Die Neue Aula
In den Regierungsjahren des kaiserlichen Ehepaares Franz I. Stephan von Lothringen und Maria Theresia kam es zu umfassenden Reformen im Bereich der Wissenschaften und der universitären Lehre. Zwei Persönlichkeiten waren zentral mit diesen Bestrebungen verbunden: Der Protektor der Universität, Kardinal Fürsterzbischof Johann Josef Graf von Trautson, der die Studienreformen der Theologie, der Philosophie und der Jurisprudenz vorangetrieben hatte, sowie Gerard van Swieten, Präsident der medizinischen Fakultät und Reformer des Studium der Medizin. Sichtbarer Ausdruck dieser Erneuerungen war die Errichtung eines zentralen Universitätsgebäudes. Denn noch Mitte des 18. Jahrhunderts waren die diversen Ausbildungsstätten disloziert und die Ausbildung in Theologie und Philosophie (seit dem Jahr 1623) in den Händen des Ordens der Gesellschaft Jesu gelegen. Die Herauslösung dieser Wissensbereiche aus dem Ordenskontext und deren Überführung in staatliche Obsorge war wichtiger Teil der Maria-Theresianischen Reformen.
Ein Gebäude für die modernisierte Universität
Spätestens seit 1752 sind die kaiserlichen Überlegungen zu einem eigenen Universitätsgebäudes nachweisbar. Der Bauplatz dafür war mit dem Ankauf von drei Häusern an der Westseite des „Untern Jesuiterplatzls“ schnell gefunden. Mit dieser Positionierung blieb man einerseits dem alten, seit dem Mittelalter existenten Universitätsviertel treu und konnte andererseits das neue Gebäude in unmittelbarste Nachbarschaft zu Kollegium und Universität der Jesuiten und deren Kirche stellen. Diese „Konkurrenz“-Situation eröffnete die Möglichkeit, den jesuitisch geprägten Platz – er entstand gleichzeitig mit dem Bau des Kollegiums samt Kirche in den 1630er Jahren – semantisch neu zu gewichten: Durch hochrepräsentative Gestaltung der Hauptfassade wurde der Platzcharakter umgedeutet und die neue, moderne Ausrichtung universitärer Ausbildung visuell manifest gemacht. Diese Aufgabe löste der lothringische Architekt Jean Nicolas de Jadot bravourös. Er war mit Franz Stephan von Lothringen nach Wien gekommen und wurde – neben einigen anderen höfischen Bauaufträgen – mit den Planungen der neuen Aula befasst. Bereits wenige Wochen nach der Grundsteinlegung am 10. August 1753 verließ er Wien, die Ausführung seines Projektes wurde dem k.k. Unter-Hofarchitekten Johann Adam Münzer mit Unterstützung von Johann Enzenhofer und Daniel Christoph Dietrich übertragen.
Im Herbst 1755 fertiggestellt, wurde der Bau im April des folgenden Jahres vom kaiserlichen Ehepaar feierlich eröffnet. Ursprünglich sollte er lediglich die juristische und medizinische Fakultät beherbergen, doch wurde spätestens 1754 beschlossen, auch die Theologie und die Philosophie in das neue Gebäude zu übersiedeln.
Die zum Platz hin ausgerichtete Hauptfassade ist mit Pilastern und Vollsäulen plastisch gestaffelt und fünfachsig geordnet. Im „piano nobile“ ist die korinthische Ordnung zu einer – im Sinne einer Logenarchitektur – begehbaren Säulenkolonnade ausgearbeitet: einem in der Architekturgeschichte etablierten Hoheitsmotiv. Funktion und Stifter des Gebäudes sind mittels Plastik und Inschriften an der Fassade festgeschrieben: Auf den Dreiecksgiebeln der beiden Seitenrisalite ruhen Skulpturen als Allegorien der vier Fakultäten. Die kaiserlichen Stifter sind durch das monumentale habsburgisch-lothringische Kombinationswappen und der Inschrift „FRANCISCUS I. MARIA THERESIA AUGG: / SCIENTIIS ET ARTIB: RESTITUT: POSUERUNT. MDCCLIII“ präsentiert.
