Die theresianisch-josephinischen Reformen 1749–1790

1749–1790

Im Zeitalter der Aufklärung basierten die einschneidenden Universitätsreformen auf der Überzeugung der staatlichen Entscheidungsträger, dass die Universität nicht mehr im Verständnis der mittelalterlichen Korporation aufzufassen sei, als die man sie geschaffen hatte. An ihrer statt sollte eine neustrukturierte, öffentliche Anstalt entstehen, die in erster Linie auf die Ausbildung künftiger Staatsdiener abzielte, während die Jurisdiktion und Finanzgebarung der Universität von staatlichen Behörden zu verwalten sei.

Für die ideengeschichtliche Entwicklung der Wissenschaften und universitären Einrichtungen bot das 18. Jahrhundert einen besonderen Nährboden. Es ist die Zeit der Ordnung und Systematisierung des Wissens – von der Herausgabe der Encyclopèdie bis zur Klassifizierung des Pflanzen- und Tierreichs durch Carl von Linné. Die Herausbildung bzw. Verdichtung von Wissenschaftsdisziplinen sollte die Einführung von neuen Lehrkanzeln erforderlich machen.

Für die rückschrittlichen Unterrichtsmethoden in den philosophischen und juridischen Fächern, aber auch für die Retardierung des Wissenstransfers in den österreichischen Erblanden wurde die Vormachtstellung des Jesuitenordens verantwortlich gemacht. Auch die juridischen und medizinischen Studien führten ein Schattendasein.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war nun das gesamte österreichische Bildungswesen einem starken Wandel unterworfen. Die Einführung der Allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1774 ist dabei nur ein Mosaikstein der durch den aufgeklärten Absolutismus geprägten unzähligen Reformen der maria-theresianischen bzw. josephinischen Ära, welche alles andere als systematisch verliefen.

In diesem Zusammenhang löste die Obrigkeit Bildungseinrichtungen aus dem machtpolitischen Einflussbereich der Kirche bzw. des Jesuitenordens heraus und unterstellte sie staatlichen Institutionen. Die Universität Wien mit ihren von alters her verbrieften Rechten als weitgehend autonome Rechts- und Wirtschaftsinstanz verlor dadurch schrittweise ihre Eigenständigkeit als Korporation. Das Hauptaugenmerk der Reformen lag auf dem utilitaristischen Verständnis der Universität als Schmiede künftiger Staatsdiener, also der elitären Ausbildung von Ärzten, Priestern und Staatsbeamten.

Staatliche Studiendirektoren beaufsichtigen die Professoren

Für diesen Zeitabschnitt ist vor allem ein Name prägend: Gerard van Swieten. Seinen Vorschlägen Folge leistend, wurde 1749 das Medizinstudium grundlegend reformiert. Die Berufungs- und Besoldungspolitik der Universitätsprofessoren wurde in die Hände des Staates gelegt und ein transparenteres Promotionswesen eingeführt.

Neben der Umgestaltung des Studienplans waren jene Autoren zu approbieren, nach denen doziert wurde. Darüber hinaus waren die Professoren angehalten, ein eigenes Lehrbuch abzufassen. Die neuen Maxime des Medizinstudiums fungierten nun als Vorbild für die anderen Fakultäten, wobei die Reform der juridische Fakultät nicht vollständig umgesetzt werden konnte, da die Meinungen über die Ausrichtung des Studiums als Vorbereitung auf den Staatsdienst mit dem Verständnis des Rechtsstudiums als Wissenschaft zu stark divergierten.

In den 1750er Jahren fand eine Umstrukturierung der universitätsinternen Organe und Stellen statt. Hervorzuheben ist die Schaffung des Amtes der Studiendirektoren, durch die sich der Staat Einfluss auf alle wichtigen Universitätsgeschäfte und Studienangelegenheiten verschaffen konnte. Ebenso bildete sich eine Hofkommission heraus, welche die Reformierung und gleichzeitige Zentralisierung aller universitären Belange verfolgte und schließlich 1760 zur Studienhofkommission ernannt wurde. Die Demontierung des Jesuitenordens im universitären Gefüge wurde nun schrittweise vorangetrieben, bis die Societas Jesu schließlich einem päpstlichen Breve Folge leistend im Jahr 1773 vollständig aufgelöst wurde.

