Franz Unger, Univ.-Prof. Dr. med.

30.11.1800 – 13.2.1870
geb. in Gut Amthofen bei Leutschach, Österreich gest. in Graz, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrentafel-Fakultät 1893 Philosophische Fakultät

Die Ehrentafeln der Fakultäten in den Seitenaulen des Hauptgebäudes der Universität Wien wurden am 24. Mai 1893 enthüllt. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät eine Liste von 38 Namen von berühmten Schülern der Universität Wien, darunter jenen von Franz Unger. Die Liste war war für die Fakultät von Prof. Wilhelm Hartel bzw. im Auftrag des Senats von Universitätsarchivar Karl Schrauf zusammengestellt worden.

Denkmal Arkadenhof 1901 Philosophische Fakultät

Franz Joseph Andreas Nicolaus Unger, Sohn des Gutbesitzers Joseph Unger, besuchte das Gymnasium in Graz sowie des Stiftes Admont und nahm 1820 ein Studium der Rechtswissenschaften am Lyzeum in Graz (ab 1827 Karl-Franzens-Universität) auf. Daneben besuchte er Vorlesungen zur Botanik und Mineralogie am Joanneum. 1821 wechselte er an die Universität Wien, wo er ein Medizinstudium begann und sich naturkundlichen Studien widmete. 1822 an der Karls-Universität Prag, unternahm er 1823 eine ausgedehnte Reise durch Norddeutschland. Aufgrund seiner dort geknüpften engen Kontakte in burschenschaftliche Kreise wurde er nach seiner Rückkehr nach Wien der „Geheimbündelei“ und des „Vaterlandsverraths“ verdächtigt und kam für sieben Monate in Untersuchungshaft. Nach seiner Entlassung setzte er seine Studien an der Universität Wien fort und knüpfte Kontakt zu den Botanikern Nikolaus von Jacquin und Stephan Endlicher. 1827 promovierte er mit der naturphilosophisch geprägten Dissertation „Anatomisch-physiologische Untersuchung über die Teichmuschel“ zum Doktor der Medizin.

Franz Unger wirkte zunächst als Hauslehrer der Familie des Grafen Ferdinand von Colloredo-Mansfeld in Staatz und wurde im Folgejahr praktischer Arzt in Stockerau. Ab 1830 war er Landesgerichtsarzt in Kitzbühel. Als passionierter Naturforscher betrieb er seine Forschungen sowie die Sammlung von Pflanzen und Fossilien weiter. 1835 übernahm er schließlich eine Stelle als Kustos am Joanneum in Graz, ein Jahr später erfolgte seine offizielle Ernennung zum Lehramt der Botanik und Zoologie und zum Leiter des Botanischen Gartens ebendort. 1838 übernahm er zusätzlich die Supplierung der Professur für Landwirtschaftslehre.

Ungers Werke waren zunächst stark von der phantastisch-spekulativen Naturphilosophie Friedrich Wilhelm Schellings und Lorenz Okens beeinflusst, von der er sich später distanzierte. So versuchte er die tierische Natur gewisser Pflanzenteile wie Sporen und Samenfäden nachzuweisen. Aufgrund seiner botanischen Studien in Tirol dokumentierte er in seinem Werk „Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse“ die Abhängigkeit einzelner Pflanzenarten von der Beschaffenheit des Bodens. 1838 entwickelte Unger die Idee eines auf anatomischer Grundlage aufgebauten Pflanzensystems. Besondere Berühmtheit erlangte er mit seinem paläobotanischen (phytopaläontologischen) Hauptwerk „Chloris protogaea“, in dem er Vegetationsbilder der verschiedenen erdgeschichtlichen Perioden skizzierte und eine systematische Zusammenstellung und Beschreibung von über 1600 Pflanzenfossilien lieferte. Er gilt als Mitbegründer der Paläobotanik in Österreich. Gemeinsam mit Stephan Endlicher veröffentlichte er 1843 das Lehrbuch „Grundzüge der Botanik“, in dem sich Unger vor allem mit der Anatomie und Physiologie der Pflanzen befasste.

Nach dem Tod von Endlicher wurde Franz Unger 1849 als dessen Nachfolger auf die Professur für Botanik an der Universität Wien berufen. Zu seinen Schülern zählten u. a. Julius Wiesner und Josef Böhm.