Mit einer Sternwarte wies das Universitätsgebäude eine Besonderheit auf, die Bernardo Belottos berühmtes, vor 1760 entstandenes, Ölgemälde prominent in Szene setzt. Deutlich überragte sie den mittleren Bereich des Gebäudes, unmittelbar hinter dem platzseitigen Walmdach. Wie spätere Darstellungen zeigen, wurde sie mehrfach umgebaut. Ihre Stilllegung und teilweise Abtragung erfolgte spätestens 1879 mit der Errichtung der neuen Universitätssternwarte auf der Türkenschanze.
Neue Hörsäle und ein Festsaal
Bis heute konnten keine Originalpläne des Architekten Jean Nicolas de Jadot aufgefunden werden, dennoch ist die ursprüngliche Anordnung der Hörsäle mittels späterer Pläne gut rekonstruierbar. Im Erdgeschoß befanden sich im platzseitigen Gebäudeteil die Wohnung des Anatomieprofessors, eine Hausmeisterwohnung sowie der Hörsaal für die „Kräuterwissenschaft“ (Botanik); im rückwärtigen Teil die Hörsäle der „Artzeneywissenschaft“ und der „Zergliederungskunst“ (Anatomie). Der repräsentative Abschnitt des Gebäudes – eine stattliche Säulenhalle mit 15 Platzlgewölben über dorischen Säulen – befindet sich im Zentrum, zwischen den beiden Hörsaalblöcken. Das erste Obergeschoß, der „piano nobile“ ist vollkommen analog strukturiert, befindet sich hier doch in genauer Entsprechung zur Säulenhalle der große Festsaal mit einer Höhe von zwei Geschoßen. Der vordere, zum Platz hin ausgerichtete Bereich ist mit den Hörsälen der Philosophie und der Theologie (Johannessaal) besetzt. Hinter dem Festsaal waren (nachweisbar ab 1796) die Hörsäle der juridischen und politischen Wissenschaften untergebracht.
Die barocke Ausstattung des Gebäudes ist nur noch in Teilen erhalten; von besonderem, auch wissenschaftsgeschichtlichem Interesse sind die Deckenmalereien des Festsaals und des Johannessaals. Die Decke des Festsaals wurde 1755 nach dem Concetto des kaiserlichen Hofdichters Pietro Metastasio von den Malern Gregorio Guglielmi (Figuren) und Domenico Francia (Scheinarchitektur) ausgemalt und hat die vier Fakultäten Jurisprudenz, Medizin, Theologie und Philosophie sowie eine Apotheose des kaiserlichen Paares zum Inhalt. Bemerkenswert ist, dass die Ikonographie nicht mehr ausschließlich der traditionellen barocken Allegorik folgt, sondern sich nachhaltiger Elemente der Aufklärung bedient. Durch einen verheerenden Brand im Jahr 1961 wurde die Decke vollkommen zerstört und vom akademischen Maler und Restaurator Paul Reckendorfer wieder hergestellt.
Antijesuitisches Bildprogramm
Der Johannessaal, Hörsaal der Theologie, wurde 1766/67 von Franz Anton Maulbertsch mit der „Taufe Christi“ freskiert. Ikonographisch ungewöhnlich zeigt das Deckengemälde die Taufe als Offenbarung der Trinität und richtet sich damit gegen den jesuitischen Antitrinitarismus, ist also als Ausdruck des Kampfes gegen die jesuitische Lehre zu werten. Das Fresko zählt zu den wichtigsten Frühwerken des bedeutendsten österreichischen Malers des Spätbarock.
Die neue Aula beherbergte zwischen 1759 und 1786 im 2. Obergeschoß zusätzlich die Akademie der Bildenden Künste. Nach der Niederschlagung der Revolution 1848 wurde das Gebäude vom Militär besetzt und diente diesem bis zur Fertigstellung der die Stadt kontrollierenden „Defensionskasernen“ (Roßauer Kaserne, Franz Joseph-Kaserne) als „Aulakaserne“. 1857 wurde das Gebäude nicht wieder an die Universität, sondern an die Akademie der Wissenschaften übergeben, deren Sitz es bis heute ist.
Zuletzt aktualisiert am : 04.03.2024 - 20:33
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Das Jesuitentheater in der „Alten Aula“
17. Jhdt.