Studienkosten im Mittelalter und Früher Neuzeit

15. Jhdt.–16. Jhdt.

„Freie Bildung“, „gegen Studiengebühren“, „keine soziale Selektion“ und ähnliche Forderungen werden in der – einmal mehr, einmal weniger heftig geführten – öffentlichen Auseinandersetzung über die Universitäten und v.a. ihre Finanzierung immer wieder vorgebracht. Oft wird dabei auch auf die Vergangenheit verwiesen, in der es keine finanziellen Zugangsbeschränkungen an den Universitäten gegeben haben soll und deshalb ein Studium auch für „Arme“ möglich war.
Wie sah es mit dieser Offenheit der Universität in Wien aus? Die mittelalterlichen Universitätsstatuten sahen zwar keine Einschränkungen in Hinblick auf die finanzielle Lage der Studenten vor und boten Armen sogar teilweise Gebührenbefreiung. Ein Überblick über die während des Studiums anfallenden Kosten zeigt, dass die Befreiungen eine gewisse Erleichterung darstellten, aber immer noch eine enorme finanzielle Belastung bedeuteten. Aus dem Vergleich mit zeitgenössischen Lohnangaben ergibt sich, dass eine universitäre Ausbildung trotz der erwähnten Befreiungen für Personen mit niedrigen Einkommen kaum leistbar war.

Die Universität Wien stand – ebenso wie andere mittelalterliche Hochschulen – Studenten unabhängig von ihrer finanziellen Situation offen. Diese prinzipielle Offenheit darf jedoch nicht mit dem aktuell so heftig diskutierten Begriff der „(kosten)freien Bildung“ verwechselt werden. Auf dem Weg in und durch die Universität wurden immer wieder Gebühren fällig. Zwar konnten arme Studenten (auch pauperes genannt) teilweise von deren Zahlung befreit werden, dennoch war ein Universitätsstudium eine enorme finanzielle Belastung für die Studenten bzw. ihre Familien.
Im Wesentlichen zerfielen die Studienkosten in zwei Gruppen: Einerseits gab es die direkten Studienkosten, die an die Universität zu entrichten waren, andererseits mussten die Lebenshaltungskosten bestritten werden.

Studienkosten

Bereits bei der Aufnahme in die Universität hatten die Studenten die erste Gebühr zu entrichten. Die Immatrikulation bestand neben dem Eintrag in die Matrikel und dem Eid auf die Einhaltung der Universitätsstatuten nicht zuletzt in der Bezahlung der Immatrikulationstaxe. Diese Zahlung wurde auch in der Matrikel vermerkt. Diese von der Universität festgelegten Taxen waren nicht für alle Studenten gleich hoch, sondern richteten sich sowohl nach der von ihnen frequentierten Fakultät als auch nach ihrem sozialen Rang. Ab 1413 zahlten Studenten der Artistenfakultät zwölf Kreuzer für die Einschreibung in die Matrikel, während jene an der Theologischen, Juridischen oder Medizinischen Fakultät 24 Kreuzer zu entrichten hatten. Die Gebühr für Magistri oder Doktoren anderer Universitäten war mit 15 bzw. 30 Kreuzer etwas höher als die für einfache Studenten.

Für Geistliche und Adelige waren ebenfalls höhere Taxen vorgeschrieben: die Höhe der Gebühren reichte von 30 Kreuzer für Angehörige des niederen Adels und Domherren bis zu drei Gulden (180 Kreuzer) für Herzöge und Bischöfe. Armen Studenten dagegen wurde die Zahlung der Immatrikulationsgebühr erlassen.

Begründete die Immatrikulation die Aufnahme in die Universität, so wurden die neuen Studenten, die  „Grünschnäbel“, durch die Deposition gewissermaßen in die Studentenschaft aufgenommen. Die für die Durchführung der Zeremonie zu leistende Gebühr betrug sechs Kreuzer.
Nach Überwindung dieser finanziellen Eingangshürden wurden Gebühren für Vorlesungen und Disputationen fällig. Diese waren je nach gelesenem Buch unterschiedlich hoch. An der Artistenfakultät bewegten sich die Vorlesungsgebühren zwischen 6 und 36 Kreuzern, während Lehrer an der Juridischen Fakultät pro Studienjahr einen Gulden für gehaltene Vorlesungen erhielten. Disputationsgebühren betrugen zwölf bis 72 Kreuzer. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden diese Kosten mehrfach erhöht. Durch die 1554 erlassene Reformatio nova wurden die Kosten für die Pflichtvorlesungen an der Artistenfakultät abgeschafft, da die Professoren nunmehr vom Landesfürsten besoldet wurden.
Über die Kosten für Bücher und Schreibmaterialien gibt es kaum Informationen. Handschriftliche Bücher waren für die meisten Studenten unerschwinglich, aber auch gedruckte Bücher, die in der Regel günstiger waren, belasteten das studentische Budget mit Preisen ab etwa einem Gulden, was in etwa der jährlichen Gebühr für Professoren der Juridischen Fakultät oder der Immatrikulationsgebühr für Äbte oder Freiherren entspricht. Deshalb wurden an der Artistenfakultät Diktierstunden (pronunciationes) abgehalten, in denen die Studenten ihre eigenen Exemplare anfertigen konnten.

