Andreas Josef Freiherr von Stifft, Dr. med.

30.11.1760 – 16.6.1836
geb. in Röschitz, Österreich gest. in Schönbrunn | Wien, Österreich

(Andreas Iosephus L. B. de Stifft)

Schwiegervater von Johann Nepomuk Edler von Raimann

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1889 Medizinische Fakultät

Funktionen

Rektor 1804/05
Rektor 1820/21

Andreas Josef Stifft, Sohn eines niederösterreichischen Weinbauern, studierte Medizin an der Universität Wien und wurde 1784 zum Doktor der Arzneykunde (Medizin) promoviert. Anschließend eröffnete er eine Praxis in Wien, wo bald der Adel und das gehobene Bürgertum zu seinen PatientInnen zählten. In diesem Zeitraum veröffentlichte er zudem sein wissenschaftliches Hauptwerk, das zweibändige Lehrbuch „Praktische Heilmittellehre“ (1790/92).

Nachdem Stifft 1795 mit einer Schrift über Reformideen für die k. k. medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie (Josephinum) eine Preisausschreibung des Kaisers gewonnen hatte, setzte sich der kaiserliche Leibarzt Anton von Stoerck dafür ein, dass Stifft noch im selben Jahr zum 2. Stadtphysikus von Wien und zum Magister sanitatis erhoben wurde. 1796 folgte seine Bestellung zum kaiserlichen Hofarzt, 1798 jene zum wirklichen Leibarzt Kaiser Franz II. (ab 1804: Franz I., Kaiser von Österreich) sowie 1802 die Ernennung zum Hofrat.

Nach dem Tod seines Förderers Stoerck 1803 folgte Andreas Josef Stifft ihm als erster kaiserlicher Leibarzt nach – in dieser Funktion blieb er für mehr als drei Jahrzehnte und begleitete Kaiser Franz I. auf den Feldzügen 1805, 1809, 1813 und 1814.
War Stifft noch zu Beginn des Jahres 1803 zum Vizedirektor des medizinischen Studiums an der Universität Wien ernannt worden, folgte im April 1803 sein Aufstieg zum Protomedicus, Direktor des medizinischen Studiums und Präses der Medizinischen Fakultät (bis Pensionierung 1834) sowie zum medizinischen Bücherzensor. Im Studienjahr 1804/05 wurde er zudem zum ersten Mal zum Rektor der Universität Wien gewählt, 1820/21 zum zweiten Mal.
1808 wurde Stifft als Beisitzer und Referent für medizinische Fragen in die auf seinen Vorschlag wiedererrichtete Studienhofkommission berufen. 1810 als Hofrat in den Staats- und Konferenzrat versetzt, übernahm er dort 1811 die Funktion eines Sanitätsreferenten und wurde 1813 schließlich zum wirklichen Staats- und Konferenzrat ernannt. Zu seinen Mitarbeitern zählte u. a. Ludwig von Türkheim.

1811 initiierte Stifft die Begründung der „Medicinischen Jahrbücher des kaiserl. königl. österreichischen Staates“, deren Hauptredaktion er gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Johann Nepomuk von Raimann übernahm. Ab 1832 schien Stifft darin auch als Alleinherausgeber auf, während Raimann die Redaktion führte.

Stifft vereinte in seiner Person somit gleichzeitig zentrale Positionen innerhalb der Universität, im Bereich des Medizinstudiums sowie im öffentlichen Gesundheitswesen und initiierte über mehrere Jahrzehnte umfassende Reformen. Stifft führte 1804, 1810 und 1833 neue Studienordnungen für Mediziner und Chirurgen im österreichischen Kaiserreich ein. Durch die Einführung von Chemie, Botanik, Pharmazie, Staatsarzneikunde (Gerichtsmedizin) und Augenheilkunde als Pflichtfächer des medizinischen Studiums förderte er die naturwissenschaftliche Fundierung der Medizin. Insbesondere die Wiener Medizinische Schule im Allgemeinen Krankenhaus profitierte durch die Einrichtung neuer Lehrstühle und Institutionen: Der 1804 begründeten Lehrkanzel für Staatsarzneikunde folgten etwa 1807 nach dem Vorbild der (militärischen) Josephs-Akademie ein ziviles Operateur-Institut unter Vinzenz Kern sowie 1812 weltweit erste Universitäts-Augenklinik unter dem 1818 zum ordentlichen Professor berufenen Georg Joseph Beer. 1833 setzte Stifft die Verlängerung des Medizinstudiums von vier auf fünf Jahre sowie eine zweijährige klinische Praxis als Bedingung zur Erlangung des Doktorats durch.
Im Sinne der Metternichʼschen Restaurationspolitik betrieb Stifft eine stark autoritär geprägte Hochschulpolitik. So dienten die durchgeführten Reformen nicht zuletzt auch der staatlichen Überwachung der Studenten und Professoren, die strengen Kontrollen unterworfen wurden, um revolutionäre Einflüsse bzw. unerwünschte Lehrmeinungen zu unterbinden. Lehrende, deren politische Zuverlässigkeit oder Loyalität zum Kaiserhaus bezweifelt wurde bzw. deren Lehre als zu fortschrittlich angesehen wurde, ließ Stifft ihres Amtes entheben – davon betroffen waren u. a. der Hygieniker Johann Peter Frank, der Chirurg Johann Nepomuk Rust sowie der Johann Lukas Boër.
Stiffts Einfluss auf das Unterrichtswesen erstreckte sich jedoch auch auf Bereiche außerhalb der (Human-)Medizin: So bewirkte er die 1812 die Eingliederung des „k. k. Thierarzney-Instituts“ (heute: Veterinärmedizinische Universität Wien) in die Medizinische Fakultät der Universität Wien und damit die Herauslösung der Veterinärmedizin aus der Militär- (Hofkriegsrat) in die Unterrichtsverwaltung (Studienhofkommission). Zudem beförderte er ab 1811 wesentlich die schließlich 1815 erfolgte Gründung des k.k. Polytechnischen Instituts in Wien (heute: Technische Universität Wien).

