Eduard Luka Miloslavić, Univ.-Prof. Dr. med., Dr. med. h.c.

20.12.1884 – 11.11.1952
geb. in Oakland, Kalifornien, Vereinigte Staaten gest. in St. Louis, Missouri, Vereinigte Staaten

(auch Miloslavic, dt. Eduard Lukas Miloslavich, engl. Edward Lucas Miloslavich)

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. med. h.c. 1944/45 Medizinische Fakultät

Die Begründung für die Verleihung des Ehrendoktorats an Eduard Miloslavić lautete (Text lt. Ehrenurkunde):

„Er hat einen großen Teil seiner wissenschaftlichen Ausbildung an der Universität Wien erhalten und hier das Doktorat der Medizin erworden und sich durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in dem Fach der Gerichtlichen Medizin einen hervorragenden Namen geschaffen. Als Professor der Universität Zagreb und nicht zuletzt als erster Dekan der medizinischen Fakultät nach der Begründung des Staates Kroatien hat er enge Beziehungen mit der deutschen medizinischen Forschung gepflogen und sich so um die wissenschaftliche Verbindung zwischen Kroatien und dem Deutschen Reiche sehr verdient gemacht.“

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Eduard Miloslavićs Nähe zum faschistischen NHD-Regime (1941–1945) in Kroatien sowie aufgrund der politischen Motivation der Ehrung als „problematisch“ eingestuft. Kurz nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf das Königreich Jugoslawien und der Proklamation des Unabhängigen Staats Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, NDH) wurde Eduard Miloslavić 1941 zunächst zum kommissarischen Leiter der Fakultät, später zum Dekan ernannt. 1943 wurde Eduard Miloslavić Mitglied der von NS-Deutschland einberufenen Internationalen Ärztekommission, die das Massaker im Wald von Katyn im besetzten Polen untersuchte. Die Verleihung des Ehrendoktorats im Jänner 1945 ist nicht zuletzt auf seine Beteiligung an der Katyn-Kommission und den propagandistischen Wert von deren Untersuchungsergebnis zurückzuführen.

Eduard Luka Miloslavić (engl. Edward Lucas Miloslavich, dt. Eduard Lukas Miloslavich) wurde 1884 als Sohn der kroatischen Immigranten Luko und Vica, geb. Milković, in Oakland/Kalifornien geboren und war somit US-Bürger. 1889 kehrte die Familie nach Dubrovnik/Kroatien zurück, wo Eduard Miloslavić die Volksschule sowie das Gymnasium absolvierte. 1903 begann er das Studium der Medizin an der Universität Wien und absolvierte im Wintersemester 1906/07 ein Auslandssemester an der Universität Neapel. Bereits während seines Studiums war er am pathologisch-anatomischen Institut der Universität Wien mit wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigt und veröffentlichte einige Artikel in Dubrovniker Zeitschriften. Miloslavich wurde nach Absolvierung der drei Rigorosenprüfungen am 22. Dezember 1908 an der Universität Wien zum Doktor der Medizin promoviert. Seine Tätigkeit am pathologisch-anatomischen Institut unter Leitung seines Lehrers Anton Weichselbaum setzte er weiter fort.

Kurz nach seinem Studienabschluss trat Miloslavich als Einjährig-Freiwilliger in den Militärdienst ein und wurde als Hilfsarzt dem k.k. 37. Landwehrinfanterieregiment Gravosa der österreichisch-ungarischen Armee in Gruž (Dubrovnik) zugeteilt. Ab September 1909 diente er als Assistenzarzt im Garnisonsspital Nr. 1 in Wien und stieg nach Ableistung seines Militärdienstes dort im Juni 1910 zum aktiven Militärarzt sowie zum Adjunkten der Prosektur (Pathologie) auf. Auf Basis der Autopsien, die Miloslavich durchführte, veröffentlichte er ab 1911 pathologisch-anatomische Fallberichte in der militärmedizinischen Zeitschrift „Der Militärarzt“. Hier zeigte sich Miloslavich als Vertreter der Konstitutionspathologie, die neben äußeren Erregern vor allem die innere Veranlagung als entscheidend für die Entstehung einer Krankheit betrachtete.

