Erwin Mehl, Univ.-Prof. Dr. phil.
- Leibesübungen
- Sportwissenschaft
- Philosophische Fakultät
Erwin Mehl studierte ab 1908 Sprachwissenschaften, Klassische Philologie, Altertumskunde, Germanistik und Philosophie an der Universität Wien. 1910 legte er die Lehramtsprüfung im Fach Turnen ab. Mit 1912 abgeschlossenen Dissertation „De iteratis Lucretianis“ wurde er am 14. Februar 1913 im Fach Klassische Philologie zum Doktor der Philosophie promoviert. Im selben Jahr absolvierte er die Lehramtsprüfungen für die Fächer Latein, Griechisch und Deutsch und lehrte anschließend am Franz-Josef-Gymnasium in Wien 1 (heute: Gymnasium Stubenbastei). Während des Ersten Weltkriegs diente er an verschiedenen Kriegsschauplätzen.
Nach Kriegsende lehrte Erwin Mehl - neben seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer - ab 1919 Leichtathletik an der Universität Wien. Die beiden Turnsäle der 1885 eingerichteten Universitätsturnanstalt im Tiefparterre im linken Flügel des Hauptgebäudes waren jedoch im Zuge der Kriegsbedürfnisse zunächst als Krankensäle bzw. Lebensmittellager genutzt und noch nicht reaktiviert worden. Im November 1922 wurde Mehl schließlich zum Lektor für die Geschichte und Theorie der Leibesübungen sowie zum provisorischen Leiter der noch geschlossenen Turnanstalt der Universität Wien ernannt, die im Jänner 1923 wiedereröffnet werden konnte.
Unterstützung erhielt der nationalsozialistisch gesinnte Mehl unter anderem von der Deutschen Studentenschaft, die völkische, deutschnationale und katholische Studentenorganisationen zusammenfasste. Mit der 1922 erfolgten Gründung des Amtes für Leibeserziehungen (AfL) übte diese großen Einfluss auf die Entwicklung des Universitätssports aus. Mit großen finanziellen Zuschüssen der Sportstelle des Bundeskanzleramtes konnte das AfL breite Tätigkeiten entfalten und bot neben verschiedensten sportlichen Aktivitäten auch Sommer- und Wintersportlager für die Ferienzeit an. Das AfL arbeitete mit dem Akademischen Ausschuss für Leibesübungen (Vorsitz Prof. Rudolf Much) der Universität Wien eng zusammen.
Im Jänner 1927 wurde im Kellergeschoß des Universitätshhauptgebäudes - angrenzend an die Turnanstalt - zudem eine Schießstätte mit vier Gewehrständen und drei Pistolenständen eröffnet. Diese Einrichtung unterstand jedoch nicht der Universität Wien selbst, sondern dem Amt für Leibesübungen - daher hatten nur Mitglieder der Deutschen Studentenschaft Zugang. Die Werbearbeit des AfL stieß auf großes Interesse bei den Studierenden. Insgesamt konnte Erwin Mehl vermelden, dass hier „1927/28 75.325 Schuß abgegeben wurden“.
Nach der Auflösung Auflösung der nationalsozialistisch dominierten Deutschen Studentenschaft durch die austrofaschistische Regierung 1933 blieben die Ämter der Leibesübungen als selbstständige Einrichtung bestehen.
An der Universitäts-Turnanstalt richtete Mehl unterdessen ab 1926 ein Turngeschichtliches Seminar ein und war später auch als Lehrbeauftragter des Instituts für Turnlehrerausbildung tätig.
Nach dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 verlor die Universitäts-Turnanstalt ihre Eigenständigkeit und wurde in das „Hochschulinstitut für Leibesübungen“ - als „Abteilung 4 (freiwilliger Übungsbetrieb und Wettkampfsport)“ - eingegliedert. Erwin Mehl wurde zum Leiter der Abteilung ernannt, die provisorische Leitung des übergeordneten Hochschulinstituts für Leibesübungen übernahm jedoch sein ehemaliger Schüler Karl Schindl. Nachdem dieser 1940 zum Kriegsdienst in der Wehrmacht einberufen worden war, wurde Erwin MehI zum interimistischen Leiter ernannt - er war 1940 auch der NSDAP beigetreten. Trotz seiner Anfang 1941 erfolgten Habilitation als erster Österreicher im Bereich Sportwissenschaften, blieb er jedoch einfacher Lektor für „Pädagogik der Leibesübungen“ bzw. für Sportgeschichte. 1943 wurde über Betreiben des Reichserziehungsministeriums in Berlin Erich Klinge mit der Institutsleitung beauftragt.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Erwin Mehl im August 1945 im Zuge der Entnazifizierung der Lehrenden der Universität Wien aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft als „minderbelastet“ vom Dienst enthoben und 1948 in den Ruhestand versetzt.
1957 konnte er die Lehrbefugnis wiedererlangen und unterrichtete fortan wieder als Universitätsprofessor für Leibesübungen an der Universität Wien.
Gemeinsam mit anderen reintegrierten ehemaligen Nationalsozialisten, organisiert in der Vereinigung Freiheitlicher Akademiker, unterzeichnete Mehl 1959 ein Ansuchen an das Rektorat, die ehrende Eintragung der Rektoren der NS-Zeit in die Rektorentafel der Universität Wien nachzuholen, was wenig später tatsächlich umgesetzt wurde.
Im April 1965, als die nationalsozialistische „Belastung“ von Professoren anlässlich der Affäre Borodajkewycz sowie der geplanten Ehrenpromotion Ernst Forsthoffs gerade öffentlich diskutiert wurden, rückte am Rande auch Erwin Mehls Vergangenheit in den Fokus der Politik und der Medien: Das Institut für Leibesübungen führte nämlich auf seinem Schwarzen Brett Mehls in den 1930 wiederaufgelegte Publikation „Grundriß des deutschen Turnens“, in dem sich deutschnationale Äußerungen fanden, als Prüfungsstoff an. Diese Tatsache thematisierten sozialdemokratische Abgeordnete in einer Parlamentarischen Anfrage an Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perčević. In der Folge distanzierte sich das Institut für Leibesübungen von dem Aushang und stellte klar, dass das Werk nicht mehr für Studienzwecke verwendet werde. Erwin Mehl hatte ohnehin im März 1965 die Altersgrenze von 75 Jahren erreicht, womit seine Lehrbefugnis erloschen war.
Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, Rigorosenakt Erwin Mehl (PH RA 3528),
Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, S 304.812 und S 265.5.101 (Personalblätter Erwin Mehl).
Zuletzt aktualisiert am 27.03.2024 - 21:29