Im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens setzte sich Stifft ab 1803 für die Einführung der Kuhpockenimpfung ein. Er selbst impfte zunächst mehrere Mitglieder der kaiserlichen Familie und förderte in den Folgejahren durch die Verbreitung zahlreicher öffentlicher Aufrufe, Informationskampagnen und Anordnungen an der Propagierung der Impfung in allen Gebieten des österreichischen Kaiserstaates. Des Weiteren wurde auf seinen Vorschlag hin ein eigenes militärisches Sanitätscorps eingerichtet.
In der medizinischen Fachdiskussion um die Ansteckbarkeit der Cholera, die erstmals 1831 in Wien auftrat und sich zu einer großen Epidemie ausbreitete, der in Wien tausenden Menschen zum Opfer fielen, vertrat Stifft die Meinung, dass die Krankheit nicht ansteckend sei. Dementsprechend setzte er sich erfolgreich für die Beendigung der von der Regierung als Seuchenpräventationsmaßnahme veranlassten Grenzschließungen innerhalb des Kaiserreichs ein.

1834 trat Andreas Joseph Freiherr von Stifft in den Ruhestand. Er starb am 16. Juni 1836 in seiner Wohnung im Schloss Schönbrunn. Er wurde auf dem Schmelzer Friedhof (heute: Märzpark im 15. Wiener Gemeindebezirk) bestattet, im Zuge der Auflassung des Friedhofs 1912 exhumiert und in einem Ehrengrab der Stadt Wien am Zentralfriedhof wiederbestattet.

Für seine vielfältigen Verdienste wurde Andreas Joseph von Stifft vielfach geehrt und ausgezeichnet. 1814 wurde er in den erblichen Freiherrenstand erhoben. Er war Mitglied der medizinischen Gesellschaften in London, Venedig und Padua, der k. k. Ackerbau-Gesellschaft, der Josephs-Akademie, der Akademien der bildenden Künste in Wien und Prag, der k.k. Mährisch-Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde in Brünn. der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1818), der russisch-kaiserlichen medizinisch-chirurgischen Akademie zu St. Petersburg (Ehrenmitglied 1811) und der Universität Krakau.
Er war Ehrenbürger der Stadt Wien, Indigena des Königreichs Ungarn und wurde in den Landstand von Tirol und der Steiermark erhoben. Stifft war Träger des silbernen Zivil-Verdienstkreuzes (1815), Großband des k. französischen St. Michael-Ordens (1826), Ritter des k. preußischen rothen Adler-Ordens II. Klasse sowie Kommandeur des k. portugiesischen Christus-Ordens (1819), des k. neapoletanischen Ferdinands- und Verdienst-Ordens (1819), des k. sächsischen Zivil-Verdienst-Ordens (1819) und des k. brasilianischen Ordens vom südlichen Kreuze. Als Dank für die Heilung des lebensbedrohlich erkrankten Kaisers Franz I. wurde Stifft 1826 das Kommandeur-Kreuz des k. ungarischen St. Stephans-Ordens verliehen, er zum wirklichen Geheimen Rat ernannt und in den niederösterreichischen Ritterstand erhoben, eine Medaille (gestaltet von Joseph Nikolaus Lang) zu seinen Ehren geprägt sowie eine Büste (gestaltet von dem Bildhauer Franz Klein) in der Alten Universität aufgestellt. 1834 wurde anlässlich seines 50-jährigen Doktorjubiläums eine weitere Medaille (gestaltet von Joseph Daniel Böhm) geprägt.
Das 1826 im alten Gebäude der Universität Wien enthüllte Denkmal wurde 1889 – nach der Eröffnung des neuen Hauptgebäudes – als eines der ersten Denkmale im Arkadenhof der Universität aufgestellt.

Werke (Auswahl)

Abhandlungen über einige Luftarten und derselben Einfluss auf thierische Körper (Dissertation), 1784.
Praktische Heilmittellehre (2 Bände: Band 1 | Band 2), 1790/92.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 27.03.2024 - 21:39

Druckversion