Eduard Miloslavich war 1912 vorübergehend am pathologisch-anatomischen Institut in Brünn tätig und wurde im April 1913 zum Regimentsarzt im Wiener Garnisonsspital befördert. Kurz nach Beginn des Zweiten Balkankrieges war Miloslavich im Sommer 1913 auf Einladung des Internationalen Roten Kreuzes im Reservekrankenhaus in Belgrad/Serbien tätig, wo es an Ärzten und medizinischer Versorgung mangelte. Der Krieg mit zahlreichen jungen Opfern, die eines gewaltsamen Todes verstorben waren, bot der Pathologie – so auch Miloslavich – die Möglichkeit, Forschungen in großem Ausmaß voranzutreiben und von Krankheiten auf (Kriegs‑)Verletzungen zu verlagern. Während seines Einsatzes in Belgrad 1913 untersuchte Miloslavich die Auswirkungen von Schusswunden auf den menschlichen Körper sowie Traumata und Gehirnerschütterungen, die durch Granatenexplosionen verursacht wurden. Ausgehend von seinen Kriegserfahrungen befasste er sich auch eingehend mit der Organisation der medizinischen Versorgung im Krieg. In mehreren Aufsätzen hob er die Bedeutung der Obduktion vor Ort hervor, plädierte für die Einführung einer militärischen Strafverfolgung und die Schaffung musealer Sammlungen von im Krieg gesammelten Präparaten.

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Miloslavich als Regimentsarzt in der österreichisch-ungarischen Armee mobilisiert. Im April 1915 erfolgte seine Ernennung zum Leiter der inneren Abteilung des Militärkrankenhauses in Risan in der Bucht von Kotor (heute Montenegro) und wenig später jene zum Leiter des gesamten Krankenhauses. Daraufhin wurde er in ein Militärkrankenhaus in Belgrad versetzt. Um die Kriegstoten möglichst rasch obduzieren zu können, forderte Miloslavich erfolgreich die Einrichtung einer Kriegsprosektur, die im November 1915 genehmigt wurde; im Jänner 1916 wurde er zum Leiter der ersten Militärprosektur und Gerichtssachverständigen beim Kriegsgericht im k.u.k. Militär-Generalgouvernement Serbien mit Sitz in Belgrad ernannt. Im Zuge seiner Arbeit als Prosektor konnte er seine pathologisch-anatomischen, pathohistologischen und mikrobiologischen Forschungen fortsetzen und veröffentlichte seine Erkenntnisse in zahlreichen Fachzeitschriften. Auch konnte er mehrere Leichen exhumieren und hierbei den Verfall und die Zersetzung des menschlichen Körpers studieren.

Parallel zu seiner Tätigkeit als Militärarzt verfolgte Eduard Miloslavich während des Ersten Weltkriegs seine akademische Karriere: Aufgrund seiner 1914 publizierten Habilitationsschrift „Über Bildungsanomalien der Nebennieren“ suchte Miloslavich am 31. März 1915 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien um Zulassung zum Habilitationsverfahren an. Sein Lehrer und Gutachter Anton Weichselbaum, der ihn auch bereits in die Lehre an seinem Institut einbezogen hatte, empfahl seine Zulassung zur Habilitation, dem sich das Professorenkollegium der Medizinischen Fakultät anschloss. Die üblicherweise obligatorische Abhaltung eines Kolloquiums und einer Probevorlesung wurde ihm erlassen und am 22. März 1917 bestätigte das Unterrichtsministerium offiziell die Verleihung der Venia legendi für pathologische Anatomie an Miloslavich.

Er blieb bis zum 3. November 1918 in seiner Position als Regimentsarzt und diente bis Kriegsende als Vorstand der Kriegsprosektur und Gerichtssachverständiger in Belgrad. Für seine Dienste wurde er mehrfach ausgezeichnet. Im November 1918 kehrte er nach Wien zurück und heiratete am 17. Dezember die Wienerin Katharina Blaschek.

