Emil Reisch, o. Univ.-Prof. Dr. phil.
Funktionen
Dekan*in | Philosophische Fakultät | 1910/11 |
Rektor | Philosophische Fakultät | 1916/17 |
Senator | Philosophische Fakultät | 1923/24 |
Senator | Philosophische Fakultät | 1924/25 |
Senator | Philosophische Fakultät | 1925/26 |
- Klassische Philologie
- Klassische Archäologie
- Philosophische Fakultät
Emil Reisch, Sohn des Kaufmanns und Aktienhändlers Coloman Reisch, maturierte 1881 in Innsbruck und studierte von 1881 bis 1885 in Wien Klassische Philologie bei Wilhelm von Hartel und Karl Schenkl sowie Klassische Archäologie bei Otto Benndorf. 1885 wurde er mit der philologischen Dissertation „De musicis Graecorum certaminibus capita quattuor“ promoviert, 1886 legte er die Lehramtsprüfung in Latein und Griechisch ab. Stipendien des Ministeriums für Cultus und Unterricht ermöglichten ihm einen dreijährigen Aufenthalt in Griechenland und Italien, wo seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten entstanden. In Griechenland bereitete er mit dem deutschen Bauforscher Wilhelm Dörpfeld eine Arbeit über das griechische Theater vor, in Italien war er Mitarbeiter an Wolfgang Helbigs Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom.
1889 habilitierte sich Reisch an der Universität Wien in beiden Studienfächern, 1890 wurde er als außerordentlicher Professor an die neu gegründete Lehrkanzel für Klassische Archäologie in Innsbruck berufen. 1894 wurde das Extraordinariat in eine ordentliche Professur umgewandelt.
1898 erfolgte Reischs Berufung auf die Wiener Lehrkanzel für Klassische Archäologie als Nachfolger von Otto Benndorf. Dieser hatte als Direktor des neu gegründeten Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI), einer außeruniversitären Institution, die Professur niedergelegt. Nach Benndorfs Tod wurde Reisch 1907 zum Vizedirektor, 1910 zum Direktor des ÖAI bestellt.
Im November 1907 reagierten mehrere Universitätslehrer, darunter auch Reisch, auf die Reden des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger am 6. Katholikentag in Wien mit Entgegnungen in der „Neuen Freien Presse“. Lueger hatte die Universität als Boden für Umsturzideen, Revolution, Vaterlands- und Religionslosigkeit bezeichnet und die „christlichsoziale Eroberung“ als Ziel genannt (Neue Freie Presse 19., 21. und 22. November 1907).
Reisch war wie viele Angehörige der Wiener Universität Mitglied im 1908 gegründeten Deutschen Klub, der auch national-politische Ziele im Sinne einer Förderung des „Deutschtums“ verfolgte.
Im Studienjahr 1910/11 fungierte Reisch als Dekan der philosophischen Fakultät, im Jahr 1916/17 als Rektor der Wiener Universität. In seiner Inaugurationsrede von 1916 „Aufgaben unserer Universitäten nach dem Kriege“ thematisierte er Auswirkungen des Krieges auf die Universität und die wissenschaftliche Arbeit. Er zog Erleichterungen für die aus dem Krieg zurückkehrenden Soldaten in Betracht. Trotz aller Einschränkungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit anderen Staaten und im Bewusstsein von materieller Notlage, körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen der Kriegsteilnehmer betrachtete Reisch den Krieg als Förderer des wissenschaftlichen Fortschritts und zeigte sich überzeugt, dass sich die deutsche Wissenschaft weiter erfolgreich behaupten würde. Die deutschen Hochschulen Österreichs sollten dazu beitragen, die „Höchstwerte deutscher Geistesarbeit den nichtdeutschen Völkern“ des Südostens nahezubringen. Von einem „Empfang der nach glücklich beendetem Kriege Heimkehrenden“, also einem Frieden nach einem siegreichen Krieg, sprach Reisch noch Ende Oktober 1917 in seinem Bericht über das vergangene Studienjahr.
Als Ordinarius für Klassische Archäologie in Wien wirkte Reisch 35 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung 1933. Entsprechend groß ist die Anzahl seiner Schüler und Schülerinnen, von denen später viele an Universitäten oder Museen in Österreich oder in den Nachfolgestaaten der Monarchie tätig waren.
In der wissenschaftlichen Arbeit kam Reisch von der Philologie her; auch in seinen Arbeiten zur Kunstgeschichte, vor allem zur griechischen Künstlergeschichte, ging er von den schriftlichen Quellen aus. Sein Spezialgebiet war das griechische Theaterwesen, über Theater und Agonistik schrieb er zahlreiche Artikel in Pauly-Wissowas Realenzyklopädie.
Das Österreichische Archäologische Institut leitete Reisch von 1910 bis 1933. In der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg entfaltete das Institut die geographisch umfangreichsten Aktivitäten – im Sinne einer von der Regierung geförderten wissenschaftlichen Expansionspolitik – mit Grabungsplätzen im Osmanischen Reich (Ephesos) und in Griechenland sowie Forschungen in den Adrialändern der Monarchie. Das ÖAI war zuständig für die Museen in Aquileia, Pola/Pula, Spalato/Split und Zara/Zadar.
