Hans Uebersberger, o. Univ.-Prof. Dr.

25.6.1877 – 8.7.1962
geb. in Klagenfurt, Österreich gest. in München, Deutschland

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrensenator*in sen.h.c. 1940/41 (aufgehoben 1945) Philosophische Fakultät

Hans Uebersberger wurde am 17. Jänner 1941 gemeinsam mit fünf weiteren verdienten Nationalsozialisten und ehemaligen Professoren der Universität – Othenio Abel, Wenzel Gleispach, Karl Gottfried Hugelmann, Max Layer und Fritz Machatschek – zum Ehrensenator der Universität Wien ernannt "... als Anerkennung dafür, daß er durch seine Tatkraft das Seminar für osteuropäische Geschichte an der Wiener Universität so recht erst geschaffen und damit die Universität zu einer bevorzugten Stelle für die Erforschung des europäischen Ostens gemacht hat, und in Würdigung der Tatsache, daß er auch als Rektor unerschütterlich und mannhaft die Bestrebungen der nationalsozialistisch gesinnten Studierenden und Lehrer unterstützte und verteidigte." (Wortlaut Diplom).

Die Ehrungsform des „Ehrensenators“ war infolge des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich durch die Übernahme der deutschen Hochschulgesetze 1938 eingeführt worden und wurde bis zum Ende des Nationalsozialismus an sieben Personen verliehen. Danach beschloss der Akademische Senat 19. Mai 1945 ohne inhaltliche Diskussion diese Ehrungen aus dem formalen Grund aufzuheben, da „die österreichischen Bestimmungen die Ernennung von Ehrensenatoren nicht vorgesehen haben“. Das Unterrichtsamt wurde verständigt und stimmte dem Antrag zu, die Träger der aufgehobenen Ehrensenatorentitel wurden jedoch nicht benachrichtigt.

Die Ehrung wird 2022/23 als „problematisch“ eingestuft, da Hans Uebersberger ein zentraler Vorkämpfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien war. In inoffiziellen Netzwerken („Bärenhöhle“, Deutscher Klub) wie auch in offiziellen Funktionen – 1924/25 als Dekan der Philosophischen Fakultät sowie 1930/31 als Rektor – gestaltete er das antisemitische Klima an der Universität Wien in den 1920er und 1930er Jahren entscheidend mit, das sich sowohl in der Verhinderung von Karrieren jüdischer, linker oder liberaler Wissenschafter*innen zeigte, aber auch in der Unterstützung gewalttätiger Ausschreitungen gegen jüdische und linke Studierende.
Seit 1932 bzw. 1933 Mitglied der NSDAP sowie Vertrauensmann im NS-Lehrerbund für die Universität Wien in Österreich, folgte er 1934 zunächst einem Ruf an die Universität Breslau und übernahm 1935 die Professur des zwangspensionierten Otto Hoetzsch an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin

Funktionen

Dekan*in Philosophische Fakultät 1924/25
Rektor Philosophische Fakultät 1930/31

Hans Uebersberger (manchmal auch Übersberger) maturierte 1895 am k.k. Staatsgymnasium in Klagenfurt und studierte danach bis 1899 Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Wien. Parallel zu seinem Studium absolvierte er ab 1897 auch den Lehrgang des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. 1899 promovierte er bei dem Kunsthistoriker  Franz Wickhoff sowie dem Archäologen Emil Reisch zum Doktor der Philosophie.

Dank seiner slowenischen Sprachkenntnisse, die eine rasche Erlernung anderer slawischen Sprachen ermöglichten, und auf Vermittlung von Direktor Engelbert Mühlbacher engagierte ihn zwischen 1899 und 1906 der ehemalige österreichisch-ungarische Botschafter in Sankt Petersburg, Franz de Paula Prinz von und zu Liechtenstein, für Archivforschungen in Moskau und Sankt Petersburg, um mittels institutionalisierter Grundlagenforschung die (diplomatischen) Beziehungen zwischen Österreich und Russland wissenschaftlich aufzubereiten. Während eines Forschungsaufenthaltes in Russland wurde Uebersberger auf die Bibliothek des Gelehrten Vasilij Alekseevič Bil’basov aufmerksam, für deren Ankauf Liechtenstein 1906 die Summe von 40.000 Kronen aus seiner Privatschatulle stiftete und auch die Transportkosten bezahlte. Als Käufer der Privatbibliothek, die 1907 zum fundus instructus des einzigen von einem Hochadeligen gestifteten Instituts der Wiener Universität wurde, trat das Unterrichtsministerium auf.