In seinem populären Bilderwerk „Die Urwelt und ihre verschiedenen Bildungsperioden“ versuchte Unger die verschiedenen Entwicklungsabschnitte der Erdgeschichte in Landschaftsbildern zu veranschaulichen. Bereits vor Charles Darwin äußerte Unger in seiner Publikation „Versuch einer Geschichte der Pflanzenwelt“ (1852) die Annahme, dass eine Pflanzenart sich nur aus einer anderen herausentwickeln könne. Aufgrund dieser zentralen Erkenntnis der Evolutionsforschung gilt Unger als der „österreichische Darwin“. Wegen seiner evolutionistischen Ansichten wurde Unger von der katholischen Kirche als Gottesleugner und „Verderber der Jugend“ scharf angegriffen. Er zog sich zunehmend von der Außenwelt zurück und unternahm bis zu seinem Ruhestand zahlreiche Studienreisen (Nordeuropa, Ägypten, Syrien, Griechenland, Zypern, Dalmatien).

Seine über 170 wissenschaftlichen Publikationen erstreckten sich auf verschiedenste Forschungsbereiche. In seinen Forschungen wandte Unger sich zunehmend der Pflanzenphysiologie und Zellbiologie zu und trug wesentlich zur Etablierung der Anatomie und Physiologie der Pflanzen als selbstständigem Fach bei. Daneben förderte er die Lehre von Zelle und Protoplasma und gilt als Begründer der Lehre von den Pflanzenkrankheiten. Nach Franz Unger sind eine baumartige Pflanzengattung (Ungeria) und mehrere einzelne Pflanzenarten mit dem Beiwort „Ungeri“ benannt.

Für seine Leistungen wurde Franz Unger vielfach geehrt. So gehörte er den Akademien der Wissenschaften in Wien (1847), Berlin und München (1850), der deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1833), der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien (1851) sowie zahlreichen anderen gelehrten Gesellschaften an. Am Ende seiner akademischen Laufbahn wurde ihm 1867 der Orden der Eisernen Krone III. Klasse sowie der Hofratstitel verliehen.

1868 trat Franz Unger offiziell in den Ruhestand und lebte bis zu seinem Tod 1870 auf seinem Landgut bei Graz.
Auch posthum erhielt Unger zahlreiche Ehrungen: 1870 wurde in Graz die Ungergasse nach ihm benannt. Die Universität setzte seinen Namen 1892/93 auf die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät und am 14. Juli 1901 wurde im Arkadenhof der Universität eine Büste Ungers (gestaltet von Jakob Gruber, finanziert aus Staatsmitteln) enthüllt. 1933 wurde in Wien-Landstraße eine städtische Wohnhausanlage nach Franz Unger benannt (Ungerhof).

Werke (Auswahl)

Anatomisch-physiologische Untersuchung über die Teichmuschel (Dissertation), 1827.
Die Exantheme der Pflanzen, 1833.
Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse, nachgewiesen in der Vegetation des nordöstlichen Tirols, 1836.
Aphorismen zur Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 1838. 
Über den Bau und das Wachstum des Dikotyledonenstamms, 1840.
Über Kristallbildungen in den Pflanzenzellen, 1840.
Chloris protogaea, 1841-1847.
​gem. mit Stephan Endlicher, Grundzüge der Botanik, 1843.
Synopsis plantarum fossilium, 1845.
Grundzüge der Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 1846.
Genera et species plantarum fossilium, 1850.
Die Urwelt in ihren verschiedenen Bildungsperioden, 1851 (3. Auflage 1864).
Versuch einer Geschichte der Pflanzenwelt, 1852.
Botanische Briefe, 1852. 
Iconographia plantarum fossilium, 1852.
Die Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 1855.
Botanische Streifzüge auf dem Gebiet der Kulturgeschichte (9 Teile), 1857-1868. 
Sylloge plantarum fossilium, 1860.
Wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise in Griechenland und den Ionischen Inseln, 1862. 
Die Insel Cypern ihrer physischen und organischen Natur nach, 1865. 
Grundlinien der Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 1866.
Die Pflanze als Todtenschmuck und Grabeszier, 1867.
Geologie der europäischen Waldbäume (2 Teile), 1869-1870.

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Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 27.01.2023 - 16:20

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