In den Jahren 1919 und 1920 schloss Miloslavich seine 1911 begonnenen und 1914 infolge seines Kriegsdienstes unterbrochenen anthropologischen Studien mit dem Absolutorium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ab, das bestätigte, dass er die vorgeschriebene Anzahl von Semestern und Übungen absolviert hatte. Das philosophische Doktorat erlangte er jedoch nicht. Daneben hielt er als Privatdozent an der Universität Kurse über pathologisch-anatomische Sektionstechnik und Diagnostik, war als Prosektor am Garnisonsspital, als Kustos der pathologisch-anatomischen Sammlung am Josephinum und als Gerichtsarzt beim Landesgericht II, wo er vorübergehend auch als Vertreter des Chefarztes wirkte, tätig. Miloslavich gehörte der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Deutschen Pathologischen Gesellschaft, der Anthropologischen Gesellschaft in Wien sowie der Gesellschaft für Kriminalistik und Kriminalpsychologie an.

1920 bewarb sich Miloslavich erfolglos für eine Position an der neugegründeten Medizinischen Fakultät in Zagreb – bei der Ablehnung spielten möglicherweise auch seine Loyalität gegenüber der österreichisch-ungarischen Monarchie und deren Armee, seine prononcierte Identifikation als Kroate sowie Gerüchte um seine Ablehnung des damaligen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen eine Rolle.
Mit November 1920 wurde er vom Heer „abgebaut“ und erhielt nur eine einmalige Abfertigung. Da er über kein gesichertes und ausreichendes Einkommen verfügte, beantragte das medizinische Professorenkollegium für Miloslavich eine ständige Unterstützung zur Förderung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit.

Noch im selben Monat – im November 1920 – nahm Miloslavich jedoch eine Berufung in sein Geburtsland, die USA, an und besetzte Anfang 1921 den Lehrstuhl für Pathologie und Bakteriologie an der Marquette University in Milwaukee, Wisconsin. Gleichzeitig übernahm Edward Lucas Miloslavich einen Lehrauftrag für Medico-Legal Pathology und war als Pathologe am Marquette University Hospital tätig. 1923 wurde er zum Präsidenten des Comitee on hospital research and autopsies ernannt. Ab 1925 war er daneben als Kriminologe und (leitender) Gerichtsmediziner im Bundesstaat Wisconsin sowie in verschiedenen Krankenhäusern in diesem Bundesstaat tätig. Ab 1927 beriet er auch die Staatsanwaltschaften in Indiana, Michigan, Illinois und Iowa und lehrte in Polizeischulen.

Seine Position an der Marquette University legte Edward Miloslavich 1928 zurück, als er zum Direktor des neugeschaffenen Department of clinical pathology and medical research am St. Maryʼs Hospital ernannt wurde. Hier konnte er sich ganz der Kriminologie und Pathologie widmen und gründete 1929 das erste Kriminallabor Milwaukees. Miloslavich etablierte sich als angesehener Fachmann für den neuen wissenschaftlichen Forschungsbereich der forensischen Pathologie und Kriminologie und wurde Mitglied vieler amerikanischer und europäischer wissenschaftlicher Vereinigungen und Akademien. Ebenso betätigte er sich aktiv in Vereinen kroatischer Emigranten, u.a. in der Wohltätigkeitsorganisation Croatian Fraternal Union (CFU; Hrvatska bratska zajednica).

Mit seiner Tätigkeit trug Miloslavich wesentlich zur Einführung moderner wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden bei der Aufklärung von unnatürlichen Todesfällen bei. Als prominenter Fachmann im Mittleren Westen wurde er auch bei der Aufklärung zahlreicher aufsehenerregender Mordfälle als Berater hinzugezogen, so etwa bei dem 1929 in Chicago begangenen „St. Valentine's Day Massacre“, der Ermordung von sieben Personen im Kontext des organisierten Verbrechens, in den wahrscheinlich auch die Bande von Al Capone involviert gewesen war. 1931 nahm Miloslavich als Mitglied einer Expertengruppe an der forensischen Untersuchung einer mumifizierten Leiche teil, von der angenommen wurde, dass sie die Leiche von Lincolns Attentäter John Wilkes Booth sei. Deren Schlussfolgerung, dass es sich tatsächlich um dessen Leiche handelte, wird jedoch bis heute angezweifelt.

