu empfangen, erlitt er einen Herzinfarkt und verstarb buchstäblich während der Ausübung seines Amtes. Wilhelm Czermak wurde am 19. März 1953 im großen Festsaal der Universität Wien aufgebahrt. Chargierte der CV Bajuvaria, deren Ehrenmitglied Czermak gewesen war, und nicht farbtragende Studenten hielten die Totenwache an seinem mit Kränzen geschmückten Sarg. Nach der Einsegnung durch Kardinal Theodor Innitzer und einem Nachruf durch Prorektor Alfred Verdroß-Droßberg wurde der Sarg durch ein Spalier farbentragender Studenten bis zur Universitätsrampe getragen und in einem Trauerzug zum Friedhof Wien-Dornbach gebracht. An der großen Trauerfeier nahmen zahlreiche prominente Trauergäste aus Politik (u.a. Bundeskanzler Leopold Figl, Unterrichtsminister Kolb, Justizminister Josef Gerö, Bürgermeister Franz Jonas) sowie Würdenträger verschiedener Hochschulen teil.

Werke (Auswahl)

Die Nominalform Fûclûl im Altarabischen (Dissertation), 1911.
Kordofan-Nubische Studien (Habilitationsschrift), 1919.
Zur Sprache der Ewe Neger. Ein Beitrag zur Seelenkunde, 1924.
Der Rhythmus der koptischen Sprache und seine Bedeutung in der Sprachgestaltung, 1931.
Die Laute der ägyptischen Sprache (2 Bände), 1931-34.
Vom Stil afrikanischer "Literaturen" und seinen seelischen Hintergründen. Festschrift Dietrich Westermann, 1944.
Über den Monolog des Urgottes in einem Kapitel über die Weltschöpfung im altägyptischen "Totenbuch" (Inaugurationsvortrag, gehalten am 27. November 1952), 1952.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024 - 21:34

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