Parallel zur Gründung des Seminars für osteuropäische Geschichte (das in der Folge mehrere Male seinen Namen änderte) habilitierte sich Uebersberger als erster für das Fach Osteuropäische Geschichte an einer österreichischen Universität überhaupt (1906). Das einschlägige Habilitationsthema „Oesterreich und Rußland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts“ sowie die nützlichen Netzwerke seines Förderers Liechtenstein, die in mehrere Ministerien, die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften und in die höchsten (Hof-)Kreise reichten, machten nach der Institutsgründung 1907 Hoffnungen auf eine ordentliche Professur. Wiewohl Uebersbergers Extraordinariat für Osteuropäische Geschichte (1910) erst 1915 in eine ordentliche Professur umgewandelt wurde, gab es am Institut von Anbeginn an eine klare Arbeitsteilung in der Lehre und Forschung: Der vom Institut für Slawistik abgeworbene (provisorische) Vorstand Konstantin Josef Jireček unterrichtete weiterhin „Slawische Philologie und Altertumskunde” (mit Schwerpunkt Balkangeschichte des Mittelalters), der sich selbst so bezeichnende „Gehilfe” Uebersberger lehrte die „Geschichte Osteuropas” (mit Schwerpunkt Russland und Polen), womit die Zweiteilung des Faches bis 1948 vorgegeben war. Zwischen 1913 und 1918 schlug Uebersberger mehrere Berufungen an die Universität Berlin aus, die er bei Bleibeverhandlungen in Wien monetär versilberte. Während des Ersten Weltkriegs leitete er mit Rudolf Geyer und Erich Pistor das 1916 gegründete (und um 1932/33 aufgelöste) Forschungsinstitut für „Osten und Orient”, das von der „Gesellschaft für Osten und Orient” finanziert wurde; ab 1917 nahm Uebersberger für das k.u.k. Außenministerium kriegsberichterstattende Tätigkeiten an der Gesandtschaft in Stockholm wahr und zeichnete sich als „Kriegs”-Reporter für die Neue Freie Presse aus.

Im Jahr 1918 wurde er nach dem Tod Jirečeks Institutsvorstand und versuchte sich nach dem Zusammenbruch der Monarchie als akademischer Krisenmanager, auch für die neue Republik (Deutsch-)Österreich, für die er als Berater der österreichischen Friedensdelegation in Saint-Germain-en-Laye 1919 fungierte. Zu dieser Zeit begann seine seit der Jahrhundertwende sich manifestierende deutschnationale Gesinnung handlungsleitend zu werden. Noch bevor er zum Dekan der Philosophischen Fakultät für das Studienjahr 1924/25 gewählt wurde, hat Uebersberger den Habilitierungsversuch von Karl Horovitz aus antisemitischen und antiliberalen Gründen zu einem Politikum gemacht. Weder das Ministerium, noch der Verwaltungsgerichtshof, noch das Parlament waren bereit, dem Habilitationswerber zu seinem Recht zu verhelfen, so dass dieser schließlich mit einem Rockefeller-Stipendium 1925 Österreich Richtung Amerika verließ und dort zum Pionier der Halbleiterforschung an der Purdue University avancierte. Die Causa Horovitz war symptomatisch für die zunehmend deutschnationale und antisemitische Ausrichtung der Wiener Universität, innerhalb welcher Uebersberger, der in der Burschenschaft Albia und im Deutschen Klub aktiv war, mit Gleichgesinnten in der antisemitischen  „Bärenhöhle” netzwerkte.

