Widerstand gegen den Nationalsozialismus

1938–1945

Neben der breiten Involvierung der Universitätsangehörigen in das NS-Regime muss hier auch auf jene Personen hingewiesen werden, die dem politischen Druck nicht nachgaben und sich offen bzw. geheim im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagierten. Zahlreiche politische GegnerInnen wurden Opfer der Verfolgung durch das NS-Regime.

Die „Roten Studenten“ ab 1934

Der antifaschistische Widerstand wurde bereits während der Zeit des Austrofaschismus in die Illegalität gedrängt. Als Vereinigung der illegalen kommunistischen Studierendenorganisation und der "Revolutionären Sozialisten" wurde der "Rote Studentenverband" gegründet – einer der Mitbegründer war der Chemiestudent Hans Friedmann, der besonders unter den Studierenden des Physikalisch-Chemischen Instituts in der Währinger Straße 42 zahlreiche Anhänger hatte und verschiedene Widerstandsaktionen, wie das Streuen von antifaschistischen Flugblättern, organisierte. Die Aktivitäten wurden auch nach dem „Anschluss“ 1938 fortgesetzt, jedoch unter steigender Gefahr und geschwächt durch die erzwungene Emigration verfolgter Mitglieder.

Studierende vor Gericht: Verfolgung durch das NS-Regime

Die Widerstandsaktivitäten wurden vom NS-Regime äußerst hart bestaft und mehrere Studierende wurden infolge ihres Engagements verhaftet und in Gerichtsverfahren – meist wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“- zur Haft oder zum Tod verurteilt.

Dem kommunistischen Jugendverband (KJV) gehörte die Geschichtestudentin Sophie Vitek  an, als sie 1943 gemeinsam mit fünf weiteren Personen aufgrund der Verbreitung von Flugschriften des Verbandes wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt wurde. Vitek und vier weitere Beschuldigte wurden zum Tode und „Ehrverlust auf Lebensdauer“ verurteilt. Während die anderen vier 1944 hingerichtet wurden, wurde Viteks Todesurteil wurde später in eine Zuchthausstrafe umgewandelt. Sie konnte ihr Geschichtestudium 1951 abschließen.

Der im Rahmen der „Roten Studenten“ am Chemischen Institut aktive Peter Schramke galt als „Mischling 1. Grades“ und musste daher 1940 abbrechen. Im selben Jahr wurde er wegen Widerstandsaktivitäten verhaftet, um 1943 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt zu werden. Nach Kriegsende wurde Schramke aus der Haft entlassen und schloss 1947 ein Studium der Staatswissenschaften an der Universität Wien ab.

Todesopfer der Verfolgung

Einige Studierenden wurden durch den nationalsozialistischen Verfolgungs- und Terrorapparat ermordet, darunter Elfriede (Friedl) Hartmann, die ebenfalls bis zum erzwungenen Abbruch 1940 – auch sie galt als „Mischling“ – Chemie studierte. Hartmann engagierte sich gemeinsam mit ihrem Freund, dem Bauschlosser Rudolf Mašl im Widerstand und war in der Gruppe „Soldatenrat“ tätig, die illegale Widerstandszeitungen („Die Rote Jugend“) herausgab, in Wien Flugblätter verteilte und im Zuge von Briefaktionen Feldpostbriefe an Frontsoldaten sandte mit der Aufforderung zur Desertation. 1942 zerschlug die Gestapo die Gruppe. Friedl Hartmann wurde Anfang 1942 beim Verteilen von Flugblättern in einem Wiener Park verhaftet, wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung“ angeklagt, und 1943 nach dem Todesurteil im Landesgericht Wien hingerichtet.

Karl Motesiczky, der als angehender Psychoanalytiker an der medizinischen Fakultät der Universität Wien studierte, beherbergte ab 1938 auf seinem Anwesen in Hinterbrühl zahlreiche jüdische sowie politisch verfolgte FreundInnen. Mit dem Ehepaar Ella Lingens und Kurt Lingens sowie anderen FreundInnen bildete er ab 1939 eine kleine Widerstandsgruppe, die vielen Verfolgten half, der Gestapo zu entkommen. Bei dem Versuch, zwei Ehepaaren zur Flucht in die Schweiz zu helfen, wurden sie von einem Mittelsmann an die Gestapo verraten und im September 1942 an der Schweizer Grenze verhaftet. Karl Motesiczky, Ella Lingens und Aladar Döry wurden im Wiener Gestapohauptquartier inhaftiert und am 16. Februar 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo Karl Motesiczky wenige Monate später am 25. Juni 1943 starb.