In wissenschaftlichen Beiträgen befasste sich Edward Miloslavich auch mit der „Rassenfrage“: In dem Beitrag „Racial studies on the large intestine“ präsentierte er etwa statistische Längenvergleiche zu „rassischen“ Unterschieden des Dickdarms bei verschiedenen, vor allem slawischen, Volksgruppen. Grundlage waren 885 Vermessungen, die Miloslavich während des Ersten Weltkriegs begonnen und in den USA an den Nachfahren von EmigrantInnen fortgesetzt hatte. Auch betonte er in diesem Beitrag, dass er aufgrund der über Jahre gesammelten Daten noch weitere „rassische“ Untersuchungen zur anthropologischen Splanchnologie veröffentlichen werde. Im selben Jahr (1925) hielt er vor der American Anthropological Association einen Vortrag über „Occurrence of Patency of the Foramen Ovule Cordis in Different Races and Peoples“.

Im Dezember 1932 erhielt Eduard Miloslavich eine Berufung als ordentlicher Professor für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik und Leiter der Abteilung für Gerichtsmedizin an die Medizinische Fakultät der Universität Zagreb im 1929 neu gegründeten Königreich Jugoslawien (Kraljevina Jugoslavija). Er übersiedelte Anfang 1933 in das Heimatland seiner Eltern und passte damit auch die Schreibweise seines Familiennamens an: Miloslavić. Als Professor hielt er seine Antrittsvorlesung am 3. November 1933 zum Thema „Forensische Pathologie als neuer Zweig der Medizin“. Er lehrte fortan Gerichtsmedizin und Kriminologie und begründete an der Universität Zagreb nach dem Vorbild moderner Institutionen in Europa und USA ein effizientes und gut ausgestattetes Universitätsinstitut für Gerichtsmedizin und Kriminologie. Das „Institut za Sudsku Medicinu i Kriminalistiku“ konnte am 7. Juni 1935 eröffnet werden und verfügte über ein forensisches, ein histologisches und chemisch-toxikologisches Labor, ein großes Archiv zur fotografischen Dokumentation, eine Bibliothek sowie ein Museum. Neben dem Aufbau des Instituts widmete sich Eduard Miloslavić intensiv der Lehre und Ausbildung von Assistenz- und Hilfskräften sowie Studenten in der wissenschaftlichen Untersuchung von Verbrechen. In Zagreb fungierte er auch als ständiger Gerichtssachverständiger am Bezirksgericht und 1935 bis 1939 als Vizepräsident des Obersten Sanitätsrates.

In Kroatien war Eduard Miloslavić ein prominenter Akteur im damaligen kroatischen Gesellschaftsleben. Als konservativer Katholik betätigte sich Miloslavić in Vereinen und Institutionen im katholischen Umfeld. So war er 1938 Leiter der kroatischen katholischen Jugend auf dem Eucharistischen Kongress in Budapest. 1937 erfolgte seine Ernennung zum Honorarprofessor für Pastoralmedizin an der Theologischen Fakultät der Universität Zagreb. Seine Aufgabe sah er hier darin, zukünftige Priester besser auf die Arbeit mit kranken und sterbenden Menschen vorzubereiten. Seine Antrittsvorlesung „Pastoralna medicina kao katolička znanost“ (Pastoralmedizin als katholische Wissenschaft) hielt er am 26. Oktober 1937 – hier beschrieb er den Priester als den „Doktor der Seele“ und den Arzt als „Doktor des Körpers“.

