Frauen an der Universität Wien
Im Stiftbrief sowie in den Statuten der Universität und der Fakultäten wurden Frauen nicht explizit ausgeschlossen – vermutlich, weil in der Vorstellung der mittelalterlichen Universitätsgründer und -funktionäre ein Studium von Frauen schlicht denkunmöglich war. Dennoch waren Frauen seit der Frühen Neuzeit an der Universität präsent: Als Ehefrauen, Töchter oder Dienstboten von Universitätsangehörigen unterstanden sie der akademischen Gerichtsbarkeit. Vor allem Witwen von Universitätshandwerkern wurden selbst aktiv und übernahmen nach dem Tod ihres Gatten deren Geschäft. Ein Beispiel dafür ist Eva Maria Schilgin (1682–1759): Sie war mit den Universitätsbuchdruckern Christoph Lercher (gest. 1713) und Johann Baptist Schilgen (1687–1743) verheiratet und führte die Druckerei großteils selbst. Auch ihr Enkel Johann Jahn war Universitätsbuchdrucker.
Daneben finden sich zahlreiche Frauen in den Akten der Medizinischen Fakultät. Die Ausübung der medizinischen Praxis sowie der Handwerksberufe war an die Zulassung durch die Fakultät geknüpft. Diese prüfte neben Chirurgen und Apothekern auch die Hebammen, die damit ebenfalls der Gerichtsbarkeit des Rektors unterstanden.
Zum regulären Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien wurden Frauen jedoch erst ab 1897 zugelassen. Es folgten 1900 die Medizinische, 1919 die Rechts- und Staatswissenschaftliche, 1928 die Evangelisch-theologische und zuletzt 1945 die Katholisch-theologische Fakultät. Die erste Promotion einer Frau an der Universität war 1897 jene der Medizinerin Gabriele Possanner von Ehrenthal, die zuvor an der Universität Zürich studiert und promoviert hatte. Nach einem Bittschreiben an Kaiser Franz Joseph 1895 ließ das Innenministerium sie zur Nostrifizierung ihres Schweizer Doktordiploms und damit zur Praxis als Ärztin zu.
Die Romanistin Elise Richter wurde 1907 als erste Frau an der Universität Wien habilitiert. 1921, ebenfalls als erster Frau, wurde ihr der Titel einer außerordentlichen Professorin verliehen. Die erste ordentliche Professur wurde 1956 an die Physikerin Berta Karlik verliehen. Dass die Ernennung zur ersten Ordinaria erst knapp ein halbes Jahrhundert nach der ersten Habilitation einer Frau erfolgte, ist nicht zuletzt auf die Wirkungsmacht des Nationalsozialismus zurückzuführen, der die Entwicklungen vieler Pionierinnen unterbrochen hatte.
125 Jahre nach der Zulassung der ersten Frauen zum Studium an der Universität Wien lud die Abteilung Gleichstellung und Diversität der Universität Wien ab 8. März 2022 zu der Ausstellung "(K)Ein Spaziergang - 125 Jahre Frauen an der Universität Wien" im Hof 1 des Campus ein, die zeigte, dass die Frauengeschichte an der Universität alles andere als ein Spaziergang ist.
Zuletzt aktualisiert am 24.04.2024 - 13:08
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