Auch im katholisch-legitimistischen Widerstand waren Studierende der Universität Wien aktiv:

Der Gruppe "Hebra" gehörte der aus Gelsenkirchen/Westfalen stammende Frater Peter August Blandenier (1905-1941), Mitglied des Minoritenordens und Student an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität, an. Die Gruppe traf sich im Konvent in Wien 8, Alser Straße 17, um zu diskutieren und Flugblätter-Aktionen vorzubereiten, wurde jedoch bereits 1939 durch einen Spitzel enttarnt. Peter Blandenier wurde am 31. Mai wegen Verdacht auf Vorbereitung zum Hochverrat verhaftet, das Verfahren aber Ende 1939 eingestellt. Nach einer erneuten Verhaftung wurde Blandenier am 4. Mai in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er am 20. April 1941 starb.
In der Pfarrkirche Alser Vorstadt in Wien 8, Alser Straße 17 erinnert heute eine Gedenktafel an Frater Peter Blandenier.

Der Theologiestudent und Kaplan Heinrich Maier bildete gemeinsam mit dem Tiroler Franz Josef Messner, Generaldirektor der kriegswichtigen Gummiwerke Semperit im niederösterreichischen Traiskirchen, eine gut vernetzte Widerstandsgruppe. Diese bemühte sich u.a. um die Sammlung von Informationen über Standorte, Beschäftigte und Produktionen von NS-Rüstungsbetrieben und deren Weitergabe an die Alliierten. Neben anderen Mitgliedern der Gruppe kam auch Heinrich Maier im März 1944 in Gestapohaft am Morzinplatz. Er wurde am Ende 1944 vom Volksgerichtshof angeklagt, "Verbindung zum feindlichen Ausland aufgenommen" und "Lagepläne deutscher Rüstungswerke ins Ausland verraten zu haben, um Luftangriffe der Feinde auf deutsche Rüstungsbetriebe herbeizuführen" und daraufhin wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" durch "Beteiligung an einem separatistischen Zusammenschluss" zum Tode verurteilt. Am 22. März 1945 wurde er im Landesgericht Wien enthauptet.

Widerstand am Chemischen Institut 1945 | Die Ermordung von Kurt Horeischy und Hans Vollmar

An den Aktivitäten des „Roten Studentenverbandes“ hatte auch Kurt Horeischy bereits während seiner Studienzeit teilgenommen. Nach dem „Anschluss“ und einer Verwundung im Wehrdienst wurde er während der NS-Zeit Universitätsassistent am 1. Chemischen Institut, Währingerstraße 42. Gegen Ende des Krieges schlossen er und Hans Vollmar – ebenso Assistent an demselben Institut – sich der Widerstandsgruppe "Tomsk" an, die sich zum Teil in den Institutskellern versteckt hielt und von dem Institutsleiter Prof. Ludwig Ebert gedeckt wurde.
In den letzten Kriegstagen, als Prof. Ebert Wien bereits verlassen hatte, wurde an die Institutsvorstände der Chemisch-Physikalischen Institute die Order von Prorektor Viktor Christian ausgegeben, dass kostbare und für die Kriegsführung wichtige Geräte in den Universitätsinstituten auf einen Rundfunk-Befehl hin zu zerstören bzw. beschädigen seien. Am 5. April 1945 versuchte Eberts Stellvertreter, der Nationalsozialist Jörn Lange, außerordentlicher Professor für physikalische Chemie, diese Anweisung in die Tat umzusetzen und das Elektronenmikroskop des Instituts zu zerstören. Als Horeischy und Vollmar versuchten, ihn davon abzuhalten, erschoss Lange die beiden Assistenten. Jörn Lange wurde am 15. September 1945 vom Volksgericht Wien zum Tode verurteilt und nahm sich am 21. Jänner 1946 das Leben.
Johannes Mario Simmel, der derselben Widerstandsgruppe angehörte, schilderte diese Ereignisse in seinem Roman „Wir heißen euch hoffen“. Eine Gedenktafel am Chemischen Institut erinnert an Kurt Horeischy und Hans Vollmar.

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