Eduard Miloslavić war einer der Mitbegründer und erster Präsident der International Academy of Legal Medicine (IALM), die 1938 in Bonn begründet wurde. 1940 wurde er in die prestigereiche Medico-Legal Society in London und in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen

Auch nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf das Königreich Jugoslawien und der Proklamation des von Deutschland unterstützten „Unabhängigen Staats Kroatien“ (USK, kr.: Nezavisna Država Hrvatska, NDH) unter der Führung von Ante Pavelić und dessen faschistischer Ustascha-Bewegung im April 1941 konnte Miloslavić seine berufliche Tätigkeit bruchlos fortsetzen. Nachdem der amtierende Dekan der Medizinischen Fakultät in Zagreb, Andrija Štampar, abgesetzt und von der Gestapo verhaftet worden war, wurde Miloslavić am 23. April 1941 zunächst zum kommissarischen Leiter der Fakultät, später zum Dekan ernannt. Es sind sich jedoch keine Hinweise bekannt, dass er selbst an der politischen Verfolgung an der Universität mitgewirkt hätte. Bis zu den nächsten Dekanswahlen im September 1941 fungierte Miloslavić als Dekan. In dieser Zeit regte er in einem vielbeachteten Artikel an, eine Medizinische Fakultät in Sarajevo zu gründen. Auf seine Initiative hin erfolgte am 27. März 1944 die rechtliche Begründung durch das NDH-Regime, ab Herbst die definitive Einrichtung einer solchen Fakultät in Sarajevo. Nach Ende seiner Amtszeit setzte er seine reguläre Tätigkeit als Leiter des Instituts für Gerichtsmedizin und Kriminologie fort.

Eduard Miloslavić war ein bekannter und energischer Gegner von Abtreibung und Schwangerschaftsverhütung. Deren Legalisierung betrachtete er als unnatürlich schädliches und gefährliches Phänomen, das in seinen Augen den Untergang des Volkes verursachen würde. Für ihn war dies auch eine religiöse Frage, hätte die katholische Moral diese doch lange Zeit verhindert. Miloslavić prangerte nicht nur Frauen an, die eine Abtreibung in Erwägung zogen, sondern übte auch scharfe Kritik an den Ärzten, die Abtreibungen durchführten, und forderte deren öffentliche Stigmatisierung und Verurteilung als Verbrecher. Andererseits sprach sich Miloslavić für eine „positive Eugenik“ in Form einer Gesundheitspropaganda aus: Junge Menschen sollten angewiesen werden, Genussmittel (Alkohol, Nikotin usw.) zu vermeiden und sich vor (Geschlechts-)krankheiten zu schützen, um die Entwicklung von gesunden Nachkommen und damit eines gesunden Volkskörpers sicherzustellen. Seine Überzeugungen hielt er besonders in seinem 1942 veröffentlichten Buch „Kobno spriečavanje poroda“ (Tödliche Geburtenverhinderung) fest.

1943 war Eduard Miloslavić (im deutschsprachigen Raum stets „Miloslavich“ geschrieben) ein Mitglied der von NS-Deutschland beauftragten Ärztekommission, welche die sowjetischen Massenerschießungen von polnischen Offizieren im Wald von Katyn nahe Smolensk untersuchte. Laut eigener Aussage hatte er durch die Medien von den Plänen der deutschen Regierung erfahren, eine internationale Kommission von Pathologen zusammenzustellen, die eines der Massengräber exhumieren und forensisch untersuchen sollte. Er hatte die deutschen Behörden aus eigener Initiative gebeten, ihn an der Untersuchung dieses Kriegsverbrechens teilnehmen zu lassen, und zählte am 29. und 30. April 1943 schließlich zu den ausgewählten zwölf Experten aus zwölf – fast ausschließlich verbündeten oder besetzten – Ländern, die die Leichen untersuchten. Der Abschlussbericht der Kommission, der am 4. Mai 1943 in der Berlin offiziell übergeben wurde, stellte fest, dass die Exekutionen im Frühjahr 1940 stattgefunden hätten – zu einer Zeit, als Ostpolen von der Roten Armee besetzt gewesen war. Alle Indizien sprachen somit für die Täterschaft der sowjetischen Geheimpolizei NKWD.

Der Bericht der Ärztekommission wurde durch das nationalsozialistische Regime massiv propagandistisch genutzt, um den Kriegsgegner Sowjetunion politisch zu schwächen und sich als Aufklärer der bolschewistischen Gräueltaten zu inszenieren. Nach seiner Rückkehr nach Kroatien sprach Miloslavić in einer Reihe von öffentlichen Vorträgen, Rundfunksendungen sowie Zeitungsberichten – auch für Organe der NSDAP – über die Untersuchungen in Katyn und deren Ergebnisse.

