Die „Pfaffenstadt“

Ein nicht verwirklichtes Projekt für einen „Universitätscampus“ im mittelalterlichen Wien
1365

In der Gründungsurkunde von 1365 findet sich ein bemerkenswerter Passus, in dem Herzog Rudolf IV. verfügte, dass ein ganzer Stadtteil Wiens ausschließlich für die Universität reserviert sein sollte. Diese Verfügung ist einzigartig unter den Universitätsprivilegien dieser Zeit.

Der großzügige Plan eines ummauerten „Universitätscampus“ im Herzen Wiens sollte Auseinandersetzungen zwischen der Stadtbevölkerung und den Universitätsbesuchern verhindern und die zeitgenössischen Universitätsgründungen überflügeln. Nach dem baldigen Tod Herzog Rudolfs wurde die Realisierung des Plans verhindert.

Es war der Plan des jungen Universitätsstifters Herzog Rudolf IV., dem Wiener Studium ein ummauertes Stadtviertel in der westlichen Altstadt zwischen dem Schottentor und der herzoglichen Burg zu widmen: die „phaffenstat, da die egenant wirdige schůl sein und alle maister und schůlêr wonen sullen...“. Als geistliches Zentrum war die Minoritenkirche vorgesehen. Dem klerikalen Charakter des mittelalterlichen Generalstudiums und der allgemeinen Gleichsetzung von „Klerikern“ mit „Gelehrten“ entsprechend bezeichnete er diese innerstädtische Exklave in der Gründungsurkunde als „phaffenstatt“.

Von den Wohnungen der gemeinen Menschen getrennt …

Das großzügige, in seiner Zeit einzigartige Projekt, das zeitgenössische Universitätsgründungen überflügelt hätte, verrät neben dem „Hang zum Überdimensionalen“ des jungen Herzogs die Absicht nach Absonderung und klarer Trennung der hochprivilegierten, mit hoher Gerichtsbarkeit ausgestatteten akademischen Gemeinde, der „universitas magistrorum et scholarium“, von der Stadtgemeinde, der „universitas civium“. Im Stiftbrief heißt es, dass es den Vorlesungen und der Disziplin der Scholaren zuträglich wäre, wenn sie ihren Unterricht „von den Wohnungen der gemeinen Menschen getrennt in einem gesonderten und durch feste Mauern umschlossenen Ort“ abhalten könnten, „unbehindert durch den Lärm des Volkes“. Der Wiener Gründungsrektor Albrecht von Sachsen hatte in Paris in verschiedenen universitären Funktionen eskalierende Probleme zwischen der Stadtbevölkerung und den Universitätsbesuchern unmittelbar erlebt. Seine Erfahrungen mögen in die Wiener Gründungsurkunde eingeflossen sein. Man wollte Auseinandersetzungen und gegenseitigen Schmähungen durch eine klare räumliche Trennung von vornherein begegnen und den kirchlichen, ja klösterlichen Charakter der neuen Gemeinschaft betonen.

Der Plan erweckte bei bürgerlichen und adeligen Hausbesitzern Ablehnung, wenn auch die Bürgerschaft urkundlich gelobt hatte, alle Privilegien, Freiheiten und Immunitäten, die der Landesfürst seiner Stiftung erteilt hatte, zu achten. Mit der drohenden Einrichtung der „Pfaffenstadt“ standen empfindliche Eingriffe in bestehende Besitzrechte bevor. Alle Häuser des mit den Straßenzügen Schottentor–Schottengasse Herrengasse–Schauflergasse und Stadtmauer begrenzten Viertels, die zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten würden, sollten vorzugsweise an Universitätsmitglieder vergeben werden. Die angemessene Höhe der Kaufpreise und Mieten war durch eine Kommission zu prüfen, in der letztlich die Universität die entscheidende Stimme hatte. Auf diese Weise wären nach und nach alle Häuser in den Besitz von Universitätsmitgliedern, Kollegien oder Bursen gekommen.

Die Universität als „Untermieterin“

Vier Monate nach dem Stiftungsakt starb der junge Universitätsgründer während einer Reise in Mailand. Mit ihm starb sein Projekt „phaffenstatt“. Niemand war in der Lage, die Zielsetzungen des Gründers vollständig in die Tat umzusetzen.

Dennoch trat das Wiener Studium in seinem Gründungsjahr notdürftig ins Leben. Über die Ausführung der einzelnen Bestimmungen des Stiftbriefes herrschte im Detail Unklarheit. Daher entschloss man sich zu einem zweijährigen „Moratorium“, um die Ausführbarkeit der Bestimmungen zu prüfen. Der Stiftbrief wurde in jener Zeit dort hinterlegt, wo das neue Studium wohl seinen ersten Sitz hatte: bei der Sankt Stephans-Kirche in Wien. Die Verwahrung der Gründungsurkunden übernahm daher bis zur endgültigen Klärung der Raumfrage der Kirchmeister bei St. Stephan. Der in den Anfängen bescheidene Vorlesungsbetrieb fand vermutlich in den Räumen der Bürgerschule zu St. Stephan, dem „Collegium Civium“, und in weiteren, privaten Häusern statt.

Erst 1384 bekam dann die Universität Wien mit dem „Herzogskolleg“ ihr erstes eigenes Gebäude.