Seiner Vorliebe für das Uniformierte und das Korporierte sowie dem vorherrschen Zeitgeist ist die Initiative zur Wiedereinführung der seit 1784 von Joseph II. abgeschafften Amtstracht für akademische Funktionsträger*innen an der Universität Wien geschuldet. Die 1925 während des Dekanats von Uebersberger beschlossene Kleiderordnung garantierte ab 1927 den Rektoren, Prorektoren und Dekanen das Tragen von Talaren bei akademischen und sonstigen universitären Festlichkeiten. Sowohl sein Dekans- als auch sein Rektorsamt (1930/31) zeichneten sich durch Verhinderung von Karrieren jüdischer, linker oder liberaler Wissenschafter*innen, aber auch durch Unterstützung gewalttätiger Ausschreitungen aus.

Mit seinem Eintritt in die NSDAP 1932 (oder 1933) wurde Uebersberger auch Vertrauensmann im NS-Lehrerbund für die Universität Wien. Über seine im April 1934 zurückgelegte Professur gibt es verschiedene Narrative: Laut eigener Aussage kam er damit seiner Zwangspensionierung

durch Bundeskanzler Kurt Schuschnigg wegen Weigerung, der Vaterländischen Front beizutreten, zuvor; nicht erwähnt hat er, dass seine Gesinnung untragbar wurde und wohl auch die nicht konventionelle Beziehung zu seiner Studentin und späteren zweiten Ehefrau Hedwig Fleischhacker dazu beitrug, die Flucht nach vorne und ins Reich anzutreten. Der gemeinsame Weg führte über die Universität Breslau 1934 nach Berlin, wo Uebersberger 1935 die Professur nach dem zwangspensionierten Otto Hoetzsch an der Friedrich-Wilhelms-Universität antrat. Obwohl er hier ab 1936 auch die „Jahrbücher für Geschichte Osteuropas“ herausgab und versuchte, seinem Institut ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Osteuropaforschung zu verpassen, sollte das nicht gelingen.

Als nach dem „Anschluss” Österreichs sein Nachfolger in Wien, Martin Winkler, 1939 zwangspensioniert wurde, drängten ihn seine gleichgesinnten Wiener Kollegen zur Rückkehr; die nur halbherzig geführten Berufungsverhandlungen brach Uebersberger aus sachlichen, vor allem aber aus persönlichen Gründen ab, denn Kollege Heinrich Srbik war weder bereit gewesen, im Scheidungsprozess gegen seine erste Frau auszusagen, noch gewillt, Fleischhacker als Kandidatin für den vakanten Posten auf dem Dreiervorschlag zu akzeptieren. Mittlerweile nämlich war das Gerede über die inkompatible Rolle Uebersbergers im Berliner Habilitationsverfahren seiner Lebensgefährtin Fleischhacker via Slawisten in Wien bekannt geworden. Die Osteuropaprofessur in Wien wurde 1940 mit dem Uebersberger-Schüler Hans Koch, der auch sein Nachfolger in Breslau geworden war, nachbesetzt; ob dieser das Institut physisch je betreten hat, ist nicht nachgewiesen. Tatsache ist, dass Uebersberger in Berlin nicht überzeugen konnte und sich ab 1943/44 zunehmend im Wiener Reichsarchiv (wie das Haus-, Hof- und Staatsarchiv im NS-Sprachgebrauch hieß) aufhielt (und wegen der Bombardierung der Berliner Wohnung 1943 mit seiner Familie nach Wien und 1944 nach Geinberg in Oberösterreich übersiedelte).