Auch die Anthropologische Gesellschaft, die Biologische Gesellschaft sowie die Gesellschaft für Rassenhygiene in Wien bemühten sich nun intensiv um den nun auch im Deutschen Reich wohlbekannten Miloslavić und luden ihn für 10. November 1943 zu einem Vortrag an der Universität Wien ein. Diesen musste Miloslavić jedoch kurzfristig aufgrund einer Blinddarmoperation absagen.

Die Deutsche Gesandtschaft bzw. namentlich der Völkerrechtler Gustav Adolf Walz, der in seiner Funktion als Direktor des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Agram/Zagreb in regem Kontakt mit Miloslavić stand, wandte sich im Juli 1944 mit der Anregung, Miloslavić zu ehren, an das Auswärtige Amt in Berlin. Als ein zentrales Argument für die Verleihung führte die Deutsche Gesandtschaft an, dass er „in seiner Eigenschaft als erster Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Zagreb des neugegründeten Staates Kroatien in besonders enge Verbindung mit dem damaligen Hochschulreferenten der Gesandtschaft trat“ und sich für die Berufung reichsdeutscher Kandidaten für akademische Positionen eingesetzt hatte. Der Anregung Walz‘ waren neben einem Curriculum Vitae und einer Publikationsliste Miloslavićs auch ein eigenes Verzeichnis der Vorträge und Veröffentlichungen über Katyn angeschlossen. – Seine Beteiligung an der Katyn-Kommission sowie der propagandistische Wert von deren Untersuchungsergebnis dienten 1944/45 also auch als ein Argument für die Ehrwürdigkeit Miloslavićs.

Die Anregung wurde über das Auswärtige Amt an das Reichserziehungsministerium (REM) weitergeleitet, das sich wiederum im September 1944 an den Rektor der Universität Wien Eduard Pernkopf wandte und anfragte, „ob die dortige Medizinische Fakultät bereit wäre, die Ehrenpromotion durchzuführen“. Abermals wurde betont, dass Miloslavićs „Einsatz in politischer Hinsicht für das Reich außergewöhnlich ist“.

Die Anfrage des REM wurde an den fachzuständigen Professor für gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Wien, Philipp Schneider, zur Begutachtung weitergeleitet. In seinem Gutachten vom 27. Oktober 1944 begrüßte dieser die Anregung eines Ehrendoktorats Miloslavićs aufgrund dessen Beziehungen zur hiesigen Fakultät, dessen internationalem Ruf als Experte der gerichtlichen Medizin und da Miloslavić „stets den deutschen Wissenschaftlern wohl gesinnt“ gewesen sei. Schon Jahre zuvor war Miloslavić über Schneiders Vorschlag 1939 zum Ehrenmitglied der Wiener Medizinischen Gesellschaft ernannt worden. Die fast zeitgleich eingelangte Anregung des Reichsgesundheitsführers, Professor Ferenc Orsós – einst Sprecher der Katyn-Kommission – ebenfalls das Ehrendoktorat zu verleihen, lehnte Schneider dagegen – trotz dessen Sympathien für das „Deutschtum“ und großen Verdiensten um das Deutsche Reich – aus wissenschaftlichen Gründen ab.

Als das REM Anfang November 1944 nochmals beim Rektor mit dem Hinweis urgierte, dass Miloslavić am 22. Dezember 1944 seinen 60. Geburtstag feiern werde, was einen geeigneten Anlass für die geplante Ehrung darstellen würde, konnte der Rektor ihm antworten, dass die Fakultät diese Ehrung durchführen werde.

