Äußere Umstrukturierung nach dem „Führerprinzip“ und NS-Funktionäre

1938–1945

Bereits in den ersten Tagen nach dem „Anschluss“ 1938 übernahmen Nationalsozialisten die wichtigsten machtpolitischen Funktionen im Bereich der Wissenschaft. Zahlreiche Professoren der Universität Wien beteiligten sich in vorauseilendem Gehorsam an der Umstrukturierung und Politisierung der universitären Selbstverwaltung nach dem „Führerprinzip“ und besetzten dabei zentrale Führungspositionen.

Am 15. März wurde Fritz Knoll, Professor der Botanik und seit 1937 NSDAP-Mitglied, von der Landesleitung der NSDAP mit sofortiger Wirksamkeit beauftragt, „die Interessen der Landesleitung an der Wiener Universität wahrzunehmen“. Tags darauf übernahm er vom bisherigen Rektor Ernst Späth die Amtsgeschäfte und wurde zum „kommissarischen Rektor“ bestellt, der nun auch einen eindeutig politisch-ideologischen Auftrag zu erfüllen hatte.
Mit dem Dekan der philosophischen Fakultät, Viktor Christian (Orientalistik), und dem Dekan der Medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf (Anatomie), der 1943 auch das Rektorat von Knoll übernahm, waren zwei weitere zentrale universitäre Entscheidungsträger mit parteikonformen Professoren besetzt. Daneben demonstrierte etwa Oswald Menghin (Ur- und Frühgeschichte) seine Nähe zur NSDAP durch seine Funktion als Unterrichtsminister in der „Anschluss“-Regierung unter Arthur Seyß-Inquart 1938.

Mit Inkrafttreten der „Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung“ von 1935 im Mai 1938 wurde die Universität Wien dem 1934 gegründeten Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) unter Minister Bernhard Rust unterstellt und nach dem „Führerprinzip“ hierarchisiert. Nationalsozialistische Lehrende und Studierende wurden im Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund bzw. Studentenbund organisiert, die wiederum dem REM unterstellt waren, und alle anderen Verbindungen aufgelöst bzw. integriert.
Zum Zweck der politischen Kontrolle wurde auch an der Universität Wien eine lokale Sektion des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes gegründet, dessen Leitung Dozentenführer Arthur Marchet (Petrologie, ab 1943 Dekan der Philosophischen Fakultät) übernahm.

Die Eingriffe des Berliner Reichserziehungsministeriums in die Hochschulverwaltung förderten die Ernüchterung der Wiener Professoren nach Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die wachsende „Selbstbehauptung“ der Wiener Universität war nicht politisch begründet, sondern formierte sich anlässlich der Bestellung eines Kurators. Während der Rektor nun nur noch für den akademischen und der Dozentenführer weiterhin für den politischen Bereich zuständig waren, sollte der Kurator – als neue Instanz zwischen Universität und Ministerium – den staatlichen Aufgabenbereich der Hochschulen, also den Kontakt zum Ministerium, übernehmen. Die Einrichtung des Kurators erschien den Wiener Professoren nicht mit österreichischen Traditionen vereinbar, dennoch trat der Verwaltungsexperte Dr. Walter von Boeckmann am 1. Februar 1940 sein Amt als Kurator der Wiener Hochschulen an. Da er immer mehr Verwaltungsaufgaben an sich zog, versuchten die Wiener Rektoren wiederholt dessen Kompetenzen abzugrenzen und in seine Befugnisse zu intervenieren.

Nach dem „Anschluss“ versuchten zahlreiche Universitätsmitglieder durch die Darstellung ihrer Leistungen für die NSDAP, als frühere „illegale“ Parteimitglieder oder durch einen angestrebten Beitritt ihre politische „Verlässlichkeit“ unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus richteten einige ihre Lehre und Forschung auf die politische Ideologie des NS aus oder beteiligten sich an Raub und „Arisierung“ von Sammlungen und Buchbeständen aus jüdischem Besitz.

Druckversion