Uebersberger wurde am 17. Jänner 1941 gemeinsam mit weiteren ehemaligen Professoren – Othenio AbelWenzel GleispachKarl Gottfried HugelmannMax Layer und Fritz Machatschek – zum Ehrensenator der Universität Wien ernannt. Die Ehrungsform des „Ehrensenators“ war infolge des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich durch die Übernahme der deutschen Hochschulgesetze eingeführt worden und wurde während des Nationalsozialismus nur zwei Mal verliehen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschloss der Senat der Universität Wien in seiner Sitzung vom 19. Mai 1945 diese Ernennungen wieder aufzuheben, da „die österreichischen Bestimmungen die Ernennung von Ehrensenatoren nicht vorgesehen haben“. Das Unterrichtsamt wurde verständigt und stimmte dem Antrag zu, die Träger der aufgehobenen Ehrensenatorentitel wurden jedoch nicht benachrichtigt.

Von seiner Professur an der Universität Berlin wurde Uebersberger 1945 im Zuge der Entnazifizierung als politisch belastet entlassen, seine Pensionsansprüche wurden jedoch 1952 anerkannt. Der „Tatbestand des Weichspülens” (Duchhardt, Abgebrochene Forschung, S. 45) wirkte sich auch auf den 1945 erfolgten Ausschluss nach dem Verbotsgesetz (§27 Art. 6) aus der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aus: Die Wiederaufnahme als korrespondierendes Mitglied (seit 1925) muss für ihn eine große Genugtuung gewesen sein, zumal er 1934 festhielt, „daß die Akademie einen nötiger habe als umgekehrt“ (Uebersberger an Bittner, Breslau 12.06.1934, HHStA, NL Bittner, 3–2–501).

Bereits ab 1950 konnte er wieder als akademischer Lehrer unterrichten: Zunächst an der Ukrainischen Freien Universität in München, ab 1958 auch als Lehrbeauftragter in Göttingen und ab 1959 bis zu seinem Tod 1962 als Emeritus der Universität Erlangen.

Uebersberger hat – bis auf wenige Publikationen zur neuzeitlichen Geschichte Russlands und Polens – überwiegend zu den außenpolitischen Beziehungen von Österreich(-Ungarn) mit Russland, zum Panslawismus, sowie zur Balkanpolitik veröffentlicht. Besonderes Augenmerk legte er in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges auf Editionen diplomatischer Akten, die sich mit der serbischen Außenpolitik, der orientalischen Frage (Balkanproblematik) und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs (Kriegsschuldfrage) beschäftigten. In der Festschrift zu seinem 80. Geburtstag (1957) wurden seine Publikationen aus der Zeit des Nationalsozialismus und einige aus der Zeit davor nicht erwähnt, wie auch seine NS-Verstrickung in den Nekrologen verschwiegen.

Für seine Tätigkeit wurde Uebersberger mehrfach geehrt: So war er, wie erwähnt, korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien (seit 1925–1945, 1952–1962) und der London School of Slavonic Studies (1925), Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (1939), Ehrensenator der Universität Wien (1941–1945) und erhielt 1930 das Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich.

Werke (Auswahl)

  • Gegenreformation und bildende Kunst (Dissertation), 1899.
  • Österreich und Rußland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, 1906.
  • Rußlands Orientpolitik in den letzten zwei Jahrhunderten, 1913.
  • Rußland, 1918.
  • gem. mit Ludwig Bittner (Hrsg.): Österreich-Ungarns Außenpolitik von der Bosnischen Krise 1908 bis zum Ausbruch des Weltkrieges 1914. Diplomatische Aktenstücke des Ministeriums des Äußern (9 Bände), 1930.
  • Das Dardanellenproblem als russische Schicksalsfrage (Inaugurationsrede, 27. Oktober 1930), 1930.
  • Der Saloniki-Prozeß. Deutsche Übersetzung nach dem serbischen Originaltexte, 1933.
  • Rußlands Territorialentwicklung und Nationalitätenpolitik, 1942.
  • Österreich zwischen Rußland und Serbien. Zur südslawischen Frage und der Entstehung des Ersten Weltkrieges, 1958.

> Wikipedia

Archiv der Universität Wien, Rektorat GZ 464 ex 1944/45

Marija Wakounig

Zuletzt aktualisiert am 15.02.2024 - 21:30

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