Ernst Forsthoff, o. Univ.-Prof. Dr. jur.

13.9.1902 – 13.8.1974
geb. in Laar, Deutschland gest. in Heidelberg, Deutschland

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. jur. h.c. 1964/65 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Die Ehrung wird 2022/23  wegen Ernst Forsthoffs Involvierung in den Nationalsozialismus als „problematisch“ eingestuft. In dem 1933 veröffentlichten Buch „Der totale Staat“ bemühte sich Ernst Forsthoff, den NS‐Staat rechtlich zu untermauern. Es enthielt klar antisemitische Äußerungen, unter anderem in Bezug auf die „Säuberungen“ im NS‐Deutschland des Jahres 1933, die Forsthoff als notwendige und unvermeidliche „Ausmerze“ gegen „Artfremde und Feinde“ sowie „politisch Andersgläubige“ darstellte: „Darum [aufgrund der „Wiedergeburt“ des deutschen Volkes] wurde der Jude, ohne Rücksicht auf guten oder schlechten Glauben und wohlmeinende oder böswillige Gesinnung, zum Feind und mußte als solcher unschädlich gemacht werden.“ (Ernst Forsthoff, Der totale Staat, Hamburg 1933, S. 39)

Forsthoff hieß nicht nur die Vertreibung der jüdischen Lehrenden gut, sondern propagierte die Bekämpfung des Judentums als wesentlichen Bestandteil seines Staatsmodells. Dennoch hielt er eine gewisse Distanz zum Regime. Er war seit 1933 Mitglied der Konservativen Volkspartei und trat erst nach seiner Berufung an die Universität Königsberg 1936 im Jahre 1937 der NSDAP bei.

Im Zuge der Entnazifizierung wurde Ernst Forsthoff 1946 als Professor der Universität Heidelberg entlassen und erst 1948 „entlastet“.

Ernst Forsthoff studierte ab 1921 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Freiburg, Marburg und Bonn. Er promovierte 1925 bei Carl Schmitt, einem der Juristen, der später wegen seiner Unterstützung des NS-Regimes und antisemitischer Schriften hervortreten sollte. Schmitt blieb über viele Jahrzehnte Vertrauter Forsthoffs. 1930 wurde Forsthoff an der Universität Freiburg für Staatsrecht habilitiert.

Ernst Forsthoff profitierte persönlich von der Vertreibung der jüdischen Lehrenden durch das nationalsozialistische Regime. Als Nachfolger des vertriebenen Hermann Heller wurde Forsthoff 1933 ordentlicher Professor an der Universität Frankfurt. Nachdem Kurt Pereis von der Universität Hamburg vertrieben wurde, übernahm Forsthoff 1935 dessen Ordinariat. In dem 1933 veröffentlichten Buch „Der totale Staat“ bemühte sich Forsthoff außerdem, den NS-Staat rechtlich zu untermauern. Es enthielt klar antisemitische Äußerungen, unter anderem in Bezug auf die „Säuberungen“ im NS-Deutschland des Jahres 1933, die Forsthoff als notwendige und unvermeidliche „Ausmerze“ gegen „Artfremde und Feinde“ sowie „politisch Andersgläubige“ darstellte:

„Darum [aufgrund der „Wiedergeburt“ des deutschen Volkes] wurde der Jude, ohne Rücksicht auf guten oder schlechten Glauben und wohlmeinende oder böswillige Gesinnung, zum Feind und mußte als solcher unschädlich gemacht werden.“
(Ernst Forsthoff, Der totale Staat, Hamburg 1933, S. 39)

Forsthoff hieß nicht nur die Vertreibung der jüdischen Lehrenden gut, sondern propagierte die Bekämpfung des Judentums als wesentlichen Bestandteil seines Staatsmodells. Dennoch hielt er eine gewisse Distanz zum Regime. Er war seit 1933 Mitglied der Konservativen Volkspartei und trat erst nach seiner Berufung an die Universität Königsberg 1936 im Jahre 1937 der NSDAP bei. Von 1936 bis 1941 fungierte er darüber hinaus als Rechtsberater des Oberkirchenrates der Alt­preußischen Union in Berlin und trat in Gutachten für die evangelische Kirche und gegen bestimmte NS-Interessen ein. Forsthoff sowie sein prominentes Buch galten in NSDAP-Kreisen als zu konservativ. Er wurde dafür kritisiert, einen zu starren Staats- und Rechtsbegriff zu vertreten, der im Widerspruch zum Bewegungscharakter des Nationalsozialismus stand, und ein „konfessionell Gebundener“ zu sein.