Der Text des Ehrendoktordiploms vom 20. Dezember 1944 lautet:

„Er hat einen großen Teil seiner wissenschaftlichen Ausbildung an der Universität Wien erhalten und hier das Doktorat der Medizin erworben und sich durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in dem Fach der Gerichtlichen Medizin einen hervorragenden Namen geschaffen. Als Professor der Universität Zagreb und nicht zuletzt als erster Dekan der medizinischen Fakultät nach der Begründung des Staates Kroatien hat er enge Beziehungen mit der deutschen medizinischen Forschung gepflogen und sich so um die wissenschaftliche Verbindung zwischen Kroatien und dem Deutschen Reiche sehr verdient gemacht.“

Da sich Eduard Miloslavić bereits seit November 1944 zur Behandlung in Baden bei Wien aufhielt, konnten ihn Vertreter der Universität Wien anlässlich seines 60. Geburtstags am 22. Dezember persönlich von der Ehrung verständigen. An dem eigentlichen großen Festakt im Auditorium Maximum am 23. Jänner 1945 nahmen der Senat sowie Professoren, Dozenten und Studenten der Medizinischen Fakultät, andere akademische Würdenträger (Kurator sowie Vertreter anderer Hochschulen), zudem zahlreiche Vertreter aus Partei, Staat und Wehrmacht sowie des Unabhängigen Staates Kroatien in Wien teil. Abschließend beglückwünschte Rektor Pernkopf den neuen Ehrendoktor mit einer kurzen Rede, die mit folgenden Worten endete:

„Sie haben auch zeitlebens und besonders später in Ihrer Tätigkeit als Universitätsprofessor die Beziehungen zwischen unserer Universität, unserem Lande und Ihrer Universität und Ihrem Volke aufrecht erhalten und sich nun im Kriege besondere Verdienste durch Ihre Tätigkeit und Arbeiten erworben. Möge nun diese Verbindung, die Sie zur Universität Wien und zur deutschen Wissenschaft mit der Ernennung des Ehrendoktors gewonnen haben, ein glückliches Vorzeichen dafür sein, daß diese Verbindung zwischen Ihrer Universität und Ihrem Lande und unserer Universität und dem Deutschen Reiche weiter ausgestaltet werden kann zum Segen beider Länder und der Wissenschaft beider Völker.“

Bereits wenige Monate nach der Ehrendoktoratsverleihung an Miloslavić wurde diese unter den neuen politischen Vorzeichen vonseiten der Wiener Fakultät kritisch gesehen. In der Senatssitzung von 19. Mai 1945 berichtete Dekan Leopold Arzt:

„Die wissenschaftlichen Verdienste des Dr. Miloslavich reichen wohl auch nicht annähernd an jene des Hofrates Prof. Dr. Ernst Ludwig heran, der im Jahre 1882 mit dem akademischen Ehrendoktorat ausgezeichnet wurde, oder an jene des Prof. Dr. Hans Horst Meyer, der im Jahre 1937 anlässlich der 100-Jahrfeier der Wiener Gesellschaft der Ärzte in gleicher Weise geehrt worden ist. Außerdem sei das Ehrendoktorat des Dr. Miloslavich schon aus formalen Gründen anfechtbar, weil dieser seinen medizinischen Doktorat [sic] seinerzeit an der Wiener Universität erworben hat.“

Dennoch kam es zu keiner weiteren Diskussion, geschweige denn zu einer Aufhebung dieses oder eines anderen in der NS-Zeit verliehenen Ehrendoktorats.

Eduard Miloslavić war nach der Ehrenpromotion im Jänner 1945 nicht mehr nach Zagreb zurückgekehrt, sondern vorerst in Baden bei Wien geblieben. Als die Rote Armee näher rückte, flüchtete er nach Westösterreich in den Einflussbereich der US Army, denn seine Beteiligung an der Katyn-Kommission hatte ihn in der Sowjetunion sowie deren Machtbereich zu einer Persona non grata gemacht. In den kommunistischen Ländern Europas wurden die Untersuchungsergebnisse der Kommission bestritten, politisch bekämpft und systematisch verschwiegen. Wegen kultureller Zusammenarbeit mit dem Feind wurde Miloslavić noch 1945 von einem jugoslawischen Gericht in Abwesenheit zum Tod verurteilt.