In dieses neue Machtvakuum trat nun eine Reihe aufgeklärter Reformer, unter ihnen Joseph von Sonnenfels. Er wurde 1763 auf die neueingeführte Lehrkanzel für Polizei- und Kameralwissenschaft berufen, einer zu dieser Zeit im Entstehen begriffenen Wissenschaftsdisziplin. Sein 1769 zugelassenes Lehrbuch setzte neue Maßstäbe und war bis 1848 als Lehrbuch in Verwendung. Während die Gelehrtenwelt noch weitgehend Latein als Unterrichtssprache vorzog, kritisierte Sonnenfels dies und sprach in seinen Reden bereits Deutsch, jene Sprache, die 1782 für die meisten Vorlesungen als Unterrichtssprache eingeführt wurde. Kritik äußerte Sonnenfels auch am Lehrbetrieb: Ihm fehlte ein „freischaffendes, wirtschaftlich unabhängiges Gelehrtentum“ (Klingenstein), wie es an einigen deutschen Universitäten bereits etabliert war. Sonnenfels propagierte jedoch eine österreichische Nationalerziehung, während Johann Melchior Birkenstock ein „Katholisches Göttingen in Wien“ favorisierte. Birkenstock wurde mit einer Delegation an die Vorzeigeuniversität Göttingen, aber auch an andere deutsche Bildungseinrichtungen entsandt. Sein Plan zur Reformierung des Bildungswesens in Österreich wurde jedoch nicht umgesetzt.

Abbau der konfessionellen Zugangsbeschränkungen

Im Zuge der zweiten Reformwelle in den 1770er Jahren erfolgte nun die zuerst von Maria Theresia abgeschmetterte aber 1778 umgesetzte Zulassung von Protestanten zu den Studien (außer der Theologie). 1782 wurde die Zulassung von Juden zum Studium der Medizin bzw. der Rechtswissenschaften bewilligt. Letzteres konnte unter dem Studiendirektor und Juristen Franz Ferdinand Schrötter umfangreich aufgewertet werden. Für die Zurückdrängung des Einflussbereichs der Kirche ist es bezeichnend, dass die Vorlesung über das Kirchenrecht nun nicht mehr an der theologischen, sondern an der juridischen Fakultät gelehrt und zeitweilig ganz aus dem Lehrplan gestrichen wurde.

Die Universität als Schule für den Staatsdienst

1781 ernannte Joseph II. den Sohn Gerard van Swietens, Gottfried  (1733–1803), zum stellvertretenden Präses der Studienhofkommission. Unter seinem Einfluss wurde die Universität Wien vollends zur Vorbereitung auf den Staatsdienst ausgerichtet. Das wissenschaftliche Studium gelangte ins Hintertreffen, denn was nicht im Lehrbuch stand, durfte nicht vorgetragen werden, und das Vorgetragene wurde auswendig gelernt.

Die visuelle Neugestaltung der Wiener Universitat in maria-theresianischer und josephinischer Zeit kann man durchaus als „architektonische Reform“ betrachten: Die nach der Auflösung des Jesuitenordens freigewordenen Gebäude adaptierte man für universitäre Zwecke, wie am Beispiel der alten Universitätsbibliothek erkennbar. In der sogenannten Neuen Aula (heute Akademie der Wissenschaften) wurde für das von van Swieten aufgewertete, praxisorientierte Medizinstudium ein anatomisches Theater eingerichtet und der Botanische Garten am Rennweg angelegt. Das Josephinum und das Allgemeine Krankenhaus (heute Universitätscampus) folgten in den 1780er-Jahren. Die genannten Gebäude haben sich bis heute erhalten und prägen nach wie vor das Wiener Stadtbild.

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  • Anatomisches Theater im theresianischen Aulagebäude (1786)

    Die Neue Aula verfügte auch über ein anatomisches Theater, welches sich nicht erhalten hat. (Rektorsblatt in der Wiener Universitätsmatrikel, Kod. M...

    BestandgeberIn: Archiv der Universität Wien, Bildarchiv UrheberIn: Josef Eisner Signatur: 106.I.292
    1786
Nina Knieling

Zuletzt aktualisiert am 05.03.2024 - 21:29