Diese Distanz zum Nationalsozialismus wurde auch in Wien thematisiert, als Forsthoff im Winter 1941/42 als Nachfolger Adolf Merkls an die Universität Wien berufen wurde. Insbesondere der Wiener Gauleiter Baldur von Schirach, die Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes in Wien sowie später auch die Parteikanzlei opponierten gegen die Berufung. Andererseits setzte sich die Wiener Fakultät bei Reichswissenschaftsminister Bernhard Rust für Forsthoff ein, sodass dieser im Februar 1942 an die Universität Wien berufen wurde. Forsthoff blieb aber nicht lange in Wien und nahm 1943 eine Berufung nach Heidelberg an. Aus diesem Konflikt um seinen Ruf nach Wien – später hochstilisiert zu einem „politischen“ Vorlesungsverbot – versuchten Forsthoff und andere nach 1945, einen Unbedenklichkeitsnachweis abzuleiten.

Im Zuge der Entnazifizierung wurde Ernst Forsthoff 1946 als Professor der Universität Heidelberg entlassen und erst 1948 „entlastet“. Ab 1950 lehrte er an der Universität Frankfurt und wurde 1952 wieder zum ordentlichen Professor an der Universität Heidelberg berufen, an der er bis zu seiner Emeritierung 1967 lehren sollte.

1959 wurde ein Ausschnitt aus Forsthoffs Werk „Der totale Staat“ in der Edition „Das Dritte Reich und seine Denker“ veröffentlicht. Auch 1960 wurde es öffentlich thematisiert, als Forsthoff zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs der neuen unabhängigen Republik Zypern ernannt wurde – eine Personalentscheidung, die international auf teils scharfe Kritik stieß.

Umstrittenes Ehrendoktorat

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 600. Jubiläum der Universität Wien 1965 sollte 30 herausragenden WissenschafterInnen das Ehrendoktorat verliehen werden. In Vorbereitung darauf nominierte die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1964 unter anderen Ernst Forsthoff. Der Antrag für Forsthoff war unterzeichnet von Walter Antoniolli (Verfassungsrecht), Günther Winkler (Öffentliches Recht) und Erwin Melichar (Kirchenrecht und Öffentliches Recht). Vor allem betonten die Nominierenden Forsthoffs Leistungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts, sein wissenschaftliches Ansehen sowie seine enge Verbindung zu Wien und zur österreichischen Rechtswissenschaft. Die Nominierung Forsthoffs übermittelte die Fakultät an den Akademischen Senat, der diese bestätigte und dem Bundesministerium für Unterricht unter Theodor Piffl-Perčević vorlegte. Nach ministerieller Genehmigung informierte Johann Schima als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Ende 1964 seinen Kollegen Ernst Forsthoff von der beabsichtigten Ehrung. Erfreut sagte Forsthoff zu, an der Verleihungszeremonie im Zuge der Jubiläumsfeiern im Mai 1965 teilzunehmen.

Bis zur Verleihung wurde jedoch in breiten Kreisen publik, dass sein 1933 veröffentlichtes Werk klar antisemitische Äußerungen enthielt. Im „Fall Forsthoff“ trafen viele Faktoren aufeinander: Eine aufgeheizte innenpolitische Situation durch einen intensiven Wahlkampf zur Bundespräsidentenwahl, die Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs sowie zur Unterzeichnung des Staatsvertrages, vor allem aber eine neue Sensibilität gegenüber Antisemitismus und Nationalsozialismus im Kontext des „Falles Borodajkewycz“ sowie die internationale Aufmerksamkeit durch andere Ehrengäste anlässlich des Universitätsjubiläums.