Als US-Bürger, der den Krieg in deutschbesetzten Gebieten verbracht hatte, wurde Miloslavić ab Mai 1945 wiederholt durch den US-Militärgeheimdienst Counterintelligence Corps (C.i.C) verhört, bevor dieser ihn im März 1946 als politisch einwandfrei einstufte. Im Zusammenhang mit seiner Beurteilung wurde auch der Akt der Rektoratskanzlei betreffend Ehrenpromotion Eduard Miloslavić an den C.i.C in Wien übergeben.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit war Eduard Miloslavić vorübergehend als Arzt für die UNRRA tätig, ehe er im August 1946 in die USA zurückkehrte und sich in St. Louis, Missouri, niederließ. Hier war er bis zu seinem Tod als Professor für Gerichtsmedizin und Direktor der Pathologischen Abteilung am DePaul Hospital tätig.

1952 sagte Miloslavić in Chicago als Experte bei einer Anhörung des US-Kongresses (Madden-Kommission) aus, das sich mit dem Kriegsverbrechen von Katyn befasste. Darin beschrieb er ausführlich seinen Werdegang, seine Beteiligung an der Arbeit der Katyn-Kommission sowie deren Untersuchungsmethoden, -ergebnisse und -schlussfolgerungen. Befragt zu seinem Werdegang und politischen Hintergrund verneinte Miloslavić, ein Kollaborateur der Nationalsozialisten gewesen zu sein, und antwortete auf die Frage, wie er dann seine Stellung als Professor 1941 an der Universität Zagreb hatte behalten können: „I did nothing but teach at the university.“

Während einer internationalen Konferenz in Madrid erlitt Eduard Miloslavić 1952 einen Herzinfarkt und wurde nach St. Louis zurückgebracht, wo er nach mehreren Wochen im DePaul Hospital am 11. November 1952 im Alter von 67 Jahren starb. Er wurde am Calvary Cemetery in St. Louis bestattet.

Werke (Auswahl)

Ein weiterer Beitrag zur pathologischen Anatomie der militärischen Selbstmörder (in: Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin 208/1, S. 44–53), 1912.
Über Bildungsanomalien der Nebennieren (Habilitationsschrift), 1914.
Zur Wirkung der Granatexplosion (in: Medizinische Klinik 17, S. 1–7), 1914.
Die Feldprosektur (in: Wiener Klinische Wochenschrift 13, S 1–4), 1915.
Sanitätsdienst im Kriege bei der Serbischen Armee (in: Der Militärarzt 50/21, S. 506–516), 1916.
Hirnhypertrophie und Konstitution (in: Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie 62), 1916.
Racial studies on the large intestine (in: American Journal of Physical Anthropology 8/1), 1925.
Medical Testimony (in: Marquette Law Review 12/2, S. 110–118), 1928.
Pathological Anatomy of Death by Drowning (in: American Journal of Clinical Pathology 4/1, S. 42–49), 1934.
Osnivanje Medicinskog fakulteta u Sarajevu [Gründung der Medizinischen Fakultät in Sarajevo] (in: Alma mater croatica 5, S. 89–91), 1941.
Kobno spriečavanje poroda [Tödliche Geburtenkontrolle], 1942.
Uncommon criminal methods of infanticide (in: Journal of Criminal Law, Criminology, and Police Science 42/3, S. 414–416), 1951.

Archiv der Universität Wien, Akad. Senat, S 304.836 (Personalblatt Eduard Miloslavich).
Archiv der Universität Wien, Akad. Senat, GZ 299 aus 1944/45 (Ehrendoktorat Miloslavich).
Archiv der Universität Wien, Akad. Senat, GZ 307 aus 1944/45 (Ehrendoktorat Orsos).
Archiv der Universität Wien, Akad. Senat, Sitzungsprotokolle aus 1944/45, 6. Sitzung vom 9. Juni 1945.
Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät, Personalakt 879 (Eduard Miloslavich).
Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät, GZ 66 aus 1944/45 (Ehrendoktorat Miloslavich).
Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, PH S 68.131 (Gastvortrag Professor Miloslavich).
> Wisconsin Historical Society: Foto von Dr. Edward L. Miloslavich (ca. 1940er-Jahre)
> Večernji list: Foto von Eduard Miloslavić während der Untersuchung in Katyn, 1943
> Bundesarchiv Berlin: Foto der internationalen Ärztekommission von Katyn bei der Überreichung des Abschlussberichts, 1943

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 - 22:34

Druckversion