Adolf Lieben, o. Univ.-Prof. Dr. phil.

3.12.1836 – 6.6.1914
geb. in Wien, Österreich gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Büste im Chemischen Institut Philosophische Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1922 Philosophische Fakultät

Funktionen

Dekan*in Philosophische Fakultät 1879/80

Adolf Lieben war ein Sohn des Großhändlers, Bankiers und Vorstehers der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien Ignaz (Ignatz) Leopold Lieben (1805–1862) und dessen Ehefrau Elise geb. Lewinger (1807–1867). Beide Eltern entstammten wohlhabenden jüdischen Bankiers- und Kaufmannsfamilien. Adolf Lieben studierte ab 1854 Chemie an der Universität Wien vor allem bei Josef Redtenbacher sowie am k.k. Polytechnischen Institut (heute Technische Universität Wien) bei Anton Schrötter, in dessen Laboratorium er tätig war. Er forschte zunächst im Bereich der anorganischen Chemie über Salzlösungen. 1855 setzte er sein Studium an der Universität Heidelberg bei Robert Wilhelm Bunsen fort und promovierte dort 1856 zum Dr. phil. Anschließend absolvierte er einen zweijährigen Studienaufenthalt am medizinisch-chemischen Laboratorium von Charles Adolphe Wurtz in Paris, wo er sich erstmals der organischen Chemie zuwandte. 1858 sammelte er während seiner Tätigkeit für die Fabrik Kuhlmann in Lille chemisch-technische Erfahrungen.

Zurück in Wien war Adolf Lieben wieder am Labor von Schrötter tätig und wurde 1861 an der Universität Wien für das Fach Organische Chemie habilitiert. Auf Initiative des italienischen Chemikers Stanislao Cannizzaro wurde Lieben 1863 als Professor an die Universität Palermo berufen. 1867 wechselte er an die Universität Turin. Weitere vier Jahre später folgte seine Berufung an die Universität Prag. Als Professor in Palermo, Turin und Prag machte sich Lieben um die Einrichtung von Unterrichtslaboratorien für die praktische Lehre verdient.

1875 folgte Adolf Lieben schließlich dem Ruf auf ein Ordinariat für Chemie an die Universität Wien, verbunden mit der Leitung des II. Chemischen Universitätslaboratoriums. In dieser Position lehrte und forschte er über drei Jahrzehnte lang bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1906. Sein bedeutendster Schüler war Carl Auer von Welsbach. Im Studienjahr 1879/80 fungierte er zudem als Dekan der Philosophischen Fakultät.

Auf dem Gebiet der organischen Chemie leistete Adolf Lieben unter Anwendung synthetischer Methoden bahnbrechende Forschungen. Er gilt als Begründer einer neuen Forschungsrichtung der organischen Chemie in Österreich, die auf der Theorie der Atomverkettung beruhte. Mit zahlreichen Versuchen gelang es ihm, diese organische Strukturtheorie experimentell zu untermauern – seine Forschungsergebnisse waren somit grundlegend für die gesamte aliphatische Chemie. Er untersuchte die Konstitution und Synthese der Alkohole, Aldehyde, Säuren und Kohlenwasserstoffe, sowie die Kondensation von Aldehyden zu Aldolen. 1869 entdeckte er die nach ihm benannte liebensche Jodoform-Reaktion. Gemeinsam mit Ludwig Barth von Barthenau begründete Adolf Lieben 1880 die Fachzeitschrift „Monatshefte für Chemie“.

Die Familie Lieben unterhielt zahlreiche soziale Stiftungen und war auch als Förderer der Wissenschaften von großer Bedeutung. Adolf Liebens Vater, Ignaz L. Lieben, hatte in seinem Testament einen Betrag von 6.000 Gulden „für das allgemeine Beste“ vorgesehen. Adolf Lieben stellte diese Summe 1863 der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien für eine nach seinem Vater benannte Stiftung zur Verfügung, die ab 1865 bis 1937 den Ignaz L. Lieben-Preis an Wissenschafter (und später auch Wissenschafterinnen) aus den Bereichen Chemie und Physik vergab. Das Stiftungsvermögen wurde im Jahr 1900 durch die Familie Lieben aufgestockt und auf Arbeiten aus dem Bereich Physiologie ausgedehnt.

Ehrungen

Adolf Lieben wurde für seine wissenschaftlichen Leistungen vielfach geehrt und ausgezeichnet. 1870 wurde er korrespondierendes, 1879 wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. Außerdem war er Mitglied der Akademien von Rom, Turin, München und Berlin, sowie Ehrenmitglied diverser gelehrter Gesellschaften. Im Jahr 1888 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt. Er war Träger der Lavoisier-Medaille sowie der Berthelot-Medaille der Société Chimique de France, erhielt 1903 das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens mit dem Stern und war Komtur der französischen Ehrenlegion. 1910 wurde er Mitglied des österreichischen Herrenhauses des österreichischen Reichsrats.

Adolf Lieben starb am 6. Juni 1914 im Alter von 77 Jahren in Wien und wurde am Döblinger Friedhof bestattet.

Acht Jahre nach seinem Tod wurde 1922 im Arkadenhof der Universität Wien ein Denkmal für Adolf Lieben (gestaltet von Karl Kundmann) enthüllt. Eine weitere Büste befindet sich im Zweiten Chemischen Institutsgebäude (heute Gebäude der Fakultät für Chemie) in der Währinger Straße 38.

Nationalsozialistische Verfolgung der Familie Lieben

Die Familie Lieben wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland 1938 als jüdisch verfolgt. Der Sohn von Adolf Lieben und dessen Ehefrau Mathilde (1861–1940), Heinrich Lieben, wurde 1945 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet.
Aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung wurde auch die Verleihung des Ignaz L. Lieben-Preises 1938 eingestellt.
Im November 1938 wurden im Auftrag des von den Nationalsozialisten eingesetzten kommissarischen Rektors Fritz Knoll 15 Denkmäler vermeintlich jüdischer Professoren aus dem Arkadenhof entfernt, darunter jenes von Adolf Lieben. Nach Kriegsende wurden 1947 alle beschädigten und entfernten Denkmäler restauriert und wieder aufgestellt.

2004 ermöglichte die finanzielle Unterstützung von Isabel und Alfred Bader die Reaktivierung des Ignaz L. Lieben-Preises, der seither wieder jährlich an Wissenschafter*innen für hervorragende Leistungen in den Fachgebieten Molekularbiologie, Chemie oder Physik vergeben wird.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 - 22:35

Druckversion