Während des Ersten Weltkriegs war Reisch auch an der Organisation und Zusammensetzung der Expeditionen in die von Österreich besetzten Gebiete am Balkan beteiligt (Kunsthistorisch-Archäologisch-Ethnographisch-Linguistische Balkanexpedition 1916). Auf seinen Vorschlag hin wurden die Archäologen Camillo Praschniker und Arnold Schober nach Albanien und Montenegro entsandt.
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Habsburgermonarchie forcierte Reisch Grabungen innerhalb Österreichs. Schwerpunkte waren Carnuntum in Niederösterreich und Virunum in Kärnten. Die Grabungen in Ephesos konnten 1926 wieder aufgenommen werden.
Reisch war Herausgeber von Publikationsreihen und Einzelwerken des ÖAI, die unter seinen Vorgängern begonnen oder initiiert worden waren: „Forschungen in Ephesos“ sowie „Forschungen in Salona“. 1921 gab er George Niemanns Werk über „Das Nereiden-Monument von Xanthos“ heraus und 1927 die zweite Auflage von Alois Riegls „Spätrömische Kunstindustrie“.
An der Akademie der Wissenschaften in Wien wurde Reisch 1904 zum korrespondierenden, 1907 zum wirklichen Mitglied ernannt. Er war Obmann von vier Kommissionen (Kleinasiatische Kommission 1918–1933, Limeskommission 1923–1933, antiquarische Abteilung der Balkankommission 1923–1933, Budgetkommission der philosophisch-historischen Klasse 1927–1933).
Andere Mitgliedschaften und Ehrungen in wissenschaftlichen Institutionen waren: 1899 wirkliches Mitglied des ÖAI; 1888 korrespondierendes, 1894 wirkliches Mitglied des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches; Ehrenmitglied der griechischen archäologischen Gesellschaft in Athen. 1903 erfolgte Reischs Ernennung zum Mitglied der K.K. Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale.
Reisch wurde mit 1. Oktober 1933 emeritiert und auch von der Leitung des ÖAI enthoben. Das ÖAI verlor nach Reischs Direktion seine Stellung als selbständige Institution und wurde 1935 im Zuge von Einsparungsmaßnahmen an die Philosophische Fakultät der Universität angegliedert. Im Rückblick wird Reisch weniger wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen als wegen seiner Tätigkeit als Direktor des ÖAI in den letzten Jahren der Monarchie und in der Ersten Republik sowie als Organisator bzw. Initiator von Forschungs- und Publikationsvorhaben gewürdigt.
Emil Reischs Bruder war der Jurist und Ökonom Richard Reisch (1866–1938), der erste Präsident der Österreichischen Nationalbank.
Werke (Auswahl)
mit W. Dörpfeld: Das griechische Theater. Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater, 1896.
Hg. mit K. Schenkl: Philostrati minoris imagines et Callistrati descriptiones, 1902.
Properzstudien (Wiener Studien 9, 95–150), 1887.
Griechische Weihgeschenke (Abhandlungen des Archaeologisch-epigraphischen Seminars der Universität Wien 8), 1890.
Das Etruskische Museum im Vatikan, das Kirchersche und Prähistorische Museum im Collegio Romano (In: W. Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom, Bd. 2), 1891 (2. Aufl. 1899; 3. Aufl. 1912/13).
Die Mykenische Frage (Verhandlungen der 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien, 97–125), 1893.
Zur Entwicklungsgeschichte des griechischen Theaters (Verhandlungen der 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Köln, 52–65), 1895.
Kalamis (Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes 9, 199–268), 1906.
Urkunden dramatischer Aufführungen in Athen (Zeitschrift für österreichische Gymnasien, 289−315), 1907.
Entstehung und Wandel griechischer Göttergestalten, Vortrag, gehalten in der feierlichen Sitzung der kaiserl. Akademie d. Wissenschaften, 1909.
Die römischen Baudenkmäler in den Küstenlanden und in Dalmatien (In: E. Brückner (Hg.), Dalmatien und das österreichische Küstenland. Vorträge gehalten im März 1910 anläßlich der ersten Wiener Universitätsreise, 115–143), 1911.
Aufgaben unserer Universitäten nach dem Kriege. Inaugurationsrede gehalten von Dr. Emil Reisch, dz. Rektor der K.K. Universität (In: Die feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1916/1917 am 6. November 1916, 57–96), 1916.
Bericht über das Studienjahr 1916/1917, gestattet von Dr. Emil Reisch (In: Die Feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1917/1918 am 30. Oktober 1917, 5–38), 1917.
Vorwort (In: G. Niemann, Das Nereidenmonument in Xanthos. Versuch einer Wiederherstellung), 1921.
Die Alpen in römischer Zeit (In: H. Leitmeier (Hg.), Die österreichischen Alpen. Eine zusammenfassende Darstellung, 211–229), 1928.
Bericht über die Gesamtsitzung des Österreichischen Archäologischen Institutes 1930 (enthält auch: Bericht über die Grabungsarbeiten 1924 bis 1929) (Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes 26, Beiblatt 263–312), 1930.
> Archiv der Universität Wien.
> Archiv des Österreichischen Archäologischen Instituts.
> Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv.
> Österreichisches Biographisches Lexikon
> Wien Geschichte Wiki
> Deutsche Biographie
> Wikipedia
Zuletzt aktualisiert am 04.04.2024 - 20:40