Zwei Wochen vor der Verleihung, am 28. April 1965, stellten sozialdemokratische Abgeordnete eine Parlamentarische Anfrage, in der sie gegen die geplante Ehrung Forsthoffs protestierten. Vertreter der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät kamen jedoch zu dem Schluss, dass dieser sich eindeutig von seiner NS-Vergangenheit distanziert hatte, weshalb die Ehrung durchgesetzt werden solle. Die „übertriebene“ öffentliche Debatte wurde auf die gerade aktuelle Affäre Borodajkewycz zurückgeführt. Um die öffentliche Diskussion im Hinblick auf das Jubiläum abflauen zu lassen, plante die Fakultät in Absprache mit Forsthoff, die Ehrung zu verschieben – offiziell meldete Forsthoff, zu den Feierlichkeiten „verhindert“ zu sein. Rektor Karl Fellinger informierte die Presse, die jedoch fälschlicherweise bekanntgab, dass Forsthoff generell auf das Ehrendoktorat verzichtet hätte. Dagegen protestierten wiederum sowohl Forsthoff als auch die Vertreter der Fakultät entschieden.

Inzwischen, wenige Tage vor dem Beginn der großen Feierlichkeiten zum 600. Universitätsjubiläum, erreichten Rektor Karl Fellinger, Protesttelegramme des Chemie-Nobelpreisträgers Max Ferdinand Perutz und des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Ernst Feldberg. Perutz, der aus einer jüdischen Familie stammte, sollte gleichzeitig mit Forsthoff das Ehrendoktorat erhalten und protestierte:

„Beunruhigt ueber Bericht, dass frueherer Nazi, der fuer Judenvernichtung eintrat, Ehren­doktorat erhalten soll. Wenn dies nicht befriedigend aufgeklaert wird, muss ich mit grossen [sic] Bedauern zurücktreten und die Gruende dafuer oeffentlich bekanntgeben.“
(Telegramm Max Ferdinand Perutz an Rektor Fellinger, 4.5.1965. Archiv der Universität Wien, Senat, S 199.3.6)

Bezugnehmend auf die Pressemeldungen von Forsthoffs Verzicht konnte Fellinger beschwichtigend antworten, dass die Ehrendoktoratsverleihung an Forsthoff unterdessen „bereits sistiert“ sei. Die Verleihung fand am 11. Mai 1965 unter Anwesenheit zahlreicher internationaler Ehrengäste ohne Forsthoff statt.

Schon wenige Wochen später hatten sich die Wogen geglättet und der „Fall Forsthoff“ war wieder aus dem medialen Fokus gerückt. Forsthoff zeigte sich gegenüber der Fakultät „verständnisvoll“ und übermittelte eine Stellungnahme, in denen er sein Werk „Der totale Staat“ als Verirrung darstellte und seine politische Umorientierung darlegte. Die Fakultätsvertreter sammelten entlastende Argumente für den Juristen, die vom Rektorat an Unterrichtsminister Piffl-Perčević weitergeleitet und von diesem aufgegriffen wurden. Sowohl der Senat als auch der Minister, später auch Bundeskanzler Josef Klaus, sprachen sich für die Verleihung aus, da Forsthoff sich vom Nationalsozialismus distanziert habe. Alle plädierten jedoch gleichzeitig für eine Aufschiebung, um eine erneute mediale Aufregung zu vermeiden.

Als neuer Dekan führte Günther Winkler noch im Sommer 1965 Gespräche mit einem nicht genannten sozialdemokratischen „Vertrauensmann“ und vereinbarte ein einjähriges Stillhalteabkommen. Ende 1966 beschloss schließlich auch die Parteiführung der SPÖ, die Sache nicht mehr in die politischen Auseinandersetzungen zu ziehen. Die Verleihung sollte jedoch diskret erfolgen. Winkler und Antoniolli hielten seitens der Fakultät „die moralische Verpflichtung“ fest, Forsthoff das Ehrendoktorat endlich zu verleihen. Trotz ihrer Bemühungen endeten die Diskussionen im Senat in wiederholten Vertagungen der Causa über mehrere Jahre. Dazu boten nicht zuletzt die Studierendenproteste des Jahres 1968 Anlass.

Erst 1969 beschloss der Senat, die Ehrung Forsthoffs „endlich zu vollziehen“, allerdings nur im privaten Rahmen. Der Verleihung am 9. August 1969 im Haus Forsthoffs in Heidelberg wohnten einige enge Schüler Forsthoffs bei. Weder die Universität Wien noch Forsthoff gaben die Verleihung öffentlich bekannt.

Archiv der Universität Wien, Senat S 199.3.6 (Forsthoff, Ernst: Ehrendoktorat),
Archiv der Universität Wien, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät (J), Cur 393/a, GZ 2568 aus 1963 (Ehrendoktorate u. Ehrensenatoren).

Katharina Kniefacz, Linda Erker

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 - 21:17

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