Eine eventuell angestrebte Graduierung war erneut mit Kosten verbunden. Einerseits hatten die Promovierten Taxen an die Fakultät, die Prüfer, die teilnehmenden Magistri und Doktoren sowie an den Pedellen zu entrichten, die sich zwischen acht Kreuzer für den Pedellen und zwei Gulden für die Fakultät und die Doktoren bewegten. Die in der Regel deutlich höheren Kosten für die feierliche Ausgestaltung der Zeremonie können nur schwer beziffert werden. Darunter fielen u. a. das Festgewand des neuen Doktors, die musikalische Ausgestaltung, Geschenke an die Teilnehmer sowie der traditionelle Doktorschmaus. Berichte über Promotionen nennen Kosten bis zu 200 Gulden, was erklärt, warum nur relativ wenige Studenten eine Graduierung anstrebten.

Lebenshaltungskosten

Neben diesen Studienkosten mussten die Studenten das tägliche Leben bestreiten. Dazu gehörten in erster Linie Kosten für Wohnung und Essen sowie Kleidung, Freizeitaktivitäten oder eventuelle medizinische Versorgung.

Da ein Großteil der Wiener Studenten nicht aus Wien stammte, mussten sie sich um Quartiere in der Stadt umsehen. Jene Studenten, die nicht in von der Universität kontrollierten Bursen und Kodreien unterkamen, mieteten sich bei Stadtbürgern ein. Die jährlichen Mietkosten für einen Bursenplatz betrugen etwa zwischen fünf und sieben Gulden, wobei hier vermutlich schon Nebenkosten wie Heizung und Unterricht eingerechnet waren. Ausgaben für das Bett bzw. sonstige Möbel waren darin in der Regel nicht enthalten. Die Kosten für einen Platz in einer Kodrei, einem studentischen Armenhaus, betrugen etwa drei bis vier Gulden.

Ob in diesen Kosten auch jene für das Essen eingeschlossen waren, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Vermutlich war dies je nach Burse unterschiedlich.

Sonstige Ausgaben wie jene für Kleidung hingen stark von den finanziellen Umständen der einzelnen Studenten ab; daher können dazu keine allgemeinen Angaben gemacht werden.

Gesamtkosten des Studiums an der Artistenfakultät

Angaben zu den Gesamtkosten des Studiums an der Universität Wien können nur als Näherungswert betrachtet werden, weil die anfallenden Kosten  nur teilweise bekannt sind. Da für die Artistenfakultät die meisten Aussagen vorliegen und hier auch der überwiegende Teil der Universitätsbesucher studierte, werden die Angaben auf diese Fakultät beschränkt. Die jährlichen Studienkosten, in die auch allfällige Graduierungen eingerechnet wurden, bewegten sich zwischen etwa 14 und 21 Gulden. Arme Studenten konnten dank diverser Gebührenbefreiungen diese Kosten deutlich reduzieren. Für sie beliefen sich die jährlichen Studienkosten auf vier bis sechs Gulden.
Wenn man diese Zahlen mit zeitgenössischen Löhnen vergleicht, wird deutlich, dass trotz einer Einstufung als pauper ein Studium für große Teile der Bevölkerung nicht oder nur schwer leistbar war: So erhielt ein Knecht im Wiener Bürgerspital eine Jahresbesoldung von nicht ganz einem Gulden oder ein Koch dreieinhalb Gulden, während der Spitalsverwalter 15 Gulden bekam.

Anhand dieser Vergleichswerte wird deutlich, warum bereits im Mittelalter das Phänomen  des „Werkstudenten“ weit verbreitet war und warum es eine große Zahl von vor allem privaten Stipendienstiftungen gab. Trotz diverser Gebührenbefreiungen für sogenannte „Arme“ kam ein Universitätsstudium in erster Linie nur für Personen aus finanziell gut situierten Verhältnissen in Frage.

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    BestandgeberIn: Archiv der Universität Wien